
Am Ende der ersten Novemberwoche überraschte EZB-Chef Mario Draghi die Finanzmarktteilnehmer mit einer „Amerikanisierung“ der europäischen Zinsen. Die auf nun nur noch 0,25 Prozent abgesenkten Leitzinsen markieren damit ein neues historisches Tief. Dabei wurde in den Wochen zuvor fast gebetsmühlenartig von Stabilisierung oder gar wirtschaftlicher Erholung in Europa fabuliert.





Doch nicht etwa die zwischenzeitlich erreichte Stärke des Euros gegenüber Dollar oder Yen, die vor allem Frankreich beendet sehen wollte, (Arnaud Montebourg, französischer Minister für die Belebung der Produktion: „Wir fordern, dass die Europäische Zentralbank das macht, was alle anderen Regierungen tun: die Zinssätze gemäß unserer Interessen anzupassen. Der Euro ist zu teuer, zu stark und ein klein wenig zu Deutsch. Er sollte etwas italienischer, französischer, im Grunde europäischer sein.“), diente der EZB dabei als Begründung für diesen Zinsschritt, sondern die im Oktober im Jahresvergleich von 2,5 auf 0,7 Prozent gesunkene - Deflationsängste erzeugende - Inflationsrate im Euroraum. Nach Worten der EZB-Währungshüter sehen diese nun ihr Mandat „gefährdet“, schließlich kann die „Stabilität“ des Euro nur dann langfristig gewährt werden, wenn dieser auch Jahr für Jahr die als Ziel definierten knapp 2 Prozent Kaufkraftverluste erleidet!
Selbst wenn man aber nun - trotz gefühlter (und zu bezahlender) Inflationsraten von eher fünf Prozent - tatsächlich an die Aussagekraft einer durchschnittlichen statistischen Preissteigerungsrate in der Eurozone glauben sollte, zeigen die stark divergierenden Preisniveaus in den jeweiligen 17 Ländern (das Armenhaus Europas Griechenland gehört mit zu den teuersten Ländern) eindeutig, dass es nicht einmal theoretisch möglich ist, eine sinnvolle (Null-Zins-)Geldpolitik in einem wirtschaftlich immer stärker auseinanderdriftenden Europa zu betreiben. Vor diesem Hintergrund ist die Kritik von Jürgen Fitschen an der „Draghi´schen Liralisierung“ des Euros äußerst bemerkenswert: „Jeder, der glaubt, dass er mit einer fortgesetzten Periode des billigen Geldes Probleme löst, dem ist nicht zu helfen“, so der Co-Chef der Deutschen Bank.

Aber die Euro-Utopisten in der EZB und in der Politik rufen - trotz Dauerrezession und Rekordmassenarbeitslosigkeit in den Südländern - immer wieder das Ende der Krise aus, wie jüngst wieder der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble:„Die Euro-Zone ist aus der längsten Rezession ihrer Geschichte heraus.“ Da muss man fast schon vermuten, dass die Verantwortlichen inzwischen selbst an ihre eigene Erfolgspropaganda glauben und die bittere Realität schlichtweg ignorieren. Auch wenn sich die Eurokraten, wie einst die Zentralplaner im sozialistischen Ostblock, ihre Welt gern malen, wie sie ihnen gefällt, so lassen die zuletzt verstärkt zu beobachtenden Massenproteste in Spanien, Italien, Griechenland oder Frankreich, die in weiten Teilen unserer Medienlandschaft leider keine die Idylle störenden Schlagzeilen wert sind, erkennen, dass die Bevölkerung dieser Länder immer weniger bereit ist, die Konsequenzen der ignorierten Realität stumm und klaglos zu ertragen!