Wie bei der WirtschaftsWoche Online vor einer Woche vorausgesagt, könnte Getreide aus der Ukraine bald wieder den Weltmarkt erreichen. Zwischen 20 und 30 Millionen Tonnen Getreide aus der Ukraine warten darauf, aus den Silos der Schwarzmeerhäfen exportiert zu werden. Neben Russland gehört die Ukraine zu den wichtigsten Getreideexporteuren der Welt.
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Nach Ausbruch des Krieges und der Blockade ukrainischer Häfen durch Russlands Schwarzmeerflotte sind die Getreidepreise weltweit dramatisch angestiegen. So schoss etwa der Weizenpreis an der weltgrößten Warenterminbörse in Chicago bis auf 1340 US-Cent je Scheffel (27,215 Kilogramm) und damit auf ein historisches Hoch. Es waren nicht nur Hedgefonds, die die Preise nach oben trieben, sondern auch der Schock der Marktteilnehmer über die schlagartige Verknappung des Angebots.
Jetzt aber haben sich Russland und die Ukraine unter Vermittlung des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan und UN-Generalsekretär António Guterres auf ein Exportabkommen geeinigt. Am Freitag haben die beiden Staaten separate Vereinbarungen unterzeichnet.
Die Sorge vor einer globalen Hungerkrise spielte Wladimir Putin in die Hände. Dadurch konnte er Allianzen knüpfen. Ein wichtiger Mitspieler ist der türkische Präsident. Die Türkei ist selbst stark abhängig von Getreideimporten aus der Schwarzmeerregion. Putin wollte seinerseits offenbar nicht bis zum Äußersten gehen und vielerorts auf der Welt Hungerkrisen auslösen. Das hatte der Markt schon in den vergangenen Wochen antizipiert. Inzwischen notiert der Getreideindex S&P GSCI Grains Spot gut 30 Prozent unter seinem Hoch vom Mai.
Angst vor der Rezession
Die US-Notenbank Fed sieht in steigenden Nahrungsmittelpreisen einen entscheidenden Faktor für das Entstehen von Inflation. Jetzt fallen die Preise wieder. Der Inflationsdruck wird also zumindest vorübergehend nachlassen.
Rohstoffe sind eigentlich keine homogene Anlageklasse, die Preise laufen nicht immer parallel. Agrargüter werden maßgeblich von Ernteerträgen in wichtigen Anbaugebieten bestimmt, und, wie jetzt in der Ukraine, von der Höhe der Lagerbestände, die auf den Markt kommen könnten. Industriemetalle und Rohöl stehen im Zeichen der Lagerbestände. Industriell genutzte Rohstoffe hängen dagegen stark von der Konjunkturlage ab. Manchmal laufen die Rohstoffpreise trotzdem im Gleichschritt. So wie aktuell – es geht stramm nach unten. Die Rohstoffpreise sind in den vergangenen Wochen in atemberaubendem Tempo eingebrochen.
Fallende Rohstoffpreise signalisieren aber nicht nur, dass die Inflation vermutlich ihren Höhepunkt erreicht hat. Sie zeigen auch an, dass die Nachfrage aus der Wirtschaft eingebrochen ist. Und das ist ein untrügliches Zeichen für einen scharfen Konjunktureinbruch. Möglicherweise stecken Europa und die USA sogar längst in einer Rezession. Der Preis für Kupfer etwa, ein viel beachteter Konjunkturindikator, notiert mittlerweile ein Drittel unter seinem Jahreshoch. Auch der Ölpreis hat nachgegeben. Er könnte sich wegen der strukturellen Angebotsknappheit in diesem Abschwung aber besser halten als in früheren Rezessionen.
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