Goldhandel Auf einmal fällt der Goldpreis wie ein Stein

Auf einen Schlag ist am Morgen der Preis für Gold um mehr als ein Prozent gefallen – ein riesiges Umsatzvolumen trug dazu bei. Es gibt Indizien, was den Preissturz auslöste.

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56 Tonnen Gold in kürzester Zeit gehandelt. Quelle: dpa

Der Goldpreis ist am Montagmorgen um zehn Uhr deutscher Zeit im Londoner Handel abrupt um 1,6 Prozent abgerutscht. Das Volumen für Gold-Future-Kontrakte in New York war unmittelbar zuvor in die Höhe geschossen, was Händler auf einen möglichen „Fat finger“-Vorfall („Dicker Finger“) zurückführen. Darunter wird eine aus Versehen ausgelöste große Order verstanden, die durch eine versehentliche Eingabe erfolgt ist.

Der Handel schnellte innerhalb einer Minute auf bis zu 1,8 Millionen Unzen nach oben – ein Niveau, das selbst am Handelstag nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten oder der überraschenden Abstimmung für den britischen EU-Austritt vor einem Jahr nicht erreicht worden war.

„Niemand weiß etwas, abgesehen von dem unglücklichen Individuum, das den falschen Knopf gedrückt hat“, so David Govett, Chef des Edelmetall-Handels bei der Marex Spectron Group in London. Durch automatische Handelsprogramme und die Tatsache, dass es eigentlich geringe Umsätze am Montag gegeben habe, könnte die Kursschwankung verschärft worden sein, schätzt Govett.

Andere Marktteilnehmer sagten, dass ein Händler entweder einen größeren Auftrag als geplant abgegeben habe oder die Fähigkeit des Markts überschätzt worden sei, eine solch große Menge zu absorbieren.

Etwa 18.150 Future-Kontrakte à 100 Unzen (insgesamt also 56 Tonnen Gold) wurden an der New Yorker Rohstoffbörse Comex in weniger als einer Minute gehandelt, bevor die Transaktionen auf 2.334 Kontrakte eine Stunde später fielen. Der Goldpreis gab innerhalb eines Wimpernschlags um bis zu 1,6 Prozent nach und notierte bei 1236,43 Dollar, dem niedrigsten Wert seit dem 16. Mai. Die Geschwindigkeit der Kursbewegung ist außergewöhnlich.

Daniel Briesemann, Rohstoffexperte der Commerzbank, sagte dem Handelsblatt: „Es verdichten sich die Hinweise, dass ein Händler bei der Ordereingabe die Anzahl der Unzen und die Anzahl der Kontrakte vertauscht hat.“ Ein Fehler um den Faktor 100 also. Das kommt nach Schätzung von Briesemann vielleicht einmal im Jahr vor. Normalerweise wird das dann aber zügig korrigiert. Das ist im aktuellen Fall jedoch nicht erkennbar.


Zunehmende Anzahl von „Flashcrashs“

Die zunehmende Anwendung von computergestützten Algorithmen ist in den vergangenen Jahren für außergewöhnliche Kursbewegungen verantwortlich gemacht worden. Sogenannte „Flashcrahs“ gibt es immer wieder, etwa auch bei Währungen.

„Solche Kursbewegungen werden immer häufiger vorkommen, so wie sich die Dinge entwickelt“, so Edelmetall-Händler Govett. „Um so häufiger sie passieren, desto schlimmer wird es werden, da es dazu führen wird weniger lange an Positionen festzuhalten.“

Es gab am Montag allerdings auch Hinweis auf eine sinkende Goldnachfrage aus China, dem größten Verbraucher. Das Land kaufte im Mai weniger des Edelmetalls in Hongkong ein. Die Käufe fielen auf 44,8 Tonnen von 74,9 Tonnen im April laut Daten des Statistikamts von Hongkong.

Sönke Niefünd, Anlagestratege der Otto M. Schröder Bank, ist die abrupte Kursbewegung des Goldes auch aufgefallen. Doch er bleibt ganz entspannt: „Der weitere Kursverlauf wird abhängig von Zinsentscheidungen seitens der Europäischen Zentralbank und der US-Notenbank sowie deren Einfluss auf den US-Dollar sein.“

Um 13 Uhr deutscher Zeit notierte das Edelmetall in London bei 1242 Dollar, immer noch mehr als ein Prozent unter dem Wert des Vortags. Unabhängig von der Tagesbewegung erwarten die Commerzbank-Experten einen kurzzeitigen Rücksetzer beim Goldpreis, da der Markt das Tempo der Zinserhöhungen durch die US-Notenbank aktuell deutlich unterschätze. Höhere Zinsen seien aber eher schädlich für die Alternativanlage Gold.

Dämpfend wirke auch die nach wie vor hohe Risikoneigung der Anleger, wie sie sich beispielsweise in den anhaltenden Aktienkäufen niederschlage. Dennoch rechnen die Commerzbank-Analysten bis Jahresende mit einem leicht höheren Goldpreis bei 1300 Dollar je Unze. Sie begründen das unter anderem mit einer robusten Nachfrage aus Asien, weiter lockerer Geldpolitik großer Notenbanken und der Anlegernachfrage.

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