
Das war ein herber Dämpfer für Yanis Varoufakis. Kurz nachdem der neue griechische Finanzminister in Frankfurt um die Gunst der Europäischen Zentralbank (EZB) warb, verkündete die am Mittwochabend, griechische Staatsanleihen ab dem 11. Februar nicht mehr als Sicherheiten zu akzeptieren.
Während Varoufakis nach dem Treffen mit EZB-Chef Mario Draghi von einem "fruchtbaren Gespräch" gesprochen hatte, zieht der Notenbankchef die Zügel merklich an. Hat Draghis Warnung vor allem Symbolcharakter? Oder steht Griechenland kurz vor der Pleite? Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Entscheidung.
Wer ist von dem Schritt der EZB überhaupt betroffen?
Hauptleidtragende sind die griechischen Banken, denn sie dürfen sich vorerst nicht mehr beim Geld der Zentralbank bedienen. Wenn Europas Banken sich bei der EZB Geld leihen wollen, verlangt die Zentralbank dafür im Gegenzug Sicherheiten - ähnlich wie eine Privatbank, wenn sie Kredite an Kunden vergibt. Normalerweise bekommt die EZB von den Banken Staatsanleihen als Sicherheit, welche dann in der Bilanz der Notenbank landen.
Diese Regierungen scheiterten wegen der Euro-Krise
Mit Steuererhöhungen wollte die Regierung des Sozialisten Elio Di Rupo den Haushalt stabilisieren. Nach der Wahlniederlage im Mai 2014 führte Charles Michel eine konservativ-liberale Regierung.
Im Februar 2013 löste der Konservative Nikos Anastasiades den linken Präsidenten Dimitris Christofias ab, der bei der Lösung der Finanzprobleme des pleitebedrohten Eurolandes erfolglos blieb.
Im November 2011 trat Silvio Berlusconi nach massivem Druck der Finanzmärkte zurück. Ex-EU-Kommissar Mario Monti führte die Übergangsregierung, bis auch er im Dezember 2012 zurücktrat.
Im Juni 2012 übernahmen die Sozialisten die Regierung, nachdem die UMP des im Mai abgewählten Präsidenten Nicolas Sarkozy abgestürzt war. François Hollande löste den durch die Krise schwer belasteten Sarkozy ab.
In der Finanzkrise gab Premier Giorgios Papandreou von der linken Pasok-Partei Ende 2011 auf. Seine Nachfolge trat der parteilose Lucas Papademos an. Bei der Wahl im Mai 2012 verloren die Unterstützer des Sparprogramms die Mehrheit und Samaras übernahm das Steuer.
Im April 2012 kam die Regierung unter Mark Rutte im Streit um den Sparkurs zu Fall. Im September gewann er erneut die Wahl und schmiedete ein Bündnis mit neuen Koalitionspartnern.
Seit Februar 2012 ist eine Mitte-Rechts-Regierung unter Janez Jansa im Amt. Die vorige Regierung stürzte, weil sie die rasant steigende Verschuldung nicht eindämmen konnte.
Die Krise bestimmte maßgeblich den Ausgang der vorgezogenen Wahl im November 2011. Die Sozialisten erlebten ein Debakel, der konservative Mariano Rajoy folgte auf José Luis Rodríguez Zapatero.
Die christlich-liberale Premierministerin Iveta Radicova verknüpfte die Abstimmung im Oktober 2011 über eine Ausweitung des Euro-Rettungsschirms EFSF mit der Vertrauensfrage und verlor. Im März 2012 gewannen die Sozialdemokraten mit Robert Fico.
Die sozialistische Regierung von José Sócrates wurde angesichts der schweren Wirtschaftskrise im Juni 2011 abgewählt. Pedro Passos Coelho führte dann eine liberal-konservative Regierung.
Bei der Parlamentswahl im Februar 2011 wurde die wirtschaftsliberale Fianna Fail unter Premier Brian Cowen abgestraft. Premier wurde Enda Kenny von der konservativen Fine Gael.
Eigentlich akzeptiert die Notenbank allerdings nur Bonds mit ausreichender Bonität. Papiere, die als Sicherheiten hinterlegt werden können, müssen mindestens ein Rating von BBB- haben, also im Investmentbereich liegen.
Für Griechenland galt schon seit längerem eine Sonderregel. Obwohl die Ratingagenturen griechische Staatsanleihen auf Ramsch runtergestuft haben, hat die EZB sie als Sicherheiten akzeptiert, um den Hellas-Banken Zugriff auf das Notenbankgeld zu verschaffen. Diese Sonderregelung wurde nun gekippt. Im Dezember 2014 haben sich griechische Banken rund 56 Milliarden Euro vom Eurosystem geliehen.





Droht griechischen Banken jetzt die Pleite?
Nein, vorerst können sich Banken wie die Piräusbank über ein Notfallprogramm, kurz ELA (Emergency Liquidity Assistance) finanzieren. Allerdings sind diese Notkredite höher verzinst, die Refinanzierung für die Banken wird also teurer.
Diese ELA-Kredite werden von der griechischen Zentralbank an die Geldinstitute vergeben. Die Hand auf dem Portemonnaie hat allerdings auch hier die EZB. Sie muss die Notkredite abnicken, die griechische Notenbank muss dafür regelmäßig die Erlaubnis der EZB einholen.
Dieser Geldkanal kann also jederzeit versickern - denn der EZB-Rat kann die ELA-Hilfen an griechische Banken jederzeit mit einer Zweidrittelmehrheit stoppen.
Kommt die Reaktion der EZB überraschend?
Überraschend ist eher der Zeitpunkt der Entscheidung. Ende Februar läuft das Hilfsprogramm der Troika aus EZB, Internationaler Währungsfonds (IWF) und EU aus. Da Griechenlands neues Linksbündnis schon andeutete, mit der Troika nicht mehr zusammenarbeiten zu wollen, galt es als eine Frage der Zeit, bis die EZB daraus Konsequenzen ziehen könnte. Lediglich mit einer so frühzeitigen Reaktion hatten die Finanzmärkte nicht gerechnet.
Weitere Fragen und Antworten
Womit begründet die Zentralbank ihre Entscheidung?
Mario Draghi und seine Kollegen zweifeln an den Reformbemühungen der neuen griechischen Regierung. In der Erklärung der Notenbank heißt es, es könne derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass die Überprüfung des griechischen Reformprogramms erfolgreich abgeschlossen werde.
Damit seien die "Regeln des Eurosystems" verletzt. EZB-Chefvolkswirt Peter Praet erklärte gegenüber der französischen Zeitung "Les Echo", wenn die Bedingungen für den Zugang zum Zentralbankgeld nicht mehr erfüllt seien, müsse die Notenbank die entsprechenden Konsequenzen ziehen.
War die Verbindung der Hellas-Banken zum EZB-Geld schon mal gekappt?
Ja, 2012 mussten Griechenlands Banken bereits zweimal ohne die Liquidität der Notenbanken auskommen, unter anderem im Rahmen der Umschuldung. Auch da wurde der Finanzierungsbedarf durch die ELA-Kredite aufgefangen. Die Kredite dienten unter anderem dazu, den Finanzierungsbedarf Griechenlands vor der Auszahlung der nächsten Tranche des Hilfspakets zu decken. Die Zweifel am Reformwillen Griechenlands dürften nun allerdings höher sein.
Auch Zypern war schon mal abhängig von den Notkrediten, im März 2013 drohte Mario Draghi damit, auch diese Hilfen zu verweigern. Einige Tage später war der Rettungsplan für Zypern fertig, der Poker von Draghi war also erfolgreich.
Die Szenarien für den Euro-Raum
Was passiert: Alles bleibt beim Alten
Wahrscheinlichkeit: Hoch
Folgen: Instabile Konjunkturentwicklung und hohes Maß an Planungsunsicherheit für europäische Unternehmen
Was passiert: Griechenland verlässt die Euro-Zone
Wahrscheinlichkeit: Mittel
Folgen: Schwindendes Vertrauen in den Euro und Gefahr eines Dominoeffekts für Italien, Spanien, Portugal und Irland
Was passiert: Euro-Bonds mit gemeinsamer Schuldenhaftung
Wahrscheinlichkeit: Mittel
Folgen: Stabilisierung der Finanzmärkte, mehr Planungssicherheit für Unternehmen, aber mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung
Was passiert: Aufspaltung der Euro-Zone mit Nord- und Süd-Euro
Wahrscheinlichkeit: Gering
Folgen: Starker Nord-Euro gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit der Nord-Zone und die Stabilität der innereuropäischen Lieferketten
Wie gefährlich ist die Situation für die griechischen Banken?
Für Banken wie die Piräus Bank, Alpha Bank oder Eurobank wird es immer schwieriger, an Geld zu kommen. Investoren haben den Glauben an die Institute verloren, es wird für sie immer schwieriger, Geld am Kapitalmarkt einzusammeln. Die Ratings der Banken sind schlecht, und auch am Aktienmarkt vertrauen die Anleger den griechischen Instituten nicht. Nach der EZB-Entscheidung am Donnerstag sind die Kurse zeitweise um bis zu 15 Prozent eingebrochen.
Hinzu kommt, dass die Sparer nicht mehr an ihre Geldinstitute glauben. Bereits am Wochenende berichtete die "Financial Times", zuletzt seien täglich bis zu einer Milliarde Euro von griechischen Bankkonten abgehoben worden.
Nach Schätzungen der Ratingagentur Moody's liegen die Einlagen der privaten Sparer in Griechenland so oder so nur noch bei 164 Milliarden Euro. Nach der Entscheidung der EZB fürchten Beobachter einen "Bank-Run", also lange Schlangen vor den griechischen Bankschaltern und Sparer, die ihre Konten plündern. Ziehen die Sparer zu viel Geld ab, könnte es für die Banken brenzlig werden.
Wie weit geht die EZB?
Eng wird es, wenn die EZB die Vergabe der ELA-Kredite stoppt. Noch sieht es danach nicht aus, am Donnerstag verkündete die Notenbank zunächst, die Obergrenze des Notprogramms um zehn Milliarden Euro zu erhöhen. Damit sei das Bankensystem geschützt, erklärte darauf ein Vertreter der griechischen Regierung. Wo die Obergrenze liegt, will die EZB offiziell nicht kommentieren. Die "Welt" berichtet allerdings, die Obergrenze liege nun bei 60 Milliarden Euro. Das wäre ziemlich genau die Summe, die sich griechische Banken im Dezember bei der EZB geliehen haben.
Gedankengrenzen gibt es aber keine. Die Commerzbank mutmaßte nach der Entscheidung, Mario Draghis berühmte Worte "whatever it takes" könnten auch einen Grexit, also ein Austreten Griechenlands aus der Euro-Zone, beinhalten.
Europa
Wie reagieren die Finanzmärkte?
Unmittelbar nach der Entscheidung der EZB fiel der Euro um mehr als einen Cent in Richtung der 1,13 Dollar. Am Donnerstag legte die Gemeinschaftswährung allerdings wieder etwas zu. Auch der Dax startete deutlich im Minus, konnte sich aber im Verlauf des Vormittags etwas erholen. Eingebrochen ist dagegen die Börse in Athen, der dortige Bankenindex verlor in der Spitze mehr als 20 Prozent.
Schon am Mittwoch lag die Rendite auf griechische Anleihen über zehn Prozent, am Donnerstag stieg sie auf über elf Prozent auf ein besorgniserregendes Niveau. Profitiert haben dagegen deutsche Bundesanleihen und amerikanische Staatsanleihen, sie gelten erneut als sichere Häfen.