
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat Griechenland etwas Luft eingeräumt und einen kurzen Zahlungsaufschub gewährt. Eigentlich hätte Athen am Freitag 300 Millionen Euro an den IWF zahlen müssen, nun darf das schuldengeplagte Land alle im Juni fälligen Zahlungen gebündelt überweisen. Offenbar will das griechische Finanzministerium die knapp 1,6 Milliarden Euro am 30. Juni überweisen.
Trotz dieser kleinen Ruhepause im Griechen-Poker atmen die Börsen nicht auf. Die drohende Staatspleite des Mittelmeer-Anrainers drückte die europäischen Aktienmärkte am Freitag ins Minus. Auch die Aufwertung der Gemeinschaftswährung in den vergangenen Tagen setzte den Indizes zu, weil höhere Euro-Kurse Waren europäischer Firmen auf dem Weltmarkt weniger wettbewerbsfähig machen.
Griechenlands Zahlungsverpflichtungen 2015
Die griechische Regierung muss in diesem Jahr noch rund 17 Milliarden Euro an Krediten und Zinsen zurückzahlen. Der größte Batzen entfällt dabei mit rund 8,1 Milliarden Euro auf den Internationalen Währungsfonds (IWF). Daneben stehen Zahlungen an die Europäische Zentralbank (EZB), private Gläubiger sowie die Partner aus der Eurozone aus. Ungeachtet der Verlängerung des Hilfsprogramms mit den Euro-Partnern ist bisher unklar, wie Finanzminister Yanis Varoufakis die Mittel aufbringen will. Vor allem im Juli und August stehen Rückzahlungen über mehrere Milliarden Euro an. Es folgt eine Auflistung darüber, was Griechenland in welchem Monat dieses Jahres zahlen muss.
Rundungsdifferenzen möglich, Quelle: Eurobank Athen, eigene Berechnungen (Reuters)
Rund 1,5 Milliarden an den IWF, 75 Millionen Zahlungen an andere - insgesamt rund 1,6 Milliarden Euro.
450 Millionen an IWF, 275 Millionen an Zinsen - insgesamt rund 0,7 Milliarden Euro.
750 Millionen plus 196 Millionen an IWF, sowie 77 Millionen für bilaterale Kredite - insgesamt rund 1 Milliarden Euro.
1,5 Milliarden an IWF plus 280 Milliarden an EZB und andere - insgesamt 1,7 Milliarden Euro.
450 Millionen an IWF, 3,5 Milliarden an EZB, 700 Millionen an Zinsen für EZB - insgesamt rund 4,8 Milliarden Euro.
Rund 170 Millionen an IWF, 3,2 Milliarden an EZB und andere Notenbanken, 190 Millionen an Zinsen - insgesamt rund 3,7 Milliarden Euro.
1,5 Milliarden Euro an IWF.
450 Millionen an IWF, 200 Millionen an andere - insgesamt 0,65 Milliarden Euro.
150 Millionen an IWF, 77 Millionen bilaterale Kredite - rund 0,23 Milliarden Euro
1,1 Milliarden Euro an IWF.
Der Dax lag am Freitag mehr als ein Prozent im Minus, zwischenzeitlich rutschte der Leitindex auf unter 11.175 Punkte. An den anderen Börsen in Europa ist das Bild ähnlich trüb, in Athen rutschte der Leitindex um 3,4 Prozent ab. Auch der Euro lag zunächst im Minus, drehte dann aber wieder leicht um 0,2 Prozent ins Plus.
Neben Griechenland verunsichert Anleger am Freitag der US-Arbeitsmarktbericht, welcher am Nachmittag veröffentlicht wird. Dieser könnte Signale liefern, wann die US-Notenbank Fed die Zinsen erhöht. Zuletzt hatte Fed-Chefin Janet Yellen erklärt, der Arbeitsmarkt sei noch nicht stabil genug für eine schnelle Zinswende.
Für Griechenland mag der Aufschub gut sein, für die Stimmung an den Börsen ist er fatal. Eigentlich bräuchten Anleger endlich mehr Sicherheit, eine Lösung des Schuldendramas müsste her. Doch die liegt nun in weiter Ferne. Die Regierung in Athen hält die Vorschläge der Geldgeber zur Lösung der Krise für inakzeptabel und will die im Juni fälligen Zahlungen erst am Monatsende begleichen. Ohne eine Einigung mit den Gläubigern droht Griechenland die Staatspleite.
Börse
Ob am Monatsende der fällige Betrag an den IWF gezahlt werden kann, ist unklar, die Zweifel sind groß: "Die Wahrscheinlichkeit für einen Grexit ist erheblich angestiegen", sagt Martin Moryson, Chefvolkswirt bei Sal. Oppenheim. Zwar sei der politische Wille, Griechenland in der Eurozone zu halten, sehr groß. Dennoch gebe es noch viele potenzielle Bruchstellen. Moryson geht davon aus, dass ein Schuldenschnitt für Griechenland sich mittelfristig kaum vermeiden lassen wird. Zudem werde die Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) als Geldgeber immer wichtiger, die Notenbank komme dadurch "sehr nah an die verbotene Staatsfinanzierung".
Die EZB selber hatte zuvor die Märkte kräftig durcheinander gewirbelt. EZB-Chef Draghi hatte erklärt, die Investoren müssten mit den schwankenden Märkten selber zurecht kommen, die Zentralbank werde nicht eingreifen. Im Anschluss kam es zu einem weiteren Ausverkauf an den Anleihemärkten, weltweit fielen die Kurse am Donnerstag zurück. In Deutschland näherte sich der Zins für zehnjährige Bundesanleihen mit großen Schritten wieder der Marke von 1 Prozent. Erst Mitte April war er auf ein Rekordtief von 0,05 Prozent gefallen. Auch im übrigen Europa, in Asien und in den USA hielt der Rendite-Anstieg der vergangenen Tage an.
Die jüngste Episode folgt auf einen ersten Ausverkauf von Mitte April bis Anfang Mai. Damals war von einem „Anleihe-Crash“ die Rede.
Insgesamt werden Griechenland und die EZB die Märkte wohl auch in den kommenden Wochen in Atem halten, Anleger haben kaum Aussicht auf Beruhigung.