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Gute Aussichten für britische und deutsche Aktienmärkte

Mark Haefele Quelle: PR
Mark Haefele Global Chief Investment Officer, UBS Global Wealth Management Zur Kolumnen-Übersicht: Geldanlage global

Die Finanzmärkte stehen im Spannungsfeld der Liquiditätspolitik der Zentralbanken einerseits und der Besorgnis über eine zweite Coronawelle andererseits. In diesem Umfeld müssen Investments sorgfältig gewählt werden.

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Die Schlagzeilen der Tagespresse vermitteln den Eindruck, dass die Märkte vom Coronavirus dominiert werden. Die kommenden Monate werden uns wahrscheinlich lehren, dass dem nicht so ist. Investoren sollten davon ausgehen, dass die Zentralbanken die Marschrichtung vorgeben werden, und ihre Portfolios entsprechend einrichten.

Weltweit haben die politischen Entscheidungsträger mit beispielloser Konsequenz und Schnelligkeit auf die Pandemie reagiert. Während risikoreiche Anlagen wie Aktien und Unternehmensanleihen durch massive Wertpapierkaufprogramme und Tiefstzinsen weiter gestützt werden, lautet die Devise für Anleger, dass sie jetzt investiert bleiben. Insbesondere die Aktienmärkte Großbritanniens und Deutschlands dürften unserer Meinung nach eine Outperformance erzielen, auch wenn wir davon ausgehen, dass die allgemeine Gewinnerholung in Europa hinter den anderen Regionen zurückbleiben wird.

Die Zusammensetzung des britischen Aktienmarktes, der einen beträchtlichen Abschlag gegenüber anderen wichtigen Märkten aufweist, bietet diesem eine gute Ausgangslage, um an der globalen Erholung nach der Covid-19-Krise zu partizipieren. Rund 40 Prozent der FTSE-100-Benchmark-Gruppe, nach Marktkapitalisierung, besteht aus Substanzunternehmen, die gemessen am Gewinn und an den Vermögenswerten niedrig bewertet werden.

Im Vorfeld der anstehenden Erholung nach der Pandemie sprechen auch mehrere Faktoren für Deutschland. Das Land ging mit soliden Staatsfinanzen in die Krise, die Verschuldungsquote betrug rund 60 Prozent gegenüber dem Durchschnitt der Eurozone von fast 85 Prozent. Infolgedessen befand sich Deutschland in einer guten Position, um seine Wirtschaft die benötigten umfangreichen Impulse zu geben.

Berlin hat auf die Krise mit einer fiskalischen Expansion in Höhe von rund 8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts reagiert. Bei Bedarf können weitere Liquiditätsspritzen verabreicht werden. Auch die Zusammensetzung des deutschen Marktes erweist sich als vorteilhaft. Ist dieser doch stark von zyklischen Aktien geprägt, die parallel zur globalen Wirtschaftserholung steigen könnten.

Über die Hälfte der gesamten Gewichtung des MSCI Germany entfällt auf zyklische Sektoren wie Nicht-Basiskonsumgüter, Industrie, IT und Werkstoffe. Als zyklischer Markt dürften deutsche Unternehmen von einem erwarteten Konjunkturaufschwung in Schlüsselregionen wie der EU, den USA und China profitieren.

Deutsche Zykliker bieten die Möglichkeit, auf einen steigenden Einkaufsmanagerindex, ein verbessertes Wirtschaftsumfeld und eine Erholung der Industrieproduktion zu setzen. Wir erwarten für 2021 ein sehr gutes Gewinnwachstum (Konsens: ca. 30 Prozent). Die Dividendenrendite des MSCI Germany von 3 Prozent ist ebenfalls attraktiv.

Im Gegensatz konzentriert sich die US-Aktienrally seit März eng auf eine Handvoll Mega-Cap-Tech-Aktien. Die massive Rotation aus Technologietiteln in der vergangenen Woche hat den ganzen Markt belastet und die Notwendigkeit einer breiteren Diversifizierung aufgezeigt. Wir empfehlen, in langfristige Trends zu investieren, die durch die aktuelle Krise beschleunigt werden. So werden die Lieferketten in Zukunft wahrscheinlich weniger global und mehr lokal ausgerichtet sein, was den Sektoren Automatisierung und Robotertechnik zugutekommen wird. Europa ist Heimat vieler der Marktführer in der globalen Fabrik- und Prozessautomatisierung.

Auch die Digitalisierung des Gesundheitswesens dürfte im Zuge der Pandemie Auftrieb erlangen. Auf Europa entfallen bereits 22 Prozent der Unternehmen eines MSCI-Index, der solche „Medtech"-Firmen abbildet.

Grüne Initiativen, die im Mittelpunkt des EU-Aufbauplans stehen, bieten den europäischen Unternehmen ebenfalls Chancen. So einigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU im Juli auf einen mit 750 Milliarden Euro dotierten Wiederaufbaufonds, dessen Kernelement Klimaschutz und die Digitalisierung sind. Langfristig sollten so Bereiche wie erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Elektrofahrzeuge und Infrastruktur im Zusammenhang mit Mobilität und Transport einen Entwicklungsschub erfahren.

Weitere Ausbrüche des Virus könnten indes dazu führen, dass die Wiedereröffnung der Volkswirtschaften auf Eis gelegt wird. Dadurch würde der Aufschwung zwar gebremst, aber nicht aufgehalten. Wir wissen jetzt mehr über das Virus als zu Beginn des Jahres. Die Schätzungen sowohl zu den Mortalitäts- als auch zu den Virusübertragungsraten fallen geringer aus als kurz nach dem Ausbruch der Pandemie und in einigen Ländern hat sich ein signifikanter Teil der Bevölkerung bereits mit dem Virus infiziert.


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Infolgedessen werden die politischen Entscheidungsträger zur Eindämmung neuer Ausbrüche Maßnahmen ergreifen können, die weniger schädlich für die Wirtschaft sind, zum Beispiel das Tragen von Masken, Kontaktnachverfolgung und Abstandhalten. Außerdem gibt es Hinweise auf Fortschritte bei Entwicklung von Impfstoffen und Therapeutika. Während die Furcht vor einer zweiten Welle die Stärke und das Tempo der Erholung schwanken lässt, erwarten wir für das kommende Jahr eine erhöhte wirtschaftliche Dynamik.

All dies deutet darauf hin, dass die globalen Aktiennotierungen über weiteres Aufwärtspotenzial verfügen. Doch die Investoren werden besonders sorgfältig auswählen müssen.

Mehr zum Thema: Während sich für viele Anleger das Jahr wohl als wenig erfolgreich erweisen wird, freuen sich einige Investoren globaler Aktienfonds über sensationelle Gewinne. Was die Highflyer auszeichnet.

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