Hauptversammlungen Hartnäckig bleiben lohnt sich für Anleger

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Wer Aktien an ausländischen Firmen, wie dem Möbelkonzern Steinhoff hält, muss sich früh kümmern, um bei wichtigen Entscheidungen abstimmen zu können, warnt Bank- und Kapitalmarktrecht-Experte Marc Liebscher.

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WirtschaftsWoche: Herr Liebscher, am 22. März führt der Möbelkonzern Steinhoff eine Hauptversammlung durch. Können Aktionäre dort in diesem Jahr wieder hin oder findet die Veranstaltung nur virtuell statt?
Marc Liebscher: Die Hauptversammlung wird in diesem Jahr als hybride Hauptversammlung stattfinden. Das begrüßen wir sehr, denn Aktionäre können somit sowohl von zuhause aus teilnehmen als auch direkt vor Ort in Präsenz.

Aktionäre deutscher Firmen erhalten in der Regel eine Einladung zur Hauptversammlung per Post oder finden sie im Posteingang ihrer Depotbank. Wie organisieren niederländische Firmen wie Steinhoff das?
Das hängt teilweise von der deutschen Depotbank ab. Die allermeisten informieren ihre Aktionäre jedoch nicht. Das heißt, man muss selbst aufpassen, wann eine Hauptversammlung stattfindet, die Unterlagen selbst anfordern und sich um die Anmeldung zur Teilnahme oder Stellvertretung kümmern.

Welche Unterlagen benötigen Aktionäre die in Deutschland gemeldet sind, um sich für die Hauptversammlung einer niederländischen Gesellschaft zu registrieren?
Man muss sich zur Steinhoff-Hauptversammlung anmelden und angeben, ob man zum Veranstaltungsort nach Amsterdam kommt oder virtuell teilnehmen wird. Man muss der Anmeldung einen entsprechenden Bestandsnachweis der Depotbank beifügen, aus dem Name, Adresse und Anzahl der am Stichtag 22.02.2023 gehaltenen Wertpapiere hervorgehen. 

Marc Liebscher ist Rechtsanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in der Kanzlei Dr. Späth & Partner und Vorstandsmitglied der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Quelle: PR

Den Bestandsnachweis stellt die Depotbank ohne Weiteres aus?
Den Bestandsnachweis muss die Depotbank ausstellen. Man sollte aber frühzeitig und gegebenenfalls hartnäckig danach fragen. Manche Banken versuchen nämlich wegen des damit verbundenen Aufwands, Kundenbitten  abzuwimmeln.

Was darf eine solche Bestätigung kosten?
Die Banken sind verpflichtet, eine Bestätigung auszustellen. Die Kosten dürfen sich im Bereich der Selbstkosten bewegen, die die Bank auch hat, wenn sie eine solche Bestätigung ausstellt. Bei den Direktbanken bewegen sich die Preise hierfür zwischen 5 und 20 Euro. Das ist in Ordnung. Manche Banken nehmen auch 50 Euro, das ist auch noch vertretbar. Wir haben aber auch schon von Banken gehört, die 500 Euro verlangt haben. Das ist nicht nachvollziehbar und sollte so nicht hingenommen werden.

Wie lange dauert es dann bis die Bankbestätigung vorliegt, wann müssen sich die Aktionäre also um die Unterlagen kümmern?
Im Zusammenhang mit der Steinhoff-HV sollte das schnellstmöglich geschehen. Manche Banken benötigen zur Ausstellung der Bankbestätigung mehre Tage, manchmal gar ein oder zwei Wochen. 

Beobachten Sie da Unterschiede? Geht es also vielleicht bei einer Direktbank schneller als bei der Sparkasse?
Die Neobroker sind hier meist am unerfahrensten. Dort dauert es meist am längsten. Die Direktbanken sind meist schneller, aber Privatbanken und Sparkassen sind meistens die schnellsten.

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von Melanie Bergermann

Wann und wo müssen Aktionäre die Unterlagen dann vorlegen?
Für die Steinhoff-Hauptversammlung müssen Anmeldung und Bankbestätigung bis zum 15. März um elf Uhr per Mail beim Abwickler Computershare eingereicht werden, auch Anmeldestelle genannt. Sofern man einen Dritten mit der Vertretung der Stimmen bevollmächtigen will, also nicht selbst an der Hauptversammlung teilnehmen möchte, muss noch eine entsprechende Vollmacht zusätzlich übermittelt werden.

Wenn sich Aktionäre also nicht rechtzeitig kümmern, sind ihre Stimmen verloren?
Ja, wer sich nicht mit den nötigen Unterlagen bis zum 15. März anmeldet, hat keine Stimme. Aktionäre sollten also umgehend tätig werden.

Ist die Prozedur für einen Aktionär, der an einer Hauptversammlung in Frankreich oder den USA teilnehmen will, genauso wie in den Niederlanden? 
Sofern man Aktien hält, ist die Prozedur vergleichbar. Wobei es mit der Teilnahme in den USA meist noch komplexer ist. Die Prozesse zwischen Banken und Abwickler sind hier weniger eingespielt. Die Hauptversammlung der niederländischen Steinhoff Gruppe  wickelt Computershare ab, die auch viele deutsche Hauptversammlungen abwickeln. Man kennt sich also. Die Wege sind kurz.

Abstimmen können Aktionäre ja auch ohne extra nach Amsterdam zu reisen. Welche Möglichkeiten gibt es?
Man kann virtuell teilnehmen, dem Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft Weisungen zu den einzelnen Abstimmungspunkten erteilen oder auch eine Aktionärsvereinigung  beauftragen. Natürlich kann man auch jeden Dritten, der teilnimmt, mit der Vertretung seiner Stimmen bevollmächtigen.

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Wie können Aktionäre Fragen auf der Hauptversammlung stellen?
Die Einreichung von Fragen in englischer Sprache ist bis zum 15.03.2023 möglich. Diese Fragen werden während der Hauptversammlung beantwortet und nach der Hauptversammlung auf der Website des Unternehmens veröffentlicht. Weitere Fragen können während der Hauptversammlung vor Ort oder bei virtueller Teilnahme via Abstimmungsplattform gestellt werden.

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