Finanzmärkte „House of Wirecard“

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"Die Zahlen sind nachvollziehbar"

Ein weiterer Vorwurf ist, dass Wirecard nach Übernahmen Kundenbeziehungen als Vermögen bilanziert und damit die Bilanz aufblähe. Dem ist so. Insbesondere die zum Teil bis zu 20 Jahre langen Abschreibungsfristen auf diese Kundenbeziehungen sind alles andere als konservativ. Wirecard sitzt da aber zum Beispiel im selben Boot mit SAP. Auch der Dax-Konzern setzt Kundenbeziehungen als Vermögen an - und schreibt diese über bis zu 19 Jahre ab. SAP und Wirecard halten damit geltendes Bilanzrecht ein. Ähnlich aggressiv sind auch beide bei Übernahmen unterwegs, abzulesen an den bilanzierten Übernahmeprämien (Goodwill oder Firmenwerte); das sind Aufschläge für Werte, die über das Vermögen des übernommenen Unternehmens hinausgehen. SAP hat bei seiner Einkaufstour vor allem im Cloudgeschäft einen Goodwill über 22,7 Milliarden Euro aufgebaut, bei einem Eigenkapital von 23,2 Milliarden Euro. Bei Wirecard schlug der Goodwill per Jahresende 2015 mit 489 Millionen Euro zu Buche, bei einem Eigenkapital von 1,28 Milliarden Euro. Auf lange Sicht dürfte bei beiden Unternehmen der Goodwill nichts mehr wert sein; vorsichtige Anleger müssten ihn schon jetzt vom Eigenkapital abziehen. SAP stünde dann theoretisch fast ohne Eigenkapital da; bei Wirecard blieben noch mehr als 60 Prozent des Kapitals übrig. Im analytischen Vergleich stehen also SAP oder andere Dax-Konzerne wie etwa Bayer ungleich schlechter da als Wirecard - ein Fakt, der bei Betrachtung der Bilanz der Aschheimer nie erwähnt wird. Zweifel werden auch immer wieder an der niedrigen Steuerquote von Wirecard geäußert, so auch von Zatarra bei der letzten Attacke. 2014 lag die Quote bei Wirecard bei 15 Prozent des Gewinns. Dubios gering? Wenn, dann wäre etwa die der Deutschen Post noch dubioser: Die Steuerquote des Dax-Konzerns lag im selben Jahr bei 14 Prozent.

'Die Zahlen sind nachvollziehbar. Vorbehaltlich Manipulationen entspricht die Bilanz der gängigen Bilanzierungspraxis', so ein renommierter deutscher Bilanzexperte, in Personalunion Wirtschaftsprüfer und Universitätsprofessor, zu kritischen Punkten im Wirecard-Zahlenwerk.

Die Wirecard-Aktie

Markus Braun versteht die Aufregung offenbar auch nicht so recht. Der Wirecard-Chef wirkt fast erschrocken, als er Anfang April bei der Präsentation der Geschäftszahlen für das Jahr 2015 auf die Zatarra-Berichte angesprochen wird. Der Aktienkurs war infolge der Attacken zeitweise um 23 Prozent gefallen, dennoch erwähnt Braun sie mit keinem Wort. Nervös dreht er den Kugelschreiber permanent in seiner Hand. 'Der Job des Vorstands ist es, das operative Geschäft zu entwickeln', sagt er. Die anonymen Berichte betrachte er als Börsenspekulationsthema, 'auf das sich ein kleiner Personenkreis im Investor-Relations-Bereich konzentrieren muss'. Ab und an entkopple sich der Börsenkurs eben von der Entwicklung des Unternehmens in der realen Welt. 'Das ist normalerweise aber nur etwas Kurzfristiges.'

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