In der aktuellen Niedrigzinsphase ist das besonders tückisch, denn die risikoscheuen Anleger sind am stärksten betroffen und tragen so das höchste Risiko. „Die aktuell wieder leicht anziehende Inflationsrate in Europa ist für die Europäische Zentralbank zwar ein Grund zur Freude, den Sparern wird damit aber endgültig der Boden untern den Füßen weggezogen“, sagt DSW-Experte Tüngler.
Doch bewusst ist ihnen dieses Risiko oft nicht. Denn das Verständnis für das Verlustrisiko in ihrem Depot ist bei der Hälfte der Privatanleger schlecht. Das zeigte eine aktuelle Umfrage von YouGov im Auftrag des digitalen Vermögensverwalters Scalable, für die 2000 Menschen befragt wurden und die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt. Die Sensibilität für Verlustrisiken hat sich durch das Brexit-Votum sogar nochmal erhöht. Trotzdem würde mehr als die Hälfte der Privatanleger demnach gerne stärker am Kapitalmarkt investieren, doch die Angst vor Verlusten bremst sie.
Doch was tun? Erik Podzuweit, Mitgründer und Co-Geschäftsführer von Scalable Capital, ist überzeugt: „Wir haben kein grundlegendes Problem mit der Kapitalmarktkultur in Deutschland. Wir haben vielmehr ein Problem mit den bestehenden Angeboten“, sagt er. „Sie gehen in der Regel an den Bedürfnissen der Anleger vorbei. Die Finanzbranche muss hier endlich umdenken.“
Was Investoren für die lukrativste Geldanlage halten
Das Meinungsforschungsinstitut Forsa befragt einmal jährlich im Auftrag von pro aurum die Deutschen nach ihren Anlagestrategien. Hier die Ergebnisse vom Juni 2015 - im Vergleich zu den Vorjahren. Zuerst wurden den Bürgern fünf Geldanlagen genannt, mit der Bitte, anzugeben, welche davon aus ihrer Sicht derzeit am besten als langfristige Geldanlage mit mindestens drei Jahren Laufzeit geeignet ist.
Gold platziert sich zum fünften Mal in Folge an erster Stelle, diesmal allerdings deutlicher vor Aktien, die seit 2011 Zuwächse erzielten, aber aktuell in der Anlegergunst gesunken sind: 30 Prozent der Bürger würden sich heute für Gold entscheiden, weil sie vermuten, dass diese Anlage nach mindestens drei Jahren Laufzeit im Vergleich zu den vier anderen Geldanlagen den meisten Gewinn bringt. Gold konnte somit um zwei Prozentpunkte zulegen.
Nur noch 23 Prozent halten Aktien für besonders lukrativ, wenn es um langfristige Geldanlagen geht. Im Vorjahr hatte dieser Wert mit 27 Prozent offenbar einen Gipfel erreicht.
Es folgen Fondsanteile mit zwölf Prozent. Fonds sind in der Gunst der Anleger wieder leicht gegenüber dem Vorjahr gestiegen. 2013 hatte dieser Wert mit 13 Prozent noch ein Hoch erreicht, war aber 2014 auf elf Prozent zurückgefallen.
Fest- beziehungsweise Termingeld hielten sieben Prozent der Befragten für die lukrativste langfristige Geldanlage. Seit 2011 ist diese Anlageklasse deutlich ins Hintertreffen geraten, damals glaubten noch 22 Prozent der Befragten, Termin- und Festgelder würden auf drei Jahre betrachtet den meisten Gewinn abwerfen.
Drei Prozent nannten Anleihen als aussichtsreichste Anlageklasse, im Vorjahr waren es nur zwei Prozent. Anleihen spielen somit für Privatanleger praktisch keine Rolle. Ernüchternd: Knapp jeder vierte Bürger (24 Prozent) kann nicht sagen, welche dieser Anlagen am besten geeignet wäre, um langfristig möglichst viel Gewinn zu erzielen. Die Angaben "weiß nicht" oder "keine davon" kamen bereits in den Vorjahren ähnlich häufig vor.
Die Umfrage zeigt in der Tat, dass ein wesentlich Grund für die Zurückhaltung deutscher Anleger liegt auch in der intransparenten Kommunikation der Anbieter zum Thema Risiko. So hat fast die Hälfte der Befragten ein relativ schlechtes oder sogar sehr schlechtes Verständnis für das Verlustrisiko in ihrem Portfolio.
Angst und Unwissen sind bei der Geldanlage fatal. „Damit verbauen sich diese Anleger selbst die Aussicht auf Rendite“, so Duchateau. „Sie gehen damit langfristig das größere Risiko ein, weil sie kurzfristig um jeden Preis Risiko vermeiden wollen.“ Dabei zeigen Studien immer wieder: Je länger der Anlagehorizont bei Aktien, desto geringer das Risiko. Und desto höher die Rendite.