
Völlig überraschend hat die London Stock Exchange (LSE) in der Nacht auf Montag mitgeteilt, dass sie den geplanten Zusammenschluss mit der Deutschen Börse "nicht mehr für wahrscheinlich" hält. Die EU Kommission wollte, dass die Londoner MTS, eine italienische, elektronische Handelsplattform für europäische Staatsanleihen, verkaufen. Doch die LSE lehnte das ab.
Kengeter steht damit nun vor einem Trümmerhaufen: Er, der Investmentbanker, der vom Aufsichtsrat offenbar gerade für einen großen Deal wie den 25 Milliarden schweren Zusammenschluss geholt worden war. Doch nun wendet sich der Partner von Kengeter ab.
Die Börse bemühte sich um Schadensbegrenzung: "Die Parteien sehen der weiteren Prüfung der Europäischen Kommission entgegen und erwarten derzeit eine Entscheidung der Europäischen Kommission über den Zusammenschluss", teilte die Börse in der Nacht mit. Dabei ist längst klar, dass Totgesagte in diesem Fall kaum länger leben dürften. Die EU Kommission wird den Deal ohne weitere Zugeständnisse wohl kaum durchwinken.
Die gescheiterten Fusionspläne der Deutsche Börse AG
17. Juli 2000
Die Deutsche Börse präsentiert einen Plan für die Gründung de iX international exchange zusammen mit der Londoner LSE. Die beiden Partner hoffen, mit der paneuropäischen Handelsplattform weitere Börsenbetreiber mit ins Boot zu holen. Das Projekt scheitert allerdings an mangelnder Unterstützung.
Sommer 2003
Der damalige Chef der Deutschen Börse, Werner Seifert, trifft sich mit Euronext-Chef Francois Theodore. Die Gespräche über eine Fusion werden allerdings beendet, nachdem sich beide Seiten nicht über die Bewertung ihrer Häuser einig werden.
Frühling 2004
Seifert und Theodore nehmen ein weiteres Mal Kontakt auf. Ein Zwist über die Besetzung der Führungspositionen lässt sie abermals ergebnislos auseinandergehen.
August 2004
Die Schweizer Börse SWX lehnt Pläne der Deutschen Börse für eine Fusion, faktisch eine Übernahme, ab.
13. Dezember 2004
Die Deutsche Börse veröffentlicht ein Übernahmeangebot für die LSE über knapp zwei Milliarden Euro, das 2005 am Widerstand des Hedgefonds und Deutsche-Börse-Aktionärs TCI scheitert.
21. Februar 2006
Der neue Börsenchef Reto Francioni legt ein vorläufiges Fusionsangebot für die Pariser Euronext vor und facht damit ein Konsolidierungsfieber in der Branche an.
19. Mai 2006
Die Deutsche Börse dient Euronext-Chef Theodore die Führung eines vereinten Unternehmens an, besteht allerdings auf Frankfurt als Hauptsitz. Auch der Großteil des Managements sollte am Main angesiedelt sein.
Juni 2006
Die Deutsche Börse unterbreitet der Euronext einen überarbeiteten Fusionsvorschlag. Die Frankfurter geben in der Hauptquartiersfrage nach, doch der Vorstoß kommt zu spät: Die Euronext schließt sich mit der NYSE zusammen.
19. Mai 2006
Die Deutsche Börse dient Euronext-Chef Theodore die Führung eines vereinten Unternehmens an, besteht allerdings auf Frankfurt als Hauptsitz. Auch der Großteil des Managements sollte am Main angesiedelt sein.
Juni 2006
Die Deutsche Börse unterbreitet der Euronext einen überarbeiteten Fusionsvorschlag. Die Frankfurter geben in der Hauptquartiersfrage nach, doch der Vorstoß kommt zu spät: Die Euronext schließt sich mit der NYSE zusammen.
Dezember 2008
Deutsche Börse und NYSE Euronext loten eine Fusion aus. Die Pläne werden vorzeitig bekannt und scheitern.
April 2011
Die Börse wagt einen weiteren Versuch, mit der Nyse Euronext als Partner eine neue Größenordnung zu erreichen. Die US-Börsen Nasdaq OMX und ICE wollen die Fusion mit einer Gegenofferte für die Nyse torpedieren.
Februar 2012
Der Traum Francionis platzt erneut. Die EU-Kommission untersagt die Milliardenfusion mit den Amerikanern aus schwerwiegenden wettbewerbsrechtlichen Bedenken. Die EU fürchtet vor allem ein weltweites Monopol im Handel mit europäischen Finanzderivaten.
Kengeter ist krachend gescheitert - beruflich, wie persönlich. Persönlich, weil eine Meldung, die vor über zwei Wochen im "Spiegel" stand, bis heute nicht dementiert worden ist. Demnach soll Kengeter schon im November 2015 mit dem Kanzleramt gesprochen und gesagt haben, dass die Fusion mit der Börse London im Grundsatz stehe. Sollte es stimmen, was das Nachrichtenmagazin schreibt, dann muss Kengeter zurücktreten. Kengeter soll damals mit Lars-Hendrik Röller, dem Wirtschaftsberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, über eine mögliche Fusion mit der LSE gesprochen haben. Er hat dort offenbar vorgefühlt, ob die Bundesregierung etwas gegen einen Zusammenschluss mit der Börse London hätte. Man sei sich mit der LSE „im Grundsatz einig“. Allerdings werde die britische Regierung nur zustimmen, wenn der Sitz der fusionierten Börse in London angesiedelt werde. Das klingt bereits sehr konkret.
Pikant ist es deswegen: Kurz darauf, am 14. Dezember 2015, kaufte Kengeter dann Aktien der Deutschen Börse. Wert: 4,5 Millionen Euro. Fest steht: Aktien im gleichen Wert schenkte ihm die Börse zum Dank obendrauf.
Trotzdem gilt für Börsenchef Kengeter zunächst die Unschuldsvermutung. Auch, wenn die Frankfurter Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Insiderhandel gegen ihn ermittelt. Auch, wenn die Behörde seine private Wohnung und die Konzernzentrale in Eschborn durchsucht hat.
Kengeter hält sich für unschuldig und sagt kürzlich auf der Bilanzpressekonferenz, dass diese Verdächtigung ihn „persönlich sehr getroffen“ habe. Insiderhandel widerspreche allem, wofür er stehe. Er bitte nun um Geduld. Er kooperiere mit der Staatsanwaltschaft. „Und ich bin mir sicher, dass sich die Vorwürfe nach eingehender Prüfung als unbegründet erweisen werden“, sagt er. Weitere Fragen zu dem Verfahren könne er daher nicht beantworten.
Börsenchef Kengeter in Schwierigkeiten
Milliardenschwere Übernahmen, Umbau des Vorstands und die geplante Fusion mit der London Stock Exchange (LSE): Der Chef der Deutschen Börse, Carsten Kengeter, hat seit seinem Amtsantritt am 1. Juni 2015 ein hohes Tempo vorgelegt. Doch Anfang 2017 hat das Image des tatendurstigen Managers Kratzer bekommen. Der 50-jährige frühere Investmentbanker ist wegen des Verdachts des Insiderhandels ins Visier der Frankfurter Staatsanwaltschaft geraten.
Kaum im Amt als Vorstandschef bei der Deutschen Börse, zieht der Manager im Sommer 2015 zwei Übernahmen für mehr als 1,3 Milliarden Euro durch - die Devisenhandelsplattform 360T und das Indexgeschäft von Stoxx. Er krempelt den Vorstand um und gibt dem Aktienhandel wieder stärkeres Gewicht.
Sein Ziel: „Die Gruppe Deutsche Börse dorthin zu führen, wo sie hingehört - an die Weltspitze.“ Kengeter untermauert seinen Anspruch mit Fakten: Am 23. Februar 2016 werden die Fusionspläne mit London gekannt gegeben. „Größe ist in unserer Branche das A und O“, wirbt der gebürtige Heilbronner, dessen Familie in London lebt, für den Zusammenschluss.
Praktisch sein gesamtes Berufsleben arbeitete der studierte Betriebswirt als Kapitalmarktexperte bei internationalen Großbanken: Barclays, Goldman Sachs und schließlich bei der UBS, wo er als oberster Investmentbanker in die Konzernleitung aufstieg. 2013 verlässt der Vater von drei Kindern, der gerne Berg-Marathon läuft, die Schweizer Großbank.
Im Herbst 2014 präsentiert die Deutsche Börse Kengeter als Nachfolger von Reto Francioni. Als „prächtigen Fang“ für den Dax-Konzern bezeichnete die „Börsen-Zeitung“ den Manager vorab. Als Chef der neuen europäischen Mega-Börse hätte Kengeter mehr Zeit in London verbringen können, dort sollte der rechtliche Sitz der Dachgesellschaft des fusionierten Unternehmens sein. Aber die Fusion platzte endgültig nach dem Veto der EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager Ende März 2017.
Am 26. Oktober 2017 gab er seinen Rücktritt bekannt. Zum 31. Dezember 2017 verlässt Kengeter das Unternehmen.
Doch auch der gescheiterte Zusammenschluss würde bereits für einen Rücktritt ausreichen. Was hat Kengeter Geld für teure Berater verschwendet. Es ist das Geld seiner Aktionäre, deren Aktie jetzt im Übrigen fällt.
Unabhängig von dem möglichen Vorsprechen im Kanzleramt und des nun wohl gescheiterten Zusammenschlusses – es wird eng für Kengeter. Denn die Staatsanwaltschaft prüft auch, ob die Börse ihre Ad-hoc-Meldung zur Fusion am 23. Februar 2016 rechtzeitig veröffentlicht hat. Mit solchen Meldungen müssen Unternehmen kursbewegende Nachrichten sofort vermelden. Im Kern geht es bei der Pflicht, etwas ad-hoc zu melden, auch um Insiderinformationen. Hat ein Unternehmen eine solche Insiderinformation, die den Kurs stark bewegen kann, muss es sie veröffentlichen. Alle Anleger sollen die gleichen Informationen haben – das soll Insiderhandel unterbinden. Veröffentlicht der Vorstand Insiderinformationen zu spät, drohen ihm Ermittlungen wegen des Verdachts auf Marktmanipulation.