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Quelle: dpa

Börsenausblick 2021: Risikoreiche Geldanlagen sollten profitieren

Die Pandemie bleibt auch in 2021 ein bedeutender Börsenfaktor. Ihr Einfluss wird aber mit fortschreitenden Impfzahlen abnehmen. Die extrem expansive Politik der Notenbanken sollte einigen Anlagen helfen, birgt aber auch Risiken.

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Weniger als zwei Wochen vor dem Jahresende 2020 hat die weltweite Pandemie für die Menschen auf der Nordhalbkugel wenig von ihrem Schrecken verloren, während die Kapitalmärkte bereits früh auf eine erfolgreiche Bekämpfung der Pandemie im nächsten Jahr setzen. Die Vorwegnahme eines positiven Szenarios an den Märkten dürfte auch daran liegen, dass die bewährte „Breitbandmedizin“ der Notenbanken, eine expansive Geldpolitik mit Wertpapierkäufen, auch in der Coronakrise wirkte. Zwar gibt es für das Virus noch keine erfolgreiche Medizin, aber immerhin schon zwei zugelassene Impfstoffe mit – zumindest in den Testperioden – vergleichsweise hoher Wirksamkeit.

Vor vier Wochen habe ich an gleicher Stelle schon einige unserer Eckpunkte für 2021 erläutert. Ich denke, der Einfluss der Politik auf die Kapitalmärkte wird geringer werden. Inzwischen ist Joe Biden auch vom „Electoral College“ als kommender US-Präsident bestimmt und beim Brexit-Deal sollte das Ergebnis der Verhandlungen zwischen EU und Großbritannien noch vor Jahresende feststehen. Damit wären wesentliche politische Unsicherheiten aufgelöst.

Zum anderen hatte ich darauf verwiesen, dass China von allen Regionen am stärksten in das Jahr 2021 starten sollte - „China First“ sozusagen. Die aktuellen Negativrekorde der Corona-Winterwelle in Europa und Nordamerika verleihen diesem Argument Nachdruck. China könnte 2021 mit einem Plus von hervorragenden acht bis zehn Prozentpunkten beim realen Sozialprodukt wachsen.

Corona bestimmt Risikoszenario

Generell erwarte ich, dass mit der Verfügbarkeit der Impfstoffe und dem sukzessiven Impfen der Bevölkerung auf der Nordhalbkugel die negativen Auswirkungen von Corona auf die weltweite Wirtschaft und die globalen Kapitalmärkte eingedämmt werden können. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass in 2020 der Erfolg im Kampf gegen Corona mehrfach zu positiv engeschätzt wurde und weder bezüglich der Impfstoffe noch der Mutationsfähigkeit des Virus vertiefte Erfahrungen vorliegen. Insofern gehe ich zwar von einem deutlichen Rückgang des Einflusses von Corona aus, erwarte aber kein vollständiges Verschwinden. Corona bleibt der zentrale Treiber für mein Risikoszenario.

Die deutliche Verringerung des Einflusses von Corona sollte in Nordamerika und Europa zu einem stärkeren Wachstum ab dem zweiten Quartal 2021 führen (das erste Quartal könnte noch schwach bis negativ im Wachstum sein). Die konjunkturelle Erholung sollte sich auf 2022 ausdehnen, die Märkte dies auch entsprechend vorwegnehmen. Von den drei größten Wirtschaftsräumen dürften die USA in der Dynamik China folgen, bevor die Eurozone als letzte durchs Ziel geht.

Gleichzeitig erwarte ich keine störenden Inflationsbewegungen, die zu einer Abkehr der expansiven Geldpolitik führen. Zu Beginn des Jahres 2021 mag die Gesamtinflation zeitweise basisbedingt steigen, gehen wir doch mit einem Ölpreis von etwa 50 US-Dollar pro Barrel in das neue Jahr, während wir im laufenden Jahr bis Mitte März 2020 aus Angst vor Corona Richtung 25 US-Dollar gefallen waren, im April bei der Rohölsorte Brent sogar unter 20 US-Dollar pro Barrel. Doch dieser Effekt wird im Jahresverlauf an Bedeutung verlieren, dagegen die strukturellen disinflationären ökonomischen Effekte, wie zunehmende Unternehmenspleiten, eine höhere Arbeitslosigkeit sowie reduzierte Staatshilfen, an Bedeutung gewinnen.

Damit stellt sich der ökonomische Rahmen durchaus positiv für Kapitalmärkte dar: ein anhaltender Aufschwung aus einem tiefen Schock kommend, gepaart mit geringer Inflation und Notenbanken, die angesichts der zu erwartenden sehr niedrigen Inflation keinen Anlass haben, aber selbst im Falle inflationärer Überraschungen keinen Willen, durch eine Verschärfung der Geldpolitik diesen Aufschwung zu bremsen. Vielmehr sollten die Wertpapierkaufprogramme der Notenbanken weiter fortgesetzt werden, und damit die Niedrigzinsphase und die „Jagd nach Rendite“ weiter akzentuieren.

Hohe Bewertungen bedeuten hohe Risiken

Aber Vorsicht! 2021 wird keine „gmaade Wiesn“, wie der Bayer zu sagen pflegt, wenn er einen Selbstläufer sieht. Dazu sind die Bewertungen an den Märkten zu hoch. Die Risikoaufschläge bezüglich der Emittentenbonität notieren auf sehr niedrigen bzw. historisch niedrigen Werten. Aktien sind bezogen auf die erwarteten Gewinne hoch bewertet, und die erwarteten Gewinnsteigerungen müssen erstmal eingefahren werden. Dass zuletzt auch zehnjährige portugiesische oder spanische Staatsanleihen eine Negativrendite aufwiesen, lässt sich fundamental kaum rechtfertigen. Dies lässt sich nur mit einer notenbankinduzierten Liquiditätsschwemme erklären, und die wird, wie beschrieben, 2021 nicht aufhören. Aber hohe Bewertungen bedeuten eben auch erhöhtes Risiko: Wenn die Konjunktur nicht so stark anzieht, die Impfstoffe nicht wie erwartet die Pandemie eindämmen, politische Krisen heraufziehen, dann muss mit schmerzhaften Volatilitätssprüngen an den Märkten gerechnet werden.



Als den ersten und vordringlichsten Risikofaktor in dieser Reihe sehe ich, dass die flächendeckend geplanten Impfungen im Praxistest den Erwartungen nicht entsprechen. Ein Jahr mit sich wiederholenden Lockdowns wäre die Folge und auch immer wieder das (kurzfristige) Eintauchen in eine Rezession. In einem solchen Fall würde ich eine deutlich negative Reaktion der Kapitalmärkte erwarten, und bei immer mehr Unternehmen dürfte sich dann auch die Frage nach der Solvenz stellen.

Bezüglich der extrem expansiven Geldpolitik drängt sich mir zumindest für 2021, wenn auch nicht für 2022, eine positive Analogie zu 1999 auf. 1998, als wir die Pleite des Hedgefonds LTCM mit der Asienkrise erlebten, und geradezu Panik vor der Datumsumstellung auf das Jahr 2000 und deren Folgen für die IT-Systeme herrschte, führte die aggressive expansive Notenbankpolitik zu enormen Kursgewinnen bei Risky Assets und beförderte so die Dot-Com-Blase. Sicher wird im kommenden Jahr Wachsamkeit gefordert sein, ob sich so etwas ähnlich wiederholen könnte.

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Ich bleibe aber bei meinem positiven Kernszenario. Davon sollten risikoreiche Assets profitieren, Aktien an vorderster Stelle. Auch alternative Assets, die eine hohe laufende Rendite versprechen, wie Infrastrukturfinanzierungen oder Kofinanzierungen bei „Green Deal“-Programmen erscheinen attraktiv. Die Jagd nach Rendite dürfte Investoren auch weiterhin zu höherer Risikobereitschaft in Spreadprodukten im Anleihebereich führen. Aber gerade wegen der hohen Bewertungen gilt: Im Fall einer nicht völlig auszuschließenden bösen Corona-Überraschung dürften nur Safe-Haven-Staatsanleihen größere Verluste vermeiden. Sie sind damit ein wichtiger Portfoliostabilisator. Nach dem historischen Jahr 2020 bleiben Diversifikation und Portfolioabsicherung das Gebot der Stunde.

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