Geldmarkt Millionenschwere Wette auf massive EZB-Zinssenkung

Ein Spekulant hat 100.000 Optionen auf Zins-Terminkontrakte gekauft. Die Wette geht auf, wenn der Einlagezins auf minus ein Prozent fällt.

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EZB: Millionenschwere Wette auf massive EZB-Zinssenkung Quelle: dpa

Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte Ende April die Kreditbedingungen gelockert und beschlossen, die Konditionen für Langfristkredite an Banken noch attraktiver zu gestalten. Sie senkte den Zins für diese mehrjährigen Kredite um 0,25 Prozentpunkte auf bis zu minus ein Prozent. Der aktuell für die Geldpolitik entscheidende Einlagezins blieb dagegen bei minus 0,5 Prozent.

Nun ist ein Spekulant eine millionenschwere Wette eingegangen, dass diese Maßnahmen nicht ausreichen.

Ein Investor hat in dieser Woche über 100.000 Optionen auf Zins-Terminkontrakte gekauft, erklärte ein Händler aus London, der nicht namentlich genannt werden wollte. Dieser Kauf würde dem Anleger einen hohen Gewinn bescheren, wenn die EZB ihren Benchmark-Satz von derzeit minus 0,5 Prozent bis Anfang nächsten Jahres auf minus ein Prozent senkt.

Die Optionen werden ausgezahlt, wenn die gekauften Euribor-Terminkontrakte im März auf einen Kurs von über 100,75 steigen. Derzeit werden sie bei 100,44 gehandelt. Für solch einen Kursanstieg müsste der Dreimonats-Euribor-Zinssatz von derzeit etwa minus 0,26 Prozent um fast 50 Basispunkte sinken. Und das ist nur möglich, wenn die EZB den Einlagesatz auf minus ein Prozent senkt.

Die Abkürzung Euribor steht für Euro Interbank Offered Rate. Euribor bezeichnet die durchschnittlichen Zinssätze, zu denen viele europäische Banken einander Anleihen in Euro gewähren. Dabei gelten verschiedene Laufzeiten: von einer Woche bis zwölf Monate.

Die Euribor-Werte gelten als Basistarif (Gradmesser) für allerlei andere Zinsprodukte wie etwa Zinsswaps, Zins-Futures, Sparkonten und Hypotheken. Aus diesem Grund verfolgen sowohl Fachleute als auch Privatpersonen die Entwicklung der Euribor-Werte genau.

Theoretisch ist der potenzielle Gewinn aus dieser Wette unbegrenzt, da die EZB die Zinsen schließlich unbegrenzt senken kann. Der Käufer würde beispielsweise 60 Millionen Euro Gewinn erzielen, wenn die gekauften Euribor-Futures im März auf einen Wert von 101 steigen. Dafür wäre eine Zinssenkung auf rund minus 1,25 Prozent erforderlich.

Die Terminkontrakte sind frei handelbar. Der Investor kann seine Optionen also jederzeit vor März 2021 verkaufen und würde möglicherweise bereits profitieren, wenn am Markt plötzlich massive Zinssenkungen erwartet werden.

Derzeit rechnen die Geldmärkte bis März 2021 aber nur mit EZB-Zinsschritten um zehn Basispunkte. Allerdings überraschte die norwegische Zentralbank die Investoren am Donnerstag mit einer Reduzierung der Zinsen auf null.

Bei ihrer Überprüfung der Geldpolitik am 30. April hat die Zentralbank den Zinssatz für langfristige Kreditfazilitäten angepasst, um die Banken zu ermutigen, mehr Kredite aufzunehmen und die Kreditvergabe zu fördern - wodurch praktisch die Finanzierungsbedingungen gelockert wurden. Tatsächliche Zinssenkungen könnten jedoch angebracht sein, wenn die indirekten Maßnahmen die Wirtschaft nicht ausreichend stützen. Nach Ansicht der EZB wird das Bruttoinlandsprodukt der Euro-Länder in diesem Jahr um bis zu zwölf Prozent schrumpfen.

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