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Gbureks Geld-Geklimper

Bei Aktien braut sich einiges zusammen

Manfred Gburek Freier Finanzjournalist

Die Krim-Krise ist nur einer von mehreren Auslösern fallender Aktienkurse. Besonders die zum Jahresende anstehende Bankenunion dürfte schon bald zusätzlich negativ auf die Börsenstimmung drücken.

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Die Stars der Dax-Rally

Gestatten Sie mir bitte als Erstes ein zeitgemäßes Zitat aus meinem neuen Buch Ach du liebes Geld! "Die meisten Aktien aus Dax, Dow Jones & Co. dürften allein schon deshalb gefährdet sein, weil die fundamentale Bestätigung der bisher überwiegend von der Liquidität getriebenen Kursgewinne vielfach auf sich warten lässt." Jetzt wird die Gefahr noch größer, weil die Krim-Krise neben unabsehbaren politischen Folgen auch eine Schwächung der Konjunktur nach sich zu ziehen droht. Und dass diese nicht allein auf Europa beschränkt bleiben wird, ergibt sich allein schon aus einem seit Jahrzehnten bewährten Indikator, dem Kupferpreis: Er fällt wie vom Blitz getroffen.
Anlass genug, den Dingen auf den Grund zu gehen. Warum die Krim-Krise mit all ihren Facetten erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen wird, liegt auf der Hand: Die Zusammenarbeit der europäischen und speziell der deutschen mit der russischen Wirtschaft ist seit dem Mauerfall vor fast einem Vierteljahrhundert immer enger geworden. Daran werden nicht allein Fußballfans erinnert, wenn der Bundesligaclub Schalke 04 in Trikots mit der Gazprom-Aufschrift kickt. Sogar ein Großteil der Dax-Konzerne ist in Russland engagiert. Keine Frage, Putins unberechenbare Politik drückt erst an der Börse und kurz darauf in den europäischen Konzernzentralen auf die Stimmung.

Investoren warnen vor Börsencrashs
Der Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Shiller warnte davor, dass die stark steigenden Preise an Aktien- und Immobilienmärkten zu gefährlichen Finanzblasen führen könnten. „Ich rufe noch nicht Alarm. Aber in vielen Ländern liegen die Kurse an der Aktienbörse auf einem hohen Niveau, und auch an manchen Immobilienmärkten sind die Preise stark angestiegen“, sagt der US-Ökonom dem „Spiegel“. Diese Entwicklung könne böse enden. "Der Boom am Aktienmarkt in den USA macht mir die meisten Sorgen", so Shiller. "Auch weil unsere Wirtschaft noch immer schwach und anfällig ist." Für ihn sind Preisblasen eine "gesellschaftliche Geisteskrankheit". Seine "Sorge" sei viel mehr, jenes von ihm entwickelte Maß des zyklisch bereinigten Kurs-Gewinn-Verhältnis. Aktien seien aber derzeit noch nicht übertrieben teuer. Er selbst habe sein Geld in Aktien angelegt, "die ich noch für niedrig bewertet halte". Dazu zählten laut Shiller Werte "etwa aus dem Energie- und Gesundheitssektor. Ich setze aber auch auf weltweite Aktienindizes", sagte er. Aus Branchen wie dem Finanz- und Technologiesektor habe er sich bereits zurückgezogen. Quelle: REUTERS
Der amerikanische Großinvestor Warren Buffett macht sich keinerlei Sorgen um den Aktienmarkt. Er erklärte: Aktien seien nicht überkauft, sondern befänden sich einer "Zone der Angemessenheit". Aktien würden nicht auf Blasen-Niveau notieren. "Man muss sein Vermögen in irgendetwas investieren und ich denke, dass gute Unternehmen, in die man sein Geld für lange Zeiträume steckt, mit Sicherheit gute Ergebnisse liefern werden." Quelle: dapd
Analysten der Deutschen Bank erwarten einen Absturz des deutschen Aktienmarkts. Dies berichtet das " Wall Street Journal". Die Prognose: Zum Jahresende werden der Dax nur noch bei 8400 Punkten liegen. Der Pessimismus rührt von den relativ schwachen Zahlen für das dritte Quartal her, die viele Unternehmen in den letzten Wochen vorgelegt haben. Eine Aufwärtsbewegung soll es demnach erst im kommenden Jahr wieder geben. "Ende 2014 dürfte der Dax mit der Erholung der Weltwirtschaft [...] zulegen und auf 9700 Punkte steigen", lautet die Prognose der Deutsche-Bank-Analysten. Quelle: REUTERS
Finanzinvestoren sollten sich nach Einschätzung der europäischen Branchengröße Permira nicht von den günstigen Kreditkonditionen blenden lassen. "Nur weil man derzeit viel Geld leihen kann, ist es nicht unbedingt eine gute Idee, dies auch zu tun", sagte Co-Chef Kurt Björklund. Das günstige Marktumfeld verlange ein großes Maß an Disziplin, um nicht die Bodenhaftung zu verlieren. Permira ist eine der größten europäischen Beteiligungsgesellschaften, die Konzerne wie Hugo Boss und ProSieben Sat1 in ihrem Portfolio hat. Quelle: dpa
Der umtriebige US-Investor Carl Icahn hat nach eigenen Angaben momentan besonders leichtes Spiel. "Meiner Meinung nach gab es noch nie eine bessere Zeit für aktivistische Investoren", sagte der Profi-Anleger. Wegen der anhaltend niedrigen Zinsen seien Übernahmen derzeit günstiger und leichter umsetzbar als sonst. Allerdings hat der Großinvestor auch Bedenken vor einem zu großen Engagement an den Börsen geäußert. Er sei derzeit bei Aktien sehr vorsichtig, sagte Icahn auf einer Reuters-Veranstaltung. Schließlich könnten die Kurse tief fallen, weil die Gewinne vieler Unternehmen mehr durch die niedrigen Kreditzinsen befeuert würden als durch die Strategie des Managements. Diese Einschätzung des 77-jährigen Milliardärs, der mit seinen Investitionen oft saftige Gewinne einfährt, sorgte an der New Yorker Börse für Aufsehen. Der S&P 500, der vor Icahns Rede praktisch unverändert notiert hatte, gab 0,4 Prozent nach. Der für sein aggressives Auftreten gegenüber dem Management seiner Beteiligungen bekannte Icahn signalisierte zudem, dass er seinen Kampf bei Apple nicht aufgeben wolle. Der Investor fordert, dass der US-Konzern sein Aktienrückkaufprogramm auf 150 Milliarden Dollar ausbaut. Apple will dem bisher nicht nachkommen. Quelle: REUTERS
Auch der US-Investor Jim Rogers hatte vor Kurzem vor Kurseinbrüchen um bis zu 50 Prozent gewarnt. Für ihn sei die aktuelle Bewertung von US-Aktien nicht zu rechtfertigen. Die wirtschaftliche Situation er USA gebe einen solchen Jubel nicht her, auch wenn der Shutdown abgewendet worden sei. "Es ist total künstlich, was wir sehen", sagt er gegenüber dem Deutschen Anleger Fernsehen. "Wenn der Markt das nächste Mal einbricht, dann geht es bis zu 50 Prozent nach unten." Quelle: AP
Mitte September hatte auch die EZB zur Vorsicht gemahnt. In einem Interview mit der "Bild" sagte EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen auf die Frage, ob eine neue Blase oder ein neuer Crash drohten: "Leider haben viele Investoren ein kurzes Gedächtnis. Wir müssen immer damit rechnen, dass es zu Instabilitäten kommt." Quelle: dpa

Wenn es nur dabei bliebe. Doch nun wird immer deutlicher, dass der eingangs zitierte Satz seine Berechtigung hat: Fondsmanager und andere Großanleger beginnen zu grübeln, wie sie sich möglichst unbeschadet von Aktien trennen, deren Kurse zuvor mehr durch die überreichliche Liquidität als durch steigende Unternehmensgewinne nach oben getrieben wurden. Wer zuerst verkauft, kann im Regelfall trotz des jetzigen Kursrückgangs immer noch beachtliche Gewinne mitnehmen oder hält zumindest den Schaden in Grenzen. Den Letzten beißen die Hunde.
Dieses Fazit ergibt sich, wenn man den Hintergrund ein wenig ausleuchtet: Die Liquidität, sprich Geld, ist während der vergangenen fünf Jahre auf beiden Seiten des Atlantiks zunehmend in Wertpapiere – erst Anleihen, dann Aktien – und in Immobilien statt in Sachinvestitionen wie Fabriken oder Infrastruktur geflossen. Vor allem 2012 und 2013 war das niedrige Zinsniveau allzu verlockend. Es reizte zu Kursabenteuern mit Aktien wie BMW und VW, erst recht zur Teilnahme am Hype mit Facebook und Tesla. Die Börse als Spielcasino, und die Konzerne machten mit, vor allem die amerikanischen: Indem sie ihre prall gefüllten Kassen zu Aktienrückkäufen nutzten, was die Kurse weiter in die Höhe trieb. In einer derart aufgeheizten Atmosphäre bedarf es üblicherweise nur eines einzigen Anstoßes, um Groß- und Kleinanleger zu Aktienverkäufen zu bewegen. Die Krim-Krise ist so ein Anstoß.

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