Finanzkrise reloaded? Wie der Negativzins die Finanzmärkte durchschüttelt

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Negativer Einlagezins als verzweifelte Maßnahme

Helge Pedersen, Chefökonom bei Nordea in Kopenhagen, erklärte kürzlich, der negative Zins funktioniere zwar, um eine Währung zu schwächen. Die Kreditvergabe kurbele man damit aber nicht an. Für die EZB ist das ein Schlag ins Kontor. Der Notenbank drohe ein „Teufelskreis“, warnte der Nordea-Volkswirt. Auch Lips ist skeptisch. „Die nominalen Zinsen können zwar noch tiefer sinken, ob das aber den gewünschten Effekt hat, ist fraglich“, sagt Lips.

Heizen die Zentralbanken mit ihrem Negativzins die Turbulenzen an? Scott Mather, Managing Director bei Pacific Investment Management Co. bezeichnete den Minus-Zins vor kurzem als “verzweifelte” Maßnahme, die schädlich sei für die „finanzielle und wirtschaftliche Stabilität“.

Nachteil des Wettbewerbs

Offenbar überwiegen bisher die Nachteile. Und die liegen eindeutig bei den Banken. Sie müssen für Geld, welches sie bei der EZB deponieren wollen, eine Gebühr bezahlen. Gleichzeitig verlangen Sparer aber weiterhin Geld von den Instituten, wenn sie Geld auf ihr Konto einzahlen. Die Ertragsmöglichkeiten der Banken werden also deutlich eingeschränkt.

Die drei Pfeiler der Bankenaufsicht

Käme es wie erhofft zu einer deutlich steigenden Kreditvergabe, wäre das auch für Banken positiv. Allerdings bezweifeln Analysten, dass die Nachfrage nach Darlehen dafür überhaupt groß genug ist. Banken dürften also weiterhin in einem Dilemma stecken, denn bisher winden sie sich darum herum, den Strafzins an ihre Kunden weiterzugeben. Dafür ist der Wettbewerb zwischen den Instituten zu intensiv.

Auf die verzwickte Lage der Banken angesprochen sagte EZB-Chef Mario Draghi nach dem Zinsentscheid im Januar, das Mandat der EZB sei es, Preisstabilität zu gewährleisten, nicht, die „Profitabilität der Banken zu schützen“. Vor dem Hintergrund, dass die EZB mittlerweile auch für die Aufsicht der wichtigsten Banken in Europa zuständig ist, eine bemerkenswerte Aussage. Noch sehe die EZB keine Zeichen von finanzieller Instabilität durch geldpolitische Maßnahmen.

Trotzdem bleibt es problematisch, denn im Moment sieht es schwer danach aus, als würde die EZB nachlegen und den Einlagezins noch weiter absenken. „Die Frage ist nur, wie weit nach unten es gehen wird“, sagt Lips. Die Konjunktursorgen und die schlechte Stimmung der Marktteilnehmer, gerade was Bankaktien angehe, deute darauf hin, dass die EZB nachlege, erklärt Lips. „Eine Senkung um mehr als zehn Basispunkte wird aktuell bereits vom Markt eingepreist“.

Schon bei ihrem vergangenen Treffen im Januar haben die EZB-Räte eine stärkere Absenkung des Einlagezinssatzes diskutiert. Die Zinskurven zeigen das bereits, der Markt wäre vermutlich schwer enttäuscht, wenn der Einlagezins nicht weiter gesenkt würde. Der „Teufelskreis“, von dem viele Beobachter sprechen, würde Realität. Bringt am Ende die Bankenaufsicht ihre eigenen Zöglinge mit ihrer eigenen Geldpolitik in Gefahr? Undenkbar ist es nicht. Und die Lehrbücher müssen so oder so umgeschrieben werden. 

Wie steht es um die Zukunft der Banken? Droht der nächste Lehman-Moment, eine globale Finanzkrise? Eine umfangreiche Analyse zur aktuellen Lage in der Bankenbranche lesen Sie ab Freitag in der neuen WirtschaftsWoche.

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