
Ein paar enthüllende Zahlen gefällig? An diesem Mittwoch stieg die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen auf 0,67 Prozent. Gemessen an ihrem Tiefststand vom April bei gerade mal 0,05 Prozent war das mehr als eine Verdreizehnfachung. Und das, obwohl die EZB seit März Geld in einem noch nie gekannten Ausmaß über die Finanzmärkte ergießen lässt.
Daraus könnte man schließen, dass der Zins – hier in Gestalt der Rendite – seine Funktion als Preis für Geld eingebüßt hat. Oder doch nicht? Derweil ist die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen auf 2,26 Prozent gestiegen. Und schon wieder ein Fragezeichen: Warum erholt sich der Euro gerade jetzt gegen den Dollar, da doch der Renditeabstand zwischen Bundesanleihen und US-Staatsanleihen nach wie vor beachtlich ist? Er beträgt immerhin 1,59 Prozentpunkte.
Was Investoren für die lukrativste Geldanlage halten
Das Meinungsforschungsinstitut Forsa befragt einmal jährlich im Auftrag von pro aurum die Deutschen nach ihren Anlagestrategien. Hier die Ergebnisse vom Juni 2015 - im Vergleich zu den Vorjahren. Zuerst wurden den Bürgern fünf Geldanlagen genannt, mit der Bitte, anzugeben, welche davon aus ihrer Sicht derzeit am besten als langfristige Geldanlage mit mindestens drei Jahren Laufzeit geeignet ist.
Gold platziert sich zum fünften Mal in Folge an erster Stelle, diesmal allerdings deutlicher vor Aktien, die seit 2011 Zuwächse erzielten, aber aktuell in der Anlegergunst gesunken sind: 30 Prozent der Bürger würden sich heute für Gold entscheiden, weil sie vermuten, dass diese Anlage nach mindestens drei Jahren Laufzeit im Vergleich zu den vier anderen Geldanlagen den meisten Gewinn bringt. Gold konnte somit um zwei Prozentpunkte zulegen.
Nur noch 23 Prozent halten Aktien für besonders lukrativ, wenn es um langfristige Geldanlagen geht. Im Vorjahr hatte dieser Wert mit 27 Prozent offenbar einen Gipfel erreicht.
Es folgen Fondsanteile mit zwölf Prozent. Fonds sind in der Gunst der Anleger wieder leicht gegenüber dem Vorjahr gestiegen. 2013 hatte dieser Wert mit 13 Prozent noch ein Hoch erreicht, war aber 2014 auf elf Prozent zurückgefallen.
Fest- beziehungsweise Termingeld hielten sieben Prozent der Befragten für die lukrativste langfristige Geldanlage. Seit 2011 ist diese Anlageklasse deutlich ins Hintertreffen geraten, damals glaubten noch 22 Prozent der Befragten, Termin- und Festgelder würden auf drei Jahre betrachtet den meisten Gewinn abwerfen.
Drei Prozent nannten Anleihen als aussichtsreichste Anlageklasse, im Vorjahr waren es nur zwei Prozent. Anleihen spielen somit für Privatanleger praktisch keine Rolle. Ernüchternd: Knapp jeder vierte Bürger (24 Prozent) kann nicht sagen, welche dieser Anlagen am besten geeignet wäre, um langfristig möglichst viel Gewinn zu erzielen. Die Angaben "weiß nicht" oder "keine davon" kamen bereits in den Vorjahren ähnlich häufig vor.
Das alles hängt offenbar mit den Erwartungen der Anleger zusammen, speziell der Großanleger und unter ihnen der Hedgefonds, von Insidern liebevoll Hedgies genannt: Zuerst haben sie erwartet, die Geldschwemme der EZB werde die Renditen weiter nach unten treiben, obwohl der Spielraum nur noch äußerst gering war. Danach sind sie schlagartig umgeschwenkt in der Erwartung, die Zinswende sei fällig, weil Inflation drohe.
Das alles innerhalb weniger Wochen. Zu diesem Szenario passt denn auch die jetzige Erholung des Goldpreises, ausgelöst durch die Erwartung, Gold schütze vor Inflation. Und weil gerade ein Bild von Picasso zum Rekordpreis von mehr als 179 Millionen Dollar den Besitzer gewechselt hat, fühlen sich die Anhänger der Inflationsthese sogar von daher bestätigt.
Adios Anleihen!
Jede Wende kommt für die meisten Anleger überraschend, auch die jetzige Zinswende. Dennoch sind bereits die ersten Argumente zu hören, warum die Überraschung dieses Mal eigentlich gar nicht so groß gewesen sein kann: Erstens, weil die amerikanische Notenbank Fed allen gegenteiligen Äußerungen aus ihren Kreisen zum Trotz den Leitzins doch schon bald erhöhen werde. Und zweitens, weil europäische Staatsanleihen in größerem Umfang auf den Markt kämen, während es an fälligen Anleihen, also an der Gegenposition, erheblich mangele.
Beide Argumente sind nachgeschoben, in den nächsten Tagen werden weitere folgen. Anleger brauchen halt angeblich rationale Begründungen für ihr vielfach emotionales Verhalten. Das ändert indes nichts an der Tatsache, dass der Bogen an den Anleihemärkten längst überspannt war und weiter überspannt bleibt. Zwar ist damit zu rechnen, dass die Diskussion darüber, ob die Zinswende bereits stattgefunden hat oder ob sie erst noch ansteht, in den kommenden Monaten munter weiter geführt wird. Aber allein schon die Heftigkeit des bisherigen Renditeanstiegs in Europa wie auch in den USA spricht Bände: Adios Anleihen!