Hauptversammlungen 21 HVen an einem Tag. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Bei 21 Hauptversammlungen gleichzeitig ist das Chaos vorprogrammiert. Quelle: Getty Images

Mitte Mai finden an einem einzigen Tag enorm viele Hauptversammlungen statt. Hofft manch ein Unternehmen darauf, dass sich kritische Aktionäre auf ein Dax-Dickschiff fokussieren?

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Die Berichtssaison für das Geschäftsjahr 2022 ist in vollem Gange. Aktionäre, die ihr Stimmrecht auf Hauptversammlungen (HVen) wahrnehmen wollen, haben viel zu tun. Die Termine, die im Mai angesetzt sind, sind allerdings schlicht nicht alle zu schaffen. Das gilt ganz besonders für einen bestimmten Tag: Mittwoch, den 17. Mai. Für diesen Tag stehen 21 HVen kleiner und großer Unternehmen aus der Dax-Familie im Kalender.

Unter den Unternehmen, die am 17. Mai ihre HV abhalten, sind viele große Namen. Zwischen Wacker Chemie, Fresenius und E.On springt aber ein Unternehmen besonders ins Auge: die Deutsche Bank. Deutschlands größtes Geldhaus bündelt mit seiner HV traditionell viel Aufmerksamkeit. Im vergangenen Jahr etwa kritisierten bei dem Termin mehrere Aktionärsverbände, dass die Deutsche Bank noch immer viel Geld an Kunden aus dem Bereich der fossilen Energien ausreicht. Hat manch ein Unternehmen seinen HV-Termin womöglich mit Absicht auf den Tag gelegt, an dem auch die Deutsche Bank ihre HV abhält?

Immobilienriesen im Visier

Der Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre, bekannt für scharfe Redebeiträge und öffentlichkeitswirksame Aktionen auf HVen, wird am 17. Mai mit der Deutschen Bank und E.On gut beschäftigt sein. Co-Geschäftsführer Tilman Massa findet die HV-Häufung an diesem Tag ungünstig – und fragt sich, warum mit LEG Immobilien und Vonovia ausgerechnet zwei Wohnungsbaukonzerne ihre HVen auf den 17. Mai gelegt haben. Die Unternehmen stehen unter Druck: durch die Zinswende, höhere Bau- und Energiekosten und durch die Politik, die den Wohnraummangel nicht in den Griff bekommt. Massa will daher, Deutsche Bank hin oder her, bei Vonovia und LEG genau hinschauen.

Die Immobilienriesen weisen den Verdacht, sich mit ihren HVen hinter der Deutschen Bank zu verkriechen, zurück. „Es gibt hier entschlossen keinen Zusammenhang“, sagt eine Sprecherin von LEG. Der Termin sei ein Jahr im Voraus festgelegt worden und hänge von mehreren Faktoren ab, etwa von Feiertagen, Schulferien und Bankfeiertagen sowie vom Terminkalender des Vorstands und der Aufsichtsratsmitglieder. Und: von der Verfügbarkeit einer geeigneten Location. Bei LEG findet die HV dieses Jahr in Präsenz statt.

Das letzte Argument entfällt bei Vonovia. Der Konzern führt seine HV nach wie vor virtuell durch, obwohl die Pandemie vorbei ist. Eine Sprecherin teilt mit: Man habe keinen Einblick in die Planung anderer Unternehmen – und die HV-Termine seien bereits im Juli 2018 bis ins Jahr 2025 festgelegt worden. „Unser Ziel ist es, eine transparente Hauptversammlung mit einer möglichst hohen Teilnahmequote unserer Anteilseignerinnen und Anteilseigner durchzuführen“, so die Sprecherin.

Schneller schlau: Diese Bilanzbegriffe sollten Sie kennen

In börsennotierten Unternehmen legt der Vorstand den Termin für die Hauptversammlung fest. Laut Aktiengesetz muss diese spätestens acht Monate nach Ende des Geschäftsjahres stattfinden. Bei europäischen Aktiengesellschaften mit der Rechtsform Societas Europaea (SE) beträgt dieser Zeitraum sechs Monate. Sechs bis acht Monate also. Warum knubbelt es sich im Mai? 

Das Deutsche Aktieninstitut (DAI), das die Interessen börsennotierter Gesellschaften vertritt, sagt: Weil die HV idealerweise zeitnah nach Vorliegen des Jahresabschlusses stattfinden soll, der in den ersten drei Monaten nach Beginn des neuen Geschäftsjahres veröffentlich werden muss. Ein früher HV-Termin liege auch im Interesse der Aktionäre, weil die HV über die Dividendenausschüttung entscheidet, argumentiert Sven Hemeling, Rechtsexperte beim DAI.

Kein Vorteil der virtuellen HV

Großkampftage wie den 17. Mai gab es auch in der Vergangenheit, wenn auch selten mit mehr als 20 Terminen zugleich. Wegen der vielen Aktiengesellschaften in Deutschland und der Kriterien für die Terminauswahl dürfte sich daran in Zukunft kaum etwas ändern, sagt Hemeling. Für Aktionäre ist das unbefriedigend. Auch, weil so einer der wenigen Vorteile einer virtuellen Hauptversammlung nicht zum Tragen kommt.

„Die Befürworter der virtuellen HV haben immer gesagt: Wir können einen breiteren Kreis an Aktionären einbeziehen“, sagt Markus Kienle, Vorstand der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). „Das machen die Unternehmen zunichte, wenn sie ihren HV-Termin auf einen Tag legen, an dem alle anderen auch ihre HV haben.“ Dem Argument des DAI, Aktionäre könnten durch die Übertragung via Internet an mehr HVen teilnehmen als früher, mag Kienle nicht folgen: Das helfe nicht, wenn die Termine gleichzeitig stattfinden. „Ich habe einmal zwei virtuelle HVen parallel verfolgt. Das ist kein Spaß.“

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HV-Häufungen wie am 17. Mai könnten in Zukunft noch zunehmen, befürchtet der SdK-Vorstand. Grund dafür sei eben die Möglichkeit, die HV virtuell stattfinden zu lassen: „Wenn man keine physischen Räume anmieten muss, eröffnet das Unternehmen die Chance, HVen deutlich taktischer zu terminieren“, so Kienle. Seit Einführung der virtuellen HV häuften sich die Dopplungen von HV-Terminen. „Das konterkariert die Idee dahinter.“ 

Für dieses Jahr will Kienle keinem konkreten Unternehmen Taktik unterstellen bei der Wahl des HV-Tags. Dass aber ausgerechnet am Tag des Deutsche-Bank-Termins so viele andere HVen sind? „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.“

Lesen Sie auch: Warum nach LEG noch mehr Immobilienkonzerne die Dividende streichen dürften

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