
WirtschaftsWoche Online: Herr Weir, noch immer taumeln die Anleihemärkte mit niedrigen Renditen dahin. Wann kommt die Wende?
Andy Weir: Wir durchlaufen gerade ein verrücktes Jahr. Die meisten Marktbeobachter hatten erwartet, dass die Anleiherenditen steigen würden, da wir einer Zinswende immer näher kommen. Zumindest in den USA. Aber da hat uns das schlechte Wetter in den ersten Monaten des Jahres einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Rechnen Sie weiterhin mit niedrigen Renditen bei US-Bonds?
Nein, die US-Wirtschaft nimmt wieder Fahrt auf, die Wetterprobleme im Winter waren nur ein kurzfristiger Dämpfer. Mittlerweile rechnen wir mit stetigem Wachstum, die USA dürfte in den kommenden Monaten ein wichtiger Treiber für die Weltwirtschaft werden.
Auch für die Euro-Zone?
Für alle wichtigen entwickelten Märkte, ja.
Für Ungewissheit sorgt die Zinswende, die die Fed irgendwann in Angriff nehmen will. Kommt die früher als erwartet?
Nein. Ich denke, die Fed wird ihre Strategie, die Anleihekäufe kontinuierlich zu reduzieren, zunächst beibehalten. Anfang des nächsten Jahres könnte es dann die ersten Zinserhöhungen geben.
IWF fordert USA zum Handeln auf
Die USA befindet sich nach Einschätzung des IWF in einer Wachstumsflaute und bedarf daher weiterer Unterstützung durch die Finanz- und die Geldpolitik. Die größte Volkswirtschaft der Welt werde im Gesamtjahr 2014 mit zwei Prozent 0,8 Prozentpunkte weniger wachsen als bisher erwartet, so der IWF in einem Länderbericht von Mitte Juni 2014.
Für die anhaltende Schwäche gebe es laut IWF zahlreiche Gründe, darunter die Alterung der Bevölkerung und die damit einhergehende geringe Produktivität. Problematisch seien auch die relativ große Armut, eine hartnäckige Arbeitslosigkeit und Mängel im Steuerwesen.
Die IWF-Experten rechnen damit, dass es noch bis Ende 2017 dauern könnte, bis in den USA wieder Vollbeschäftigung herrscht. Da die Inflation niedrig bleiben werde, könnte der Leitzins noch bis in die zweite Jahreshälfte 2015 hinaus nahe null gehalten werden, hieß es in dem Bericht.
Das klingt ziemlich entspannt. Gibt es gar keine Risiken?
Doch, die Inflationserwartungen sind zuletzt deutlich gestiegen. Den USA drohen also mittelfristig höhere Inflationsraten. Noch ist das ungefährlich, denn ähnlich wie in der Euro-Zone war die Inflation in den USA vergleichsweise niedrig. Erst wenn die Inflationsrate deutlich über das Ziel der Fed von knapp unter zwei Prozent steigt, wird es spannend.
Muss die Fed reagieren?
Möglicherweise. Allerdings konzentriert sich die Fed eher auf die langfristigen Arbeitslosenzahlen und das Wirtschaftswachstum als auf die Inflation. Wir müssen daher mittelfristig mit etwas höheren Teuerungsraten rechnen.

Was meinen Sie damit konkret?
Jenseits des Zwei-Prozent-Ziels. Denkbar sind Inflationsraten von rund drei Prozent. Das haben die Märkte auch noch nicht eingepreist.
Wie sichern Sie sich dagegen ab?
Hauptsächlich mit Inflationsanleihen. Außerdem haben wir die durchschnittliche Laufzeit im Depot deutlich reduziert, um flexibel zu sein und schneller auf mögliche Veränderungen reagieren zu können.
Aber womit erwirtschaften Sie ihre Rendite?
Unter anderem mit Unternehmensanleihen. Mehr als die Hälfte unseres Depots besteht mittlerweile aus hochrentierenden Unternehmensbonds. Wir setzen vor allem auf europäische Unternehmen.
Obwohl die US-Wirtschaft gerade auf Erholungskurs ist?
Ja. In Europa sehen wir auf der Unternehmensseite weniger Risiken. Es gibt kaum Ausfälle, die Verschuldung ist niedrig bei gleichzeitig guten Umsätzen. Die technische Analyse der Chartmuster zur Vorhersage von Kursbewegungen fällt in Europa deutlich besser aus als in den USA. Deshalb hält sich auch der Euro so gut. Erst wenn die Fed tatsächlich die Zinsen erhöht, könnte der Dollar an Stärke gewinnen. Hinzu kommt, dass in der Euro-Zone die Zeit des billigen Geldes noch längst nicht vorbei ist.
Das heißt, im Gegensatz zur Fed wird die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen noch lange niedrig lassen?
Wir rechnen damit, dass die Leitzinsen noch zwei bis drei Jahre auf ihrem sehr tiefen Niveau bleiben werden. Die EZB hat schon recht damit, wenn sie Deflation um jeden Preis vermeiden will. Allerdings sind die Lösungswege natürlich schwieriger als in den USA oder Großbritannien. Nicht jedes Land der Euro-Zone braucht niedrigere Zinsen. Deutschland beispielsweise könnte gut mit höheren leben.