
Hamburg „Wir sehen keine Anzeichen, dass die Charterraten in den nächsten drei Monaten nach oben drehen werden“, blickt Torben Kölln, für das Schiffsfondsgeschäft der Buss-Gruppe in Hamburg verantwortlich, in die Zukunft. Charterraten sind die Tagesmieten für Schiffe. „Die Sanierungsgefahr steigt“, urteilt die Deutsche Fondsresearch, ein Analysehaus für Schiffsfonds, das zur Salomon-Invest-Gruppe gehört. Salomon Invest legt Schiffsfonds auf, die in gebrauchte Schiffsfondsanteile investiert. Nicht nur die Zahl der Sanierungsfälle, auch die der Insolvenzen.
Aktuell haben fast 40 Schiffsfonds Insolvenz angemeldet. „Es wird eine dreistellige Zahl werden“, schaute Günther Flick, Inhaber des Fondsvertriebs Treuvermögen, gegenüber dem Handelsblatt ins nächste Jahr. Flick vermittelt seit 30 Jahren Schiffsfonds und sitzt in 40 Anlegerbeiräten von Schiffsbeteiligungsgesellschaften.
Schiffsfonds sind Kommanditgesellschaften (KG). Als Komplementär (Vollhafter) der KG wird vom Fondsanbieter eine GmbH eingesetzt. Die Emittentin stellt auch die Geschäftsführung des Fonds. Anleger werden Kommanditisten, haften also im Falle der Insolvenz nur mit ihrer Einlage und sind nicht zu Nachschüssen verpflichtet. Letzteres ist zwar formal richtig, doch in der aktuellen Krise stehen Anleger von Problemfonds vor der Wahl, Geld einzuschießen oder die Insolvenz der Gesellschaft zu riskieren und dann womöglich die komplette Einlage zu verlieren.
Vielen Anleger wurde erst im Sanierungsfall bewusst, dass Geld in der Kasse und Gewinne zweierlei sind und ihre Ausschüttungen vielfach nicht aus Gewinnen, sondern aus liquiden Mitteln stammten. Wird ein solcher Fonds insolvent, fordert der Insolvenzverwalter Ausschüttungen, die nicht durch Gewinne gedeckt waren, zurück. Folglich zahlten viele Anleger in Schieflage geratener Schiffs-KGs erhaltene Ausschüttungen zurück, um den Fonds am Leben zu halten.
Das Sanieren in Schieflage geratener Schiffsbeteiligungen ist inzwischen alltägliches Geschäft in der Branche. Das Analysehaus Deutsche Fondsresearch kommt in einer gemeinsamen Studie mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft TPW Todt & Partner, zu dem Ergebnis, dass 197 Fonds mit 262 Schiffen in Sanierung sind. Darin stecken 3,4 Milliarden Euro Anlegergelder. Weiteren 59 Fonds mit 770 Millionen Anlegerkapital hängt Deutsche Fondsresearch das Etikett „Sanierungsgefahr“ um. Dabei wurden in der Studie nur 700 von geschätzten 2.000 Schiffsfonds mit etwa 2.500 Schiffen berücksichtigt.
Die Schieflagen sind Folge der seit vielen Monaten am Boden verharrenden Tagesmieten für Schiffe. Egal ob die großen Pötte Container, Massengüter wie Erz, Kohle, Getreide, oder Öl transportieren, die Charterraten sind so niedrig, dass ein Großteil der Fondsschiffe Verluste einfährt.
"Die Banken sind keine Partner mehr"
Der Grund für die niedrigen Schiffsmieten sind die Überkapazitäten in allen drei Märkten. Gerade im Segment Containerschiffe, in dem das meiste Geld deutscher Anleger steckt, reagieren die großen Reedereien mit Preissenkungen für den Transport der großen Blechkisten und ziehen die Charterraten mit nach unten.
Die Phase der Überkapazitäten ist noch nicht zu Ende. Erst in zwei bis drei Jahren werden sich Wachstum der Containertransportkapazität und –nachfrage angleichen, sagte Werner Großekämper, Geschäftsführer des Fondshauses Maritim Equitiy, am Rande des Kongresses in Hamburg. In diesem und den nächsten beiden Jahren wird das Wachstum der Containerflotte jährlich zwischen 8,4 und 10,4 Prozent betragen, erwartet das Beratungsunternehmen Dynamar. Für die gleiche Periode prognostiziert das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI), dass die Exporte weltweit jedes Jahr etwa sechs bis sieben Prozent zunehmen werden. Tendenziell nehme der Seehandel überproportional zum Exportwachstum zu, sagte Franziska Biermann vom HWWI vor der Konferenz.
Doch einige Fonds werden die Erholung der Charterraten nicht mehr erleben. Teils ist die Situation so dramatisch, dass die Einnahmen der Fonds nicht einmal die Schiffsbetriebskosten decken, so dass an die Zahlung von Zins und Tilgung für die Schiffshypotheken gar nicht zu denken ist. De Banken, selbst durch die Staatsschuldenkrise unter Druck, sind immer weniger bereit, Zins- und Tilgungszahlungen zu stunden. Bittere Erkenntnis: „Die Banken sind keine Partner mehr. Sie schreiben die Kredite lieber ab“, sagte Günther Flick.
Als Schreckgespenst geistert die sogenannte „Drei-Jahresfrist“ durch die Branche. Es wird vermutet, dass die Banken Kredite endgültig fällig stellen werden, wenn drei Jahre lang nicht getilgt wurde. Bei der Drei-Jahresfrist handele es sich um die Interpretation der neuen Eigenkapitalregeln, bekannt unter dem Namen Basel II, erläuterte Oliver Faak, für die Schiffsfinanzierungen der Nord/LB verantwortlich. Nach den neuen Regeln werde der Kredit als ausgefallen gewertet. „Der Kredit kann dennoch weiter gestundet werden“, sagte Faak.
Ob dies geschehe, werde von der Situation der Bank abhängen. Carsten Wiebers, Abteilungsleiter Schiffsfanzierungen bei der KfW Ipex-Bank, beobachtet, dass auch den Kommanditisten nach drei Jahren das Geld für Sanierungsbeiträge fehlt. Auch das ein Indiz dafür, dass die Insolvenzen zunemen werden.
Waren bisher vor allem kleine und mittelgroße Containerschiffe in die Bredouille geraten, erwartet Wiebers, dass nun Fonds mit Schiffen mit 4.000 bis 6.000 Stellplätzen für 20-Fuß-Container (TEU) häufiger betroffen sein werden.
Manche Anleger werden sogar die bittere Erfahrung machen, dass die erste Sanierungsrunde in ihrem Fonds vergebens war. „Es gibt Schiffe, die müssen zwangsversteigert werden. Da kann man Anlegern nicht guten Gewissens empfehlen, ein weiteres Mal Geld einzuschießen“, stellt Anlegerbeirat Flick fest. Hermann Ebel, Chef des Fondshauses Hansa Treuhand, fürchtet, das bei den ersten Sanierungsrunden vielfach zu wenig Geld bei den Anlegern eingesammelt wurde. „Zweite Runden werden im Gesellschafterkreisen schwer durchzusetzen sein“, stütz auch er die Prognose, dass die Zahl der Insolvenzen im nächsten Jahr steigen wird.