Europäische Zentralbank Was der EZB-Entscheid für Anleger bedeutet

EZB-Chef Draghi verabreicht den Märkten noch keine K.O.-Tropfen. Ökonomen rechnen nicht vor 2019 mit einer Zinserhöhung. Für Sparer sind das keine guten Aussichten. Anleger haben jetzt Gelegenheit, sich zu positionieren.

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Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), hält Kurs. Quelle: dpa

Mario Draghi hält Kurs. Der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) pumpt weiter hunderte Milliarden Euro in die Märkte, wenn auch mit verminderten Tempo. Von Januar 2018 an wird die EZB Monat für Monat für 30 Milliarden Euro Anleihen ankaufen, bisher dahin werden es weiter 60 Milliarden Euro monatlich sein.

Auf einer Dauer legte sich Draghi nicht fest. Das neue Ankaufprogramm werde bis „mindestens“ Ende September laufen, mindestens kann auch heißen: unbegrenzt. Bis Ende September 2018 jedenfalls  erhöht sich das angepeilte Gesamtvolumen also im Minimum noch einmal um 270 Milliarden auf 2,55 Billionen Euro. Die Leitzinsen beließ die EZB natürlich auch da, wo sie zwar nicht hingehören, aber wo sie nun einmal sind: Auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent.

Ausblick verheißt nichts Gutes für Sparer

Und auch der Ausblick verheißt für Sparer nichts Gutes. Denn an ihrem Zinsausblick hielt die EZB fest. Demnach sollen die Schlüsselsätze noch lange auf ihrem derzeitigen Niveau liegen.

Viele Volkswirte rechnen nicht vor 2019 mit ersten Zinserhöhungen. „Von einer Umkehrung des Kaufprogramms beziehungsweise der Bestandsreduktion der von der EZB gehaltenen Vermögenswerte sind wir noch immer weit entfernt. Eine echte Zinswende kommt unserer Einschätzung nach voraussichtlich auch erst zur Jahresmitte 2019", so Sebastian Becker, Analyst bei der Deutschen Bank in Frankfurt.

Verzweifelter Kampf für mehr Inflation

Je nach Marktlage ist auch vorstellbar, dass die EZB den Satz auch dann nicht erhöhen wird. Denn EZB-Chef Draghi stellt sich auf einen längeren Kampf gegen niedrige Inflation ein, die in der Eurozone bei zuletzt 1,5 Prozent lag, noch recht deutlich unter dem Zwei-Prozent-Ziel, das die EZB anpeilt.

Trotz der anhaltenden Geldschwemme stellt sich die Zentralbank laut Draghi sogar auf einen vorübergehend nachlassenden Preisauftrieb zum Jahresende ein. Dies gehe auf statistische Effekte bei der Ermittlung der Energiepreise zurück, so Draghi. Auf mittlere Sicht sei allerdings damit zu rechnen, dass die Inflationsrate schrittweise steige.

Bleibt abzuwarten, ob diese Einschätzung dieses Mal zutreffen wird, hat es sich doch gezeigt, dass Draghis fast schon verzweifelter Kampf für mehr Inflation nahezu wirkungslos geblieben ist.

Anleger zahlen weiter drauf

Anleger werden bei Inflationsraten, die hierzulande dieses Jahr durchschnittlich so um die 1,7 Prozent liegen werden, also weiter draufzahlen: Bei einer zweijährigen Bundesanleihe verlieren sie real etwa 2,5 Prozent pro Jahr, bei einer 30-jährigen 0,4 Prozent pro Jahr, sollte die Inflation über Jahrzehnte nicht steigen.

Wenn doch, dann wird die kalte Enteignung noch schlimmer. Sogar  für in Euro ausgegebene Schrottanleihen mit fragwürdiger Bonität  lässt sich für Anleger netto nichts oder kaum noch etwas verdienen. Insgesamt kamen die Renditen, für Bundesanleihen, nach der EZB-Entscheidung sogar leicht zurück. Ebenso gab der Goldpreis in Dollar minimal nach, während die Feinunze in Euro gerechnet unverändert notierte bei knapp 1090 Euro.

Was Anleger jetzt tun können

Dax wieder über 13.000 Punkte

Ob des Zinsausblicks springen viele, oder zumindest einige, konsequent in den Aktienmarkt. „In der Geldanlage Aktien weiterhin erste Wahl – nicht zuletzt weil die Firmengewinne auch im kommenden Jahr steigen dürften. Ein Schwerpunkt sollte dabei der Euroraum sein mit dem Dax als prominentesten Profiteur der gut laufenden Weltkonjunktur“, so Otmar Lang,  Chefvolkswirt der Targobank.

Die Blue Chips im Deutschen Aktienindex rappelten sich denn nach der EZB-Sitzung auch auf und hievten den Leitindex wieder über die Marke von 13000 Punkte;  noch stärker liefen die Nebenwerte, der MDax legte um mehr als ein Prozent zu. Das lag auch daran, dass Draghi mit seinem neuen Plan den Euro schwächte. „Die Entscheidung ist im Prinzip so ausgefallen wie erwartet, aber offenbar hatten einige Anleger mit einer deutlicheren Straffung der Geldpolitik gerechnet", so Ulrich Wortberg, Analyst der Landesbank Hessen-Thüringen.  Die Gemeinschaftswährung fiel von 1,1813  auf 1,1755 Dollar und entfernte sich damit weiter von der 1,20-Dollar-Marke, bei deren nachhaltigem Überschreiten mit einem anhaltend starken Euro gerechnet werden müsste.

So bewerten Ökonomen den Kurswechsel der EZB

Schwacher Euro erwünscht

Der fallende Euro ist ein von der EZB sicher gewünschter Effekt, dämpft doch ein starker Euro die Möglichkeit deutlich ein, tatsächlich mal an der Zinsschraube zu drehen Ein schwacher Euro ist auch gut für die exportlastige deutsche Wirtschaft, deren Waren dann günstiger werden.

Was gut für die Wirtschaft, ist gut für den Aktienmarkt, so simpel machten Investoren die Rechnung nach dem EZB-Entscheid auf. „Die Europäische Zentralbank hat kein Interesse daran, die Finanzmärkte zu überraschen. Das war auch heute wieder so“, so Targobank-Chefvolkswirt Lang.  Diese Entscheidung impliziere „zwar weiterhin nicht die große Kurswende für Anleger, aber Feinanpassungen werden wichtiger“, so Lang.

Jetzt Risiken im Depot anpassen

Anleger haben jetzt Gelegenheit, sich rechtzeitig zu positionieren. Denn die EZB-Entscheidung dürfte noch weiter dazu beitragen, die Märkte zu verzerren. Die Verwerfungen sind offensichtlich, angefangen von einer nie dagewesenen Verschuldung bis hin zu Kredit-, Anleihe-, Aktien- und Immobilienmärkten, die keine Risiken mehr einpreisen.

Der Crash kommt jetzt noch nicht, aber wenn er kommt, wird eine Absicherung umso teurer. „Die Notenbank baut weiter Risiken für Anleger auf, indem sie diese bei der Suche nach auskömmlicher Rendite aus den etablierten und liquiden Märkten in unbekanntere und damit risikoreichere Marktregionen drängt“,  so Christoph Kutt, Leiter Zinsstrategie und Staatsanleihen bei der DZ Bank in Frankfurt. „Für die weitere Geldpolitik besteht das Risiko, dass wir eine überraschend stark steigende Inflation erleben, die die EZB dazu zwingt, restriktiver zu werden und damit den Konjunkturmotor abwürgt, während die Finanzmarktteilnehmer alle gleichzeitig durch dieselbe Tür hinaus wollen“, so Kutt.

Was Anleger jetzt schon tun können, um sich rechtzeitig vor dem Gedrängel an der Tür zu positionieren, lesen Sie in unserer aktuellen Titelgeschichte.

EZB sorgt für gute Laune - Börsenchef Kengeter tritt zurück

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