Folgen des Kurzsturzes So viele Punkte hat Wirecard den Dax gekostet

Was wäre gewesen, wenn Wirecard nie für die Commerzbank in den Dax gerückt wäre? Quelle: Getty Images

Der Kursabsturz des Zahlungsdienstleisters nimmt historische Ausmaße an. Was wäre gewesen, wenn Wirecard nie für die Commerzbank in den Dax gerückt wäre? Wir haben nachgerechnet.

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Innerhalb von zwei Tagen hat die Aktie von Zahlungsdienstleister Wirecard rund 80 Prozent an Wert verloren. Für den deutschen Aktien-Leitindex Dax ist das belastend. Selbst Anleger, die über Indexfonds in den Dax investiert haben, werden sich ärgern: Nun drückt Wirecard ihr Depot, obwohl sie selbst die Aktie nicht direkt gekauft haben. Was also wäre gewesen, wenn Wirecard nie in den Dax aufgestiegen wäre? Wenn am 24. September 2018 schlicht Dax-Gründungsmitglied Commerzbank im Index geblieben wäre, allen Indexregeln zum Trotz?

Dieses Szenario lässt sich berechnen. Für die Stichtage seit dem 24. September 2018 haben wir nachgerechnet, wie sich die Gewichtung und der Aktienkurs von Wirecard und Commerzbank jeweils entwickelt haben bzw. hätten. Die relevanten Stichtage, an denen die Deutsche Börse die Dax-Gewichtung anpasst, sind jeweils die Montage, die auf den dritten Freitag im März, Juni, September und Dezember folgen. Die Gewichtung gibt an, welchen Einfluss eine Aktie auf den Index hat. Sie bemisst sich nach der Marktkapitalisierung, gemessen an den frei handelbaren Aktien (dem sogenannten Free Float). Bei Wirecard lag die Gewichtung im Laufe der Zeit zwischen ein und knapp zwei Prozent. Die Commerzbank, mit schwächerer Marktkapitalisierung, hätte seit September 2018 nur jeweils etwa ein halbes Prozent Gewicht im Dax gehabt.

Unser Vergleich berücksichtigt die jeweilige Marktkapitalisierung aller Dax-Werte zu den Stichtagen. Auch den Dax-Aufstieg der Aktie von MTU Aero Engines, die am 23. September 2019 Thyssenkrupp ersetzt hat, haben wir berücksichtigt.

Die meiste Zeit hätte sich der Dax mit der Commerzbank kaum anders entwickelt als in der Realität, also mit Wirecard. Im ersten Quartal 2019 – genauer gesagt vom 24. Dezember 2018 bis zum 18. März 2019, also den für den Dax relevanten Stichtagen - hätte er mit der Commerzbank ein halbes Prozent mehr zugelegt. In diesem Zeitraum stieg ihr Kurs um rund 30 Prozent, während Wirecard zehn Prozent verlor. Direkt danach hingegen, bis 24. Juni 2019, hätte der Dax gut 0,8 Prozent verloren, wenn nicht Wirecard, sondern die Commerzbank zu den Indexwerten gezählt hätte. Denn Wirecards Kurs stieg um fast 40 Prozent, während der der Commerzbank rund 20 Prozent verlor.

Unter dem Strich wäre es für Anleger vor dem jüngsten Kursdebakel bei Wirecard quasi egal gewesen, ob nun Wirecard oder die Commerzbank im Dax gelistet ist. Gewinne und Verluste glichen sich quasi aus.

Mit dem Kurssturz aber hat sich das geändert. Denn aktuell stünde der Dax im Vergleich zum 23. März 2020 gut ein Prozent höher, wenn Wirecard nie die Commerzbank ersetzt hätte. Das hat die Gesamtrechnung geändert. Jetzt würde der Index rund 110 Punkte höher notieren, also bei gut 12.500 Punkten, wenn weiterhin die Commerzbank und nicht Wirecard zur ersten Börsenliga gehören würde.

Immerhin: Durch die vergleichsweise geringe Gewichtung im Dax halten sich die Auswirkungen in Grenzen. Ein Trost für alle Anleger, die nur über Indexfonds in Wirecard investiert haben.

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