Finanzmärkte „House of Wirecard“

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Angebliche Geldwäsche

Braun braucht stahlharte Nerven. Nicht nur damals, als er im Crash Aktien kaufte. Sondern auch heute: Seit dem 24. Februar dieses Jahres stehen Wirecard und CEO Braun mächtig unter Beschuss. Eine angebliche Research-Firma namens Zatarra veröffentlichte ein 100-Seiten-Pamphlet, just zu einem Zeitpunkt, als sich Hedgefonds massiv gegen Wirecard positioniert hatten. Tenor des Reports: Wirecard missachte Geldwäschevorschriften und betrüge Behörden und Anleger. Mehr oder weniger gleichzeitig stellten einige angelsächsische Journalisten Fragen zur Bilanz, die angeblich nicht transparent sei. Der 'Financial Times'-Blogger Dan McCrum etwa schrieb in den vergangenen 18 Monaten eine ganze Artikelserie, Titel: 'House of Wirecard', in Anlehnung an das Politdrama 'House of Cards', kritisch, versteht sich.

Der Kurs von Wirecard brach ein, das Unternehmen verlor binnen Kürze 1,3 Milliarden Euro an Börsenwert und hat sich von dem Schlag immer noch nicht ganz erholt.

Zatarra ließ das Frühjahr über weitere Reports folgen. Zuletzt wurde Anfang Juni im Internet die Information verbreitet, Wirecard habe vier Millionen Euro gezahlt, um Zatarra zum Schweigen zu bringen, sei aber auf einen Betrüger reingefallen. 'Das ist natürlich völliger Unsinn', heißt es hierzu von Wirecard. Das Niveau der Shortseller-Attacken bewege sich in Richtung 'immer neuer Tiefstände'.

Die Ereignisse der vergangenen Monate erscheinen wie die Wiederaufführung eines schon mehrfach gegebenen Stücks. Schon im Frühjahr 2010 kursierte ein Report mit ähnlichen Vorwürfen, auch damals sackte der Kurs. Und davor, im Sommer 2008, hatte die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) Wirecard irreführende Bilanzierung vorgeworfen. Wie sich später herausstellte, trieben sie ein falsches Spiel, hatten doch Mitglieder der SdK, darunter der Vorstand Markus Straub, gegen den Kurs gewettet.

Hartnäckig hält sich seither als Quasifakt, die Bilanz von Wirecard sei selbst von Branchenexperten 'nur teilweise' zu 'verstehen' ('Süddeutsche Zeitung') oder 'selbst für Experten schwer durchschaubar' ('Der Spiegel').

Dabei sind Bilanzen keine Bücher mit sieben Siegeln. Die Geschäftsabschlüsse von Wirecard sind sicherlich schwieriger zu durchschauen als die Einnahme-Überschuss-Rechnung einer Pommesbude in Herne-West.

Angriffe auf Wirecard und Ströer

Das Zahlenwerk des TecDax-Wertes ist aber leichtere Kost als etwa die Bilanz der Deutschen Bank oder von General Electric.

Ein immer wieder kursierender Vorwurf ist, dass Wirecard doch kaum so viel Geld verdienen könne, wie in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung ausgewiesen. Auf den ersten Blick schafft Wirecard tatsächlich 2015 eine frappierend hohe Nettogewinnmarge von 18,5 Prozent. Doch bezieht man den Gewinn auf das Transaktionsvolumen von gut 45 Milliarden Euro, dann schrumpft diese Marge auf knapp 0,32 Prozent. Ist das wirklich viel? Zum Vergleich: Visa, im selben Metier unterwegs, schaffte zuletzt, am Umsatz gemessen, eine Nettomarge von 47 Prozent - fast das Dreifache von Wirecard. Auch bei Visa schrumpft diese Marge, gemessen an den Transaktionen, auf 1,3 Prozent - immer noch das Vierfache von Wirecard. Die Aschheimer sind also sogar vergleichsweise margenschwach - für aufgeblasene Gewinne sprechen die Zahlen jedenfalls nicht.

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