„America First“. Trumps Wahlkampf-Motto spiegelt sich auch in der Steuerreform wider, die der Kongress diese Woche abgesegnet hat. Von den niedrigeren Körperschaftssteuern werden vor allem jene US-Unternehmen profitieren, die stark auf dem Heimatmarkt vertreten sind: Eisenbahnen, Fluggesellschaften, Gesundheitsdienstleister oder Banken. Ihre Aktien könnten weiter steigen. Trotz der Rekordwerte dieses Jahres.
Der US-Aktienmarkt knackt seit Wochen eine Rekordmarke nach der nächsten. Seit Jahresbeginn haben die US-Aktien mehr als 20 Prozent zugelegt. Dank der Steuerreform, die US-Präsident Donald Trump diese Woche erfolgreich erlassen hat, könnte das weitergehen. Viele Beobachter sehen noch Luft nach oben.
Die Analysten von Barclays rechnen damit, dass die Gewinne der Unternehmen im kommenden Jahr auch dank der Reform um durchschnittlich 6,3 Prozent steigen werden. Dabei reichen die Schätzungen von nur einem Prozent im Immobiliensektor bis zu knapp zwölf Prozent bei Basis-Konsumgütern, zu denen Namen wie Coca-Cola und Procter & Gamble gehören. Und wenn die Gewinne steigen, werden nach Ansicht von Analyst Maneesh Deshpande von Barclays auch die Aktienkurse nach oben gehen. Er glaubt, dass die Steuerreform noch nicht komplett eingepreist ist im Markt.
Trumps Steuer-Weihnachtsgeschenk - zu Lasten deutscher Jobs?
Das Paket umfasst Steuersenkungen im Umfang von knapp 1,5 Billionen Dollar (1,27 Billionen Euro). Zu den Kernpunkten gehört eine massive Senkung der Unternehmensteuern von derzeit 35 auf 21 Prozent. Auch die meisten übrigen Steuerzahler können davon ausgehen, dass sie zumindest vorübergehend weniger Geld an den Fiskus abführen müssen. Allerdings profitierten die Reichen entgegen Trumps Ankündigungen deutlich stärker als die Ärmeren und die Mittelschicht, so die Kritik der oppositionellen Demokraten.
Derzeit sind die Steuern für Firmen sehr hoch. Bei einer Senkung auf 21 Prozent läge die größte Volkswirtschaft der Welt knapp unterhalb des Durchschnitts der meisten Wettbewerber (23 Prozent). Innerhalb der EU gibt es Länder, die ihren Unternehmen noch geringere Steuern ermöglichen - darunter Großbritannien und Irland. Die USA lägen nur knapp unter dem EU-Durchschnitt von etwas mehr als 22 Prozent.
Die Risiken sind groß. Die ohnehin riesige Schuldenlast wird durch die enormen Entlastungen von Unternehmen und dadurch bedingte Mindereinnahmen des Staates noch größer. Kritiker merken an, künftige Generationen von Steuerzahlern hätten die Rechnung zu bezahlen. Zuletzt hatte Notenbank-Chefin Janet Yellen ihre Sorgen zum Ausdruck gebracht.
Es droht ferner ein Überhitzen der ohnehin fast auf voller Kapazität fahrenden US-Wirtschaft. Die Anreize könnten verpuffen, weil die Unternehmen sich entscheiden könnten, nicht in die reife heimische Ökonomie zu investieren, sondern anderswo. Viele Ökonomen sprechen deshalb von einer Reform zur «Unzeit», die Trump aus politischen Gründen habe durchboxen wollen.
Sie warnen vor einem «Unterbietungswettbewerb» bei Steuern. Große Sorge hatte außerdem vor allem eine zunächst angedachte Steuer von 20 Prozent auf Zahlungen an Konzernteile außerhalb der USA ausgelöst - eine Art Sonderabgabe. Peter Altmaier (CDU) und vier weitere europäische Finanzminister hatten sogar einen Brief an ihren US-Kollegen geschrieben. Es geht um eine Regelung namens «excise tax», die das Repräsentantenhaus gefordert hatte. Dies würde etwa Autokonzerne mit Produktionsstandorten in den USA treffen, weil sie viele Teile für die Montage etwa aus Deutschland einführen. Allerdings war die «excise tax» schon im Kompromisspapier mit dem Senat nicht mehr enthalten, hieß es etwa aus dem Bundesfinanzministerium sowie aus deutschen Wirtschaftsverbänden.
Das befürchten viele Politiker in Europa, unabhängig von Parteigrenzen, aber auch Wirtschaftsverbände und Ökonomen. Auch ohne eine Sondersteuer auf konzerninterne Zahlungen drohten teilweise große Nachteile für die deutsche Wirtschaft. Die größte Sorge: Durch die Senkung der Unternehmensteuern könnten Investitionen in die USA verlagert werden - und in Deutschland sinken. Dies könnte am Ende auf Kosten deutscher Jobs gehen. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, bezeichnete die US-Reform bereits als «absolute Kampfansage».
Zwar könnten von einer Belebung der US-Konjunktur durch eine Steuerreform indirekt auch deutsche Unternehmen profitieren, denn die USA importieren viele deutsche Produkte. Allerdings: Eine Senkung der US-Unternehmensteuern schaffe Anreize für deutsche Unternehmen, profitable Investitionen in die USA selbst zu verlagern, sagte der Chef des Wirtschaftsforschungs-Instituts Ifo, Clemens Fuest: «Das ist aber schlecht für Deutschland, wir wollen diese Investitionen hier, wir brauchen die Arbeitsplätze und das Steueraufkommen.»
Der Europaabgeordnete Sven Giegold von den Grünen sagte: «Der Steuerwettbewerb wird fulminant angeheizt.» Dies liegt aber auch daran, dass die USA eine neue Methodik zur Steuererhebung anwenden wollen, die mit den mühsam international vereinbarten Grundsätzen - etwa bei den G20 - nur schwer vereinbar ist.
Die deutsche Industrie hat sich schon klar positioniert: Wenn die USA die Steuern für Unternehmen senken, müsse Deutschland nachziehen. Sprich: Auch hier solle dann die Last verringert werden. Hierzulande liegen die Unternehmensteuern derzeit bei mehr als 30 Prozent. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, forderte, Deutschland werde die Steuerbelastungen seiner Wirtschaft überprüfen müssen. Die letzte umfassende Reform der Unternehmensbesteuerung liege schon zehn Jahre zurück. BDI-Präsident Kempf sagte: «Steuerpolitik ist immer auch Standortpolitik.»
Nach Schätzungen von JP Morgan wird der S&P 500 im kommenden Jahr noch um mehr als zehn Prozent auf 3000 Punkte klettern. Auch dank der Steuerreform, die ein „Goldlocken-Umfeld“ für Aktien schafft, also ideale Bedingungen. Auch Steve Chiavarone, Portfolio-Manager von Federated Investors, rechnet damit, dass der S&P 500 die 3000-Marke erreicht.
Er weist darauf hin, dass die US-Unternehmen im laufenden Jahr zweistellige Wachstumsraten ganz „ohne einen Cent Anreiz“ geschafft haben und dass die Konjunktur bestens läuft. Die Steuerreform und die Deregulierung der Trump-Regierung kämen da „noch oben drauf“. Auch Martin Lück, Chefanlagestratege Deutschland beim US-Fondsriesen Blackrock, hatte jüngst gesagt: „Opportunistisch muss man wegen der US-Steuerreform erst mal US-Aktien kaufen“.
Wie amerikanisch ist ein Unternehmen?
Deshalb steht etwa das Konglomerat Berkshire Hathaway von Star-Investor Warren Buffett besonders gut da. Buffett ist zwar kein Trump-Fan. Aber er hat überdurchschnittlich in amerikanische Aktien investiert. Laut Investmentbank KBW wird Berkshire Hathaway daher dank der Steuerreform nächstes Jahr insgesamt 15 Prozent höhere Gewinne einfahren. Das entspricht 2,6 Milliarden Dollar.
In der gleichen Schätzung erwartet KBW für die Banken JP Morgan Chase 21 Prozent und für Wells Fargo 20 Prozent höhere Gewinne. International ausgerichtete Unternehmen wie Apple oder General Electric profitieren laut KBW dagegen weniger. Sie werden zudem gezwungen, ausländische Gewinne in den USA einmalig zu versteuern. Damit kämen sie zwar an die Gelder heran, die bisher im Ausland geparkt sind. Unklar ist jedoch, wie sie dieses Kapital verwenden werden.
Sie können sie in neue Fabriken, Forschung und Jobs investieren oder den Aktionären kurzfristig in Form von Dividenden oder Aktienrückkäufen zukommen lassen. Was die KBW kritisch sieht, sehen andere Analysten positiv. Die Unternehmen können schließlich endlich mit den Milliarden arbeiten, die bisher nur herumlagen.
Die Analysten von JP Morgan haben eine Liste mit den zehn Unternehmen aufgestellt, die am meisten von der Trump-Reform profitieren. Dazu gehört der Börsenbetreiber CBOE Global Markets Inc ebenso wie die Eisenbahngesellschaft CSX Corp, die Hotel-Kette Hilton und die auf den US-Markt konzentrierte Fluggesellschaft Southwest Airlines.
Tatsächlich werden sich die US-Airlines über die Steuersenkungen freuen können. Southwest etwa hat bisher den Höchstsatz an Steuern bezahlt und wird damit stark von den neuen Sätzen profitieren. Delta Airline-CEO Ed Bastian hat bereits gesagt, dass er im nächsten Jahr aufgrund der Reform 18 bis 19 Prozent höhere Gewinne einfahren könnte. Außerdem werden die Amerikaner mehr Geld übrig haben und damit wahrscheinlich auch mehr reisen.
Die Schweizer Großbank UBS hat sogar ein Zertifikat mit dem Titel „US Tax Reform Beneficiaries Basket“ herausgegeben, der auf knapp 50 fast ausschließlich amerikanischen Aktien basiert.
Kleine Unternehmen profitieren von dem Steuerpaket
Generell gilt auch, dass kleinere Unternehmen gut mit der Steuerreform fahren, weil sie meist nicht so international aufgestellt sind wie die Großkonzerne und ihre Gewinne überwiegend in den USA anfallen. Ein Bericht von Jefferies weist am Mittwoch darauf hin, dass die Unternehmen des S&P 600 Index der Small Caps bisher eine deutlich höhere Steuerquote hatten als die anderen.
Sie konnten ihre Gewinne schließlich nicht so leicht in komplizierten Holding-Strukturen im Ausland verstecken. Das heißt nun, dass sie von der Reform überproportional profitieren und ihre Aktien damit interessant sein könnten.
Aktien aus dem Energie-Sektor, der dem Weißen Haus eigentlich besonders am Herzen liegt, werden dagegen nicht automatisch von der Reform profitieren. Öl- und Gas-Konzerne zahlen zwar mit einer effektiven Steuerquote von 37 Prozent mit am meisten Steuern auf ihre Gewinne. Aber viele von ihnen sind nicht profitabel und haben dementsprechend wenige Vorteile von der Reform. Das gilt auch für die größten Kohle-Unternehmen Peabody Energy und Arch Coal, wie der Analyst Daniel Scott von MKM Partners LLC herausstellt.
Es gilt also, genau hinzuschauen, wenn man in Einzeltitel und nicht in den Index investieren will. Klar ist, dass die Steuerreform an der Börse zumindest teilweise schon vorweggenommen wurde. Einige Investoren stellen sich daher bereits die Frage, ob vielleicht doch schon bald der Zeitpunkt gekommen ist, an dem Anleger verkaufen sollten.
Matt Maley, Aktienstratege von Miller Tabak Asset Management argumentiert in seiner Kolumne für den US-Fernsehsender CNBC, die Aktien seien so hoch bewertet, dass er in den kommenden Wochen einen „großen Ausverkauf“ erwarte.
Auch Jeremy Siegel, Finanz-Professor an der renommierten Wharton School und bis vor kurzem ein Optimist für die Wall Street, wird vorsichtiger: „Ich sehe die Steuerreform sehr positiv, aber es gilt: Kauf auf die Erwartung, verkaufe bei der Nachricht“, erklärt er.