Geldanlage global
Was sind die Schlussfolgerungen von Bankenbeben und Zinspolitik aus Anlegersicht? Quelle: REUTERS

Keine Finanzkrise, aber Kehrtwende bei Wachstum und Zinsen

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Maximilian Kunkel Chief Investment Officer, UBS Wealth Management Germany & Global Family Office Zur Kolumnen-Übersicht: Geldanlage global

Trotz der Bankenturbulenzen dürfte es nicht zu einer globalen Finanzkrise kommen. Jedoch rücken die Wendepunkte bei Wachstum und Zinsen voraussichtlich näher. Eine Kolumne.

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Nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank sind die Märkte mit drei zusammenhängenden, aber unterschiedlichen Problemen konfrontiert: Solvabilität, Liquidität und Profitabilität der Banken.

Die Befürchtungen über die Solvabilität der Banken, also deren Eigenmittelausstattung, dürften der Ansicht von uns bei UBS Global Wealth Management nach übertrieben sein. Zusätzlich verfügen die meisten Banken – vor allem die global systemrelevanten – nach wie vor über hohe Liquiditätspositionen. Daher sind die Einleger der allermeisten Institute weiterhin gut geschützt.

Das Vertrauen bleibt jedoch fragil. Die politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger müssen vielleicht noch weitergehen, um sicherzustellen, dass das Vertrauen in das globale Finanzsystem nicht erschüttert wird.

In Bezug auf die Profitabilität nehmen die Belastungen des Sektors zu. Banken werden voraussichtlich die Zinsen auf Einlagen erhöhen müssen, was die Zinsmarge drücken wird. Das Kreditwachstum dürfte sich abschwächen, da die Banken, um einen höheren Liquiditätspuffer aufzubauen, zurückhaltender bei der Darlehensvergabe agieren werden. Und aufgrund des schwächeren Wirtschaftswachstums werden die Rückstellungen für notleidende Kredite wohl steigen. Dazu kommt noch ein weiterhin schwächeres Kapitalmarktgeschäft. Wir sind daher weiterhin zurückhaltend bei Aktien von US-Banken und sehr selektiv bei denen europäischer Banken. Jedoch sind nach der Ausweitung der Zinsaufschläge vorrangige Anleihen von großen systemrelevanten Banken wiederum deutlich attraktiver geworden.

Was bedeutet dies für die Wirtschaft?

Die US-Wirtschaft hat sich trotz des rasanten Anstiegs der Leitzinsen innerhalb der letzten 12 Monate als widerstandsfähig erwiesen. Aber die jüngsten Ereignisse könnten dies ändern. Banken sind wichtige Akteure im Wirtschaftskreislauf.

Regionalbanken, die aufgrund des Liquiditätswiederaufbaus besonders zurückhaltend bei der Kreditvergabe sind, bedeuten weniger neue Kredite für die US-Realwirtschaft. Auf diese Banken mit einer Bilanzsumme von weniger als 250 Milliarden US-Dollar entfallen rund 45 Prozent der Konsumentenkredite, 50 Prozent der US-amerikanischen gewerblichen und industriellen Kredite, 60 Prozent der Wohnimmobilienkredite und 80 Prozent der gewerblichen Immobilienkredite. In den USA machen Unternehmen mit weniger als 500 Angestellten 52 Prozent der Beschäftigung im Privatsektor aus. Das mögliche Ergebnis ist, dass strengere Kreditvergabestandards zu einer Kreditklemme für kleine Unternehmen, einem geringeren Wachstum und einer höheren Arbeitslosigkeit führen.

Der Rückgang der Kreditvergabe der Banken ist tendenziell disinflationär. Dies könnte die US-Notenbank Federal Reserve und andere Zentralbanken dazu veranlassen, früher als zuletzt angenommen die Zinserhöhungen zu stoppen. Aber selbst dies könnte für eine Verhinderung der Wachstumsverlangsamung nicht ausreichen. Wenn die Banken zum Liquiditätsaufbau die Kreditvergabe einschränken, werden niedrigere Zinsen nicht ausreichen, um das Kreditwachstum anzukurbeln.

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Chancen für Investoren?

Aus Anlegersicht ergeben sich hieraus mindestens drei Schlussfolgerungen.

Erstens: Die Opportunität bei qualitativ hochwertigen Anleihen nutzen. Zahlreiche Anlegerinnen und Anleger haben in der Erwartung höherer Zinsen mehr Barmittel gehalten als normal üblich. Doch die Leitzinsen könnten sich nun einem Höchststand nähern, was Anleihen hoher Bonität zusätzlich attraktiv macht. Aufgrund ihrer respektablen Renditen und des Potenzials für Kapitalzuwächse bei einem schärferen Konjunkturabschwung bieten qualitativ hochwertige Anleihen unseres Erachtens attraktive Chancen. Wir bevorzugen sie taktisch gegenüber Aktien.

Zweitens: Aktien außerhalb der USA bevorzugen. Aktien sollten zwar ein wichtiger Bestandteil langfristiger Portfolios bleiben, in naher Zukunft ist jedoch das Risiko-Renditeverhältnis gerade für den breiten US-Markt nicht attraktiv in Anbetracht der restriktiveren Finanzierungsbedingungen, der sinkenden Unternehmensgewinne und der relativ hohen Bewertungen. Schwellenländeraktien wiederum erscheinen hier interessanter, angetrieben von einem soliden Gewinnwachstum, der Erholung in China und den relativ günstigen Bewertungen. Grundsätzlich ist in diesem Umfeld ein Fokus auf qualitativ hochwertige Dividendentitel, Bilanzsolidität und Gewinnvisibilität angebracht. Wir bevorzugen global auf Sektorebene Basiskonsumgüter, Versorger und Industrietitel.

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Drittens: für einen schwächeren US-Dollar positionieren. Der Dollar ist aus nachvollziehbaren Gründen gegenüber vielen Währungen (teilweise deutlich) überbewertet. Jedoch sollte eine Reduktion der Zins- und Wachstumsdifferenzen zwischen den USA und vielen anderen Regionen dazu führen, dass sich die US-Währung bis zum Jahresende abschwächen wird.

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