Geldpolitik Türkische Zentralbank hebt die Zinsen deutlich an – gegen den Willen Erdogans

Die türkische Lira sinkt stark, die Inflation ist hoch. Jetzt hat die Zentralbank reagiert – mitten im Wahlkampf. Und stellt sich damit gegen Erdogan.

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Istanbul Murat Cetinkaya ist nicht gerade der beste Freund des türkischen Staatschefs Erdogan. Der Präsident der türkischen Zentralbank will die Leitzinsen im Land anheben, um die strauchelnde Währung einzufangen. Doch Erdogan will die Zinsen niedrig halten, damit Unternehmen und Konsumenten günstig an Geld kommen, dieses reinvestieren und so die Wirtschaft ankurbeln.

Es scheint, als habe sich der Notenbankgouverneur vorläufig durchgesetzt. Am Mittwoch hob die Zentralbank die Zinsen an. Und zwar stärker, als Experten vorausgesagt haben: Der Satz für das sogenannte kurzfristige Liquiditätsfenster, über das sich Geschäftsbanken mit frischem Geld refinanzieren können, stieg von 12,75 auf 13,50 Prozent. Erwartet wurde ein Anstieg um 0,5 Prozentpunkte.

Der Schritt war von Investoren sehnsüchtig erwartet worden. Die Türkische Lira gehört zu den schwächsten Währungen weltweit. Dadurch verteuern sich Importe in das Land. Die Inflation stieg im vergangenen Jahr auf bis zu 13 Prozent. Inzwischen ist sie zwar auf rund zehn Prozent gesunken. Doch das offizielle Ziel der Zentralbank liegt bei fünf Prozent. In der Euro-Zone und den USA werden zwei Prozent Inflation pro Jahr als Ziel ausgegeben.

Um Inflationsprobleme in den Griff zu bekommen, erhöht für gewöhnlich jede Zentralbank die Leitzinsen. Dadurch wird es schwieriger, sich frisches Geld bei der Bank zu leihen. Gleichzeitig lohnt es sich eher, Geld in türkischer Lira anzulegen.

Doch Staatschef Erdogan ist gegen eine Zinserhöhung. Bei niedrigen Zinsen, so glaubt er, wollen mehr Investoren mit geliehenem Geld in der Türkei investieren. Dadurch würde die Realwirtschaft gestärkt. Unter den Geldpolitikern überwiegen in diesem Fall jedoch die Befürworter hoher Leitzinsen.

Die Türkische Lira machte noch in derselben Stunde einen Freudensprung. Gegen zwei Uhr nachmittags türkischer Zeit stieg die Währung des Landes gegenüber dem einem US-Dollar um ein Prozent auf knapp 4,05 Lira. Im Laufe des Nachmittags ließ der Optimismus der Marktteilnehmer jedoch wieder nach, ein Dollar verteuerte sich auf 4,10 Lira.

Noch pikanter wird die Zinserhöhung dadurch, dass die Türkei sich mal wieder mitten im Wahlkampf befindet. Mitte April gab Präsident Erdogan bekannt, die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vorzuziehen. Statt im November 2019 werden sie im Juni 2018 stattfinden, 17 Monate früher als geplant. Beobachter erwarten ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der regierenden AKP und der verbündeten MHP auf der einen Seite und den Oppositionsparteien CHP, HDP und Iyi-Partei auf der anderen Seite.

Neben der Einführung eines Präsidialsystems dürfte die Wirtschaftspolitik der künftigen Regierung dabei den Wahlkampf dominieren. Erdogan braucht eine wachsende Wirtschaft, um seine Wähler nicht zu vergraulen. Viele von ihnen sind Mittelständler, die von den Milliardeninvestitionen der türkischen Führung massiv profitiert haben. Dazu zählen vor allem Bauunternehmer, aber auch Industriefirmen.

Doch bei der Frage nach der richtigen Wirtschaftspolitik scheint es auch im Regierungslager Abweichler zu geben. Während Erdogan selbst auf starkes Wirtschaftswachstum setzt, priorisiert sein Vize-Premier Mehmet Simsek offenbar eine niedrigere Inflation. Auf einer Veranstaltung in Washington sagte Simsek vergangenen Woche, eine einstellige Inflation sei das Schlüsselziel der Regierung.

Dafür müssten die Leitzinsen der Zentralbank allerdings noch weiter angehoben werden. Und das wäre Gift für Erdogans Stammwähler.

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