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Geldanlage global
Wie wird sind Corona zukünftig noch weiter auf die Börse auswirken? Quelle: imago images

Corona und die Börse: Es ist noch nicht vorbei

Auf der Nordhalbkugel herrscht Sommer, und die Impfquoten in den meisten westlichen Industrieländern haben die 50-Prozent-Marke überschritten. Und dennoch hängt der Schatten von Corona weiterhin über den Märkten. Die Corona-Unsicherheit dürfte bis ins nächste Jahr ein Risikofaktor für die Märkte bleiben.

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Die Geschichte von Corona ist eine Geschichte von Hoch und Tiefs, von Angst und Hoffnung, von wissenschaftlichen Durchbrüchen, neuen Mutationen und anhaltender Unsicherheit. Das zeigt sich sowohl in der Gesellschaft, als auch in den Wirtschaftsdaten. Dagegen haben die Kapitalmärkte nach dem Anfangsschock im Frühjahr 2020 immer wieder versucht, über eine, um einen derzeit populären Begriff zu verwenden, als „transitory“ eingestufte Periode hinauszublicken.

Im Jahr 2020 wurde Corona zunächst unterschätzt. Als das volle Ausmaß der Bedrohung realisiert wurde, kam es zu einem historischen Einbruch der globalen Konjunktur, der zunächst auch die Kapitalmärkte nach unten zog. Beispiellose fiskal- und geldpolitische Lockerungen stabilisierten Märkte und Konjunktur schnell. Der Durchbruch bei einer Anzahl von Impfstoffen gegen Ende 2020 ließ große Erwartungen für 2021 aufkommen. Die Hoffnung mit fortschreitenden Impfungen Covid unter Kontrolle zu bringen und zusätzliche Staatsausgabenprogramme in den USA ließen in 2021 zunächst die Renditen von sogenannten „safe haven“ Staatsanleihen (Staatsanleihen erster Bonität) steigen und deren Kurse fallen. Die risikoreicheren Assets, wie zum Beispiel Aktien, konnten dagegen zulegen. Doch am Anfang des Sommers kam die Unsicherheit bezüglich Covid-19 als ein wesentlicher Einflussfaktor zurück. Dies zeigt sich mehr in den Staatsanleiherenditen, die wieder fallen, während Aktien noch auf den anhaltenden Stimulus setzen, aber von der höheren Unsicherheit im Momentum gebremst werden.

Wie lässt sich das erklären? Nun, zum einen zeigt sich mit jeder neuen „Variant of Concern“, dass wir schlicht noch immer zu wenig über das Virus wissen. Neueste Berichte sprechen dafür, dass der Schutz durch die Impfstoffe nach mehreren Monaten, oft werden sechs genannt, erkennbar rückläufig wird. Israel hat deshalb bereits begonnen, zunächst die über 60-Jährigen, jetzt schon alle im Alter von über zwölf Jahren mit einem dritten „Shot“ zu impfen.

Generell ist Israel ein Blueprint, der Anlass zur Sorge gibt. Das Land war eines der ersten, das Zugang zu mRNA-Impfstoffen hatte, große Mengen bekam und eine im Vergleich zu vielen anderen Ländern besonders erfolgreiche Impfkampagne führte. Und dennoch dürften wir in den Infektionsraten die alten Höchststände überschreiten und anders als in Großbritannien steigen auch schon die Krankenhauseinlieferungen und auch die Todeszahlen deutlich. Allerdings bleiben sie signifikant unter dem Niveau der ersten Wellen.

Nun ist es ja so, dass Kapitalmärkte nicht mitfühlende oder moralische Instanzen sind, sondern Plattformen, auf denen die Preise für verschiedenste Assets bestimmt werden. Das ist auch bezüglich des Einflusses der anhaltenden Corona-Pandemie nicht anders. Aber die geschilderten Faktoren erhöhen die Unsicherheit der Märkte in der Preisbestimmung, da sie die Ungewissheit zuerst für Konjunktur und Inflation, in der Folge für Notenbanken und Unternehmensgewinne erhöhen. Dabei ist für die Kapitalmärkte weniger die Fallzahl, als die dadurch ausgelösten ökonomischen Effekte bedeutsam. So hat die Unsicherheit über die stark steigenden Fallzahlen in Südostasien genauso belastet, wie die vergleichsweise sehr geringen Fallzahlen in China, die aber dennoch Mobilitätseinschränkungen dort in einer Vielzahl von Regionen auslöste (in der Spitze in Regionen, die für über 50 Prozent des Bruttoinlandsproduktes verantwortlich zeichnen).

Nachdem das erste Halbjahr den erwarteten Rebound gebracht hat, und wegen des Einbruches im Frühjahr 2020 die Vergleichszahlen zum Vorjahr besonders hoch aussahen, hängen die Früchte nun höher. Die Unsicherheit, wie stark Covid die wirtschaftliche Erholung im zweiten Halbjahr und im nächsten Jahr dämpfen wird, bleibt groß.

Auch wenn Europa erhebliche Impffortschritte gemacht hat – was die wirtschaftlichen Effekte im Vergleich zu anderen Regionen begrenzen dürfte –, bleibt Corona ein globales Phänomen. Drei der vier wesentlichen neuen Varianten, darunter auch Delta, hatten ihren Ursprung in sich entwickelnden Ländern. Es wäre illusorisch zu glauben, dass man Corona in den Griff bekommen kann, bevor man mit ausreichend Impf- und Testmaterial die Verbreitung und die Mutationsmöglichkeiten in den ärmeren Regionen verringert. Von daher hat die Verbreitung der Delta-Variante tatsächlich die Karten neu gemischt.

Ähnliche Fragen stellen sich bei der Inflation. Hier sehen wir drei „temporäre“ Effekte: Zum einen die Erholung von einigen Preisen, die durch die strengen Lockdowns gedrückt waren (zum Beispiel Flugpreise), zum anderen Lieferkettenstörungen durch die Corona-Effekte global (was sich sukzessive entspannen sollte) und ein Nachfrageüberhang, der aus dem Umschichten der Nachfrage aus dem Dienstleistungsbereich in den Güterbereich entsteht. Insofern spricht Corona, bei anhaltender Erholung, für eine etwas höhere Inflation, mit einem Höhepunkt in Deutschland vor Weihnachten.

Die Überlegungen setzen sich mit Blick auf die Notenbanken fort. Nachdem die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) wohl ein zeitweises Überschießen der Inflation akzeptieren werden, dürfte bei dieser Politik die Wachstumsauswirkung im Vordergrund stehen. Aus unserer Sicht unterstreicht die derzeitige Corona-Situation unsere Erwartung, dass die Fed in 2022 die Anleihekäufe zurückführen, aber erst in 2023 die Zinsen erhöhen sollte. Bei der EZB dürfte das noch länger dauern. Steigenden Corona-Risiken dürfte also mit einer eher zurückhaltenden Geldpolitik begegnet werden.

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Was machen die Märkte nun aus dieser steigenden Unsicherheit? Aus meiner Sicht sehen wir derzeit das, was geradezu dem Lehrbuch entspricht: Anleger diversifizieren, in dem Wissen, dass nicht alle Entscheidungen aufgehen müssen. Aktien profitieren derzeit von der Erwartung weiter steigender Unternehmensgewinne aufgrund der wirtschaftlichen Erholung, sichere Staatsanleihen von dem Drang, sich gegen negative Corona-Überraschungen zu wappnen. Das größte Risiko für eine solche Strategie wäre eine Stagflation, dazu müssten aber die Wachstumseinschätzungen signifikant heruntergenommen und die Inflation als „non-transitory“ angesehen werden. Das ist etwas, was aus unserer Sicht als Risikoszenario beobachtet werden muss, nicht aber unsere Erwartung ist. Corona sollte aber in jedem Fall über unsere Wintersaison als Risikofaktor für die Märkte bestehen bleiben, da auch andere Entwicklungen, wie zum Beispiel längere erneute Lockdowns meines Erachtens nicht vollständig eingepreist sind.

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