Global Wealth Report Die fetten Jahre sind vorbei

Das weltweite Geldvermögen steigt weiter – wenn auch langsamer als zuvor. Die gute Nachricht: Weltweit wächst vor allem die Mittelschicht. Die schlechte Nachricht: In Deutschland verschenken die Anleger viel Geld.

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Vor allem in Südeuropa werden die Menschen nur langsam reich. In Asien dagegen wächst das Vermögen zweistellig. Quelle: dpa

Das weltweite Geldvermögen wächst – allerdings so langsam wie seit 2011 nicht mehr. So ist das Brutto-Geldvermögen der privaten Haushalte im Jahr 2015 nur noch um 4,9 Prozent auf den Rekordwert von 155 Billionen Euro gestiegen, wie die Allianz in ihrem Global Wealth Report mitteilt. In den drei Vorjahren hatte der Zuwachs im Schnitt noch neun Prozent betragen. Chefvolkswirt Michael Heise betont: „Die fetten Jahre scheinen vorbei zu sein, das relativ geringe Wachstum wird sich fortsetzen.“ Für das Jahr 2016 erwartet die Allianz, dass das Geldvermögen um vier Prozent zunimmt.

Die Gründe für die schwächere Entwicklung sind vielfältig: Vor allem die Kurse von Aktien und Anleihen legen nicht mehr so kräftig zu wie zuletzt. Lange hatten die Geldspritzen der großen Notenbanken den Börsenboom befeuert. Inzwischen haben die Schwankungen an den Finanzmärkten aber deutlich zugenommen. „Offensichtlich verliert die extrem expansive Geldpolitik auch als Treiber der Wertpapierpreise langsam an Wirkung“, sagt Heise.

Neue Mittel flössen nur noch in relativ geringem Umfang in Anleihen und Aktien. „Vor allem in Westeuropa gehen die Mittelzuflüsse zurück“, betont Heise. Rückflüsse aus Wertpapieren parken die Deutschen zudem häufig auf Konten wegen der geringen Attraktivität von Wertpapieren. „Gleichzeitig rutschen die Zinsen immer tiefer, bis weit in den negativen Bereich. Die Sparer befinden sich in einem echten Dilemma“, resümiert Heise.

Während das Geldvermögen vor allem in den Industrieländern aber auch in Emerging Markets wie Lateinamerika weniger wächst, setzt sich Asien – ohne Japan – von den übrigen Regionen ab. So wächst das Geldvermögen der Asiaten immer noch zweistellig, 2015 mit rund 14,8 Prozent.

Das führt auch dazu, dass sich die Vermögensverteilung verbessert hat: „Immer mehr Menschen partizipieren am Wohlstand der Welt“, erklärt Heise. Mehr als eine Milliarde Menschen gehören demnach nun zur Vermögensmittelschicht. „Es gibt heute dreimal so viele Asiaten, die zur Mittelschicht gehören als im Jahr 2000.“ Insgesamt hat sich der Anteil der Mittelklasse an der Gesamtbevölkerung seit der Jahrtausendwende von zehn auf 20 Prozent erhöht.

Auch wenn damit die breite Bevölkerungsschicht nicht verarmt, so konzentriert sich der Reichtum vor allem in den Industrieländern immer stärker in den Händen weniger. Das führt zu Unzufriedenheit. „Das Votum der Briten, die EU zu verlassen, sollte auch vor diesem Hintergrund gesehen werden“, heißt es in dem Bericht.


Besonders langsam wächst das Vermögen der Südeuropäer

Insgesamt ist die Vermögensentwicklung in Europa wenig positiv verlaufen. Vor allem Länder wie Italien und Frankreich sind in der Statistik zuletzt deutlich nach hinten gewandert. Beim Brutto-Geldvermögen rangieren sie nur noch auf den Plätzen 15 und 16, nach den Plätzen 6 und 9 im Jahr 2000. Das zeigt, wie sehr die beiden Länder unter der schwachen Entwicklung der Wirtschaft und der Börsen leiden.

Deutschland reiht sich sogar hinter den beiden Ländern ein und liegt mit einem Brutto-Geldvermögen von 67.980 Euro pro Kopf weltweit auf Platz 20. Nach Abzug der Schulden rangiert Deutschland etwas besser auf Rang 18, weil sich die Haushalte trotz des Zinstiefs mit der Aufnahme von Krediten zurückhielten.
In Deutschland gehören allerdings im weltweiten Vergleich recht wenige Menschen zur Vermögensmittelschicht‎. Das liegt laut Heise zum Teil an den Folgen der Wiedervereinigung. In die Statistik fließen aber auch Immobilienvermögen und die gesetzliche Rente nicht ein, daher wirken die Deutschen ärmer als Menschen aus Ländern mit kapitalgedeckter Altersvorsorge wie der Schweiz und den USA.

Heise mahnt jedoch, dass deutsche Sparer in der Niedrigzinsphase zu viel Geld verschenken. Denn eine Simulation der Allianz ergibt: Hätten die börsenscheuen Deutschen in den vergangen vier Jahren zehn Prozent weniger in Bankeinlagen angelegt und stattdessen je zur Hälfte auf Aktien oder Investmentfonds verteilt, hätten sie pro Jahr einen Prozentpunkt mehr Rendite erzielt. Damit hätten sie eine zusätzliche Vermögenseinnahme von rund 200 Milliarden Euro erzielen können.

Unangefochtene Spitzenreiter unter den mehr als 50 untersuchten Ländern sind nach wie vor die Schweizer mit einem Brutto-Geldvermögen von 260.800 Euro pro Kopf im vergangenen Jahr. Auch in der Netto-Betrachtung liegt die Schweiz mit netto 170.590 Euro vorn.

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