Frankreich Die Rückkehr der Risikofurcht

Investoren sehen Frankreich zunehmend kritisch. Seine neuen Anleihen wird Paris zwar gut los, aber Anleger verlangen dafür deutlich mehr Rendite. Die hat sich seit Dezember fast verdoppelt. Kommt die Euro-Krise zurück?

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Auch bei französischen Anleihen verdüstern sich die Aussichten. Quelle: Imago

Frankfurt Jochen Felsenheimer ist ein Mann klarer Worte: „Nach dem Höhepunkt der Schuldenkrise Anfang 2012 ist 2016 wohl das besorgniserregendste Jahr für die Europäische Union in ökonomischer, aber auch in politischer Hinsicht“, sagt der Geschäftsführer beim Fondshaus Xaia Investment: „Europa steht ein Schicksalsjahr bevor.“ So deutlich drücken sich nicht viele Investoren aus, aber die Ängste vor einem politischen Rechtsruck bei den anstehenden Wahlen in Europa machen vielen Anlegern Sorgen.

Besonders deutlich zeigt sich das bei französischen Anleihen. Bei den Kandidaten für die französischen Präsidentschaftswahlen im April dominieren die Gegner der Europäischen Union. Lediglich der sozialliberale Emmanuel Macron setzt sich für eine Stärkung der EU ein. Am anderen Ende will Marine Le Pen von der rechtsextremen Front National, dass Frankreich aus der EU austritt. Die bürgerlichen Republikaner bangen wegen der Affäre um fiktive Jobs der Ehefrau von Spitzenkandidat Francois Fillon um ihre Chancen bei der Wahl. Dabei sieht auch Fillon die EU skeptisch und will de facto die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB) beenden.

Angesichts dieser Unsicherheiten kommt Frankreich absolut gesehen noch sehr günstig an Geld. So platzierte Paris am Donnerstag zehnjährige Anleihen über knapp vier Milliarden Euro zu einer Rendite von 1,07 Prozent. Dazu sammelte das Land knapp drei Milliarden Euro für eine Anleihe ein, die in 14 Jahren fällig wird. Dafür bot das Land Anlegern eine jährliche Rendite von 1,48 Prozent. Die Nachfrage nach beiden Papieren war groß. Aber: Im Dezember hatte Frankreich für die Aufstockung der zehnjährigen Anleihe eine Rendite von nur 0,78 Prozent bieten müssen.

Noch dramatischer wird die Lage, wenn man sich die Renditeabstände französischer zu deutschen Staatsanleihen ansieht. Sie sind so hoch wie zuletzt Anfang 2014. An diesen Risikoaufschlägen zeigt sich, dass Anleger mit Blick auf Frankreich zunehmend unsicherer werden. Seit Ende Dezember hat sich der Risikoaufschlag für zehnjährige französische Bonds auf mehr als 0,6 Prozentpunkt verdoppelt. „Die Ausweitung der Renditeabstände ist spektakulär“, urteilt David Schnautz, Zinsstratege bei der Commerzbank: „Einen so schnellen Anstieg gab es in dieser Form seit dem Jahr 2012 nicht mehr.“

Zur Erinnerung: Bis zum Sommer 2012 bangten Anleger um den Erhalt der Euro-Zone. Griechenland hatte einen Schuldenschnitt durchgezogen, Irland, Portugal und Zypern waren unter den Euro-Rettungsschirm geflohen, und Spanien brauchte europäische Gelder für die Sanierung seiner Banken. Zehnjährige portugiesische Anleihen rentierten damals mit 11,4 Prozent, spanische mit 7,6, italienische mit 6,6 und französische mit 2,3 Prozent. Damit waren die Risikoprämien zur zehnjährigen deutschen Bundesanleihe, die damals mit 1,3 Prozent rentierte, enorm. Erst EZB-Chef Mario Draghi machte dem Spuk ein Ende als er bei seiner berühmt gewordenen Rede in London am 26. Juli 2012 versprach, alles zu tun, um den Euro zu retten.


Sieg von Le Pen noch nicht eingepreist

Seither hat die EZB ihr gigantisches Anleihekaufprogramm aufgelegt und seither Anleihen – vor allem Staatspapiere – über zusammen mehr als 1,5 Billionen Euro gekauft. Die Renditen der Staatsanleihen sind massiv gesunken. Bis auf Griechenland können sich wieder alle Staaten ohne die Hilfe des Rettungsschirms refinanzieren. Dennoch steigt jetzt wieder die Nervosität – schließlich stehen nicht nur in Frankreich, sondern auch in den Niederlanden und in Deutschland in diesem Jahr Wahlen an.

„Die Wahlen besitzen das Potenzial dem Populismus Auftrieb zu verleihen“, meint dazu Felsenheimer von Xaia Investment: „Und man stelle sich vor, einem Donald Trump stünden ebensolche Feingeister aus der Europäischen Union gegenüber.“ Für Felsenheimer steigt dabei „trotz aller Bemühungen der EZB aus politischen Gründen die Wahrscheinlichkeit eines Auseinanderbrechens des Euro-Lands“. So weit gehen andere Strategen noch nicht, und auch die Märkte spiegeln noch lange kein Auseinanderbrechen der Euro-Zone wider.

„Dennoch sind Investoren verunsichert, schließlich ist Frankreich nach Deutschland der zweite große Anker in der Euro-Zone“, meint Schnautz von der Commerzbank. Das Nein der Briten gegen die EU hätten sie schließlich ebenso erwartet wie den Wahlsieg von Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA. „Damit wird die Nervosität voraussichtlich noch weiter steigen, je näher die Wahl rückt“, erwartet Schnautz.

Dabei haben Investoren einen Sieg von Le Pen als Kandidaten für die französische Präsidentschaftswahl aber noch nicht eingepreist. „Dafür sind die Risikoprämien viel zu niedrig“, sagt Francesco Garzarelli, Leiter des Makro-Researchs bei der US-Investmentbank Goldman Sachs. Anfang 2012 lagen die Risikoprämien zehnjähriger französischer Staatsanleihen bei 1,4 Prozentpunkten über deutschen Bundesanleihen. Wenn Le Pen gewählt würde, könnten die Risikoprämien wieder in diese Richtung steigen, meint Daniel Lenz, Zinsstratege bei der DZ Bank. „Dann könnten die Märkte ein Ende der gesamten EU einpreisen.“ Damit wäre die Euro-Krise mit aller Wucht zurück.

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