Hauptversammlungen im Dax Das Ende „stalinistischer Zustimmungsquoten“

Hauptversammlung der Deutschen Bank Quelle: imago images

Die Aktionärspräsenz auf den Hauptversammlungen der Dax-Unternehmen hat in dieser Saison Rekordhöhe erreicht. Das ist gut so, denn Eigentum verpflichtet. Aber was steckt hinter dem gestiegenen Engagement der Aktionäre?

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Die Hauptversammlungssaison im Dax neigt sich dem Ende zu. Es fehlen nur noch Linde (26. Juli) und Dax-Neuling Wirecard (18. Juni). Die Dividenden wurden somit weitgehend ausgeschüttet, Vorstände und Aufsichtsräte zogen vor den Aktionären Bilanz.

Und die war gemischt: Gemessen am Indexverlauf war das Börsenjahr 2018 ziemlich mies. Der Dax-Kursindex, der im Gegensatz zum Dax-Performanceindex Dividenden nicht einrechnet, verlor im Jahresverlauf rund 21 Prozent. Allerdings schütteten die Dax-Konzerne für das abgelaufene Geschäftsjahr so viel aus wie nie zuvor. Insgesamt beläuft sich die Ausschüttungssumme auf gut 36 Milliarden Euro.

Erfreulich auch: Die Aktionärspräsenz auf den Hauptversammlungen steigt weiter, inzwischen zum vierten Mal in Folge. Das Düsseldorfer Beratungsunternehmen Barkow Consulting hat die Aktionärstreffen der Dax-Unternehmen analysiert. Demnach lag die Quote der auf den Hauptversammlungen angemeldeten Stammaktien im Durchschnitt bei 67 Prozent. Ein neuer Rekordwert und 1,1 Prozentpunkte mehr als in der der vergangenen Saison. Gegenüber dem Tiefstand von 2004 Prozent stieg die Quote gar um fast 50 Prozent.

Jeder Aktionär zählt

In Deutschland gibt es zwei Kategorien von Aktien: Inhaberaktien und Namensaktien. Inhaberaktien sind völlig anonym, die Besitzer werden nicht registriert, Aktienbestände werden bei einer Bank in das Kundendepot eingebucht. Besitzer von Namensaktien dagegen stehen mit Namen, Geburtsdatum und Anschrift (diese Daten kommen von der Bank) sowie einer Aktionärsnummer und der Stückzahl der gehaltenen Aktien in einem Register, das die AG oder ein von ihr beauftragter Dienstleister führt. Bisher haben 15 der 30 Dax-Unternehmen Namensaktien ausgegeben. Beide Aktiengattungen haben zu der positiven Entwicklung beigetragen. Die Präsenzquote bei den Namensaktien stieg um 1,5 Prozentpunkte und bei den Inhaberaktien um 0,7 Prozentpunkten.

Der Haupttreiber für den aufsteigenden Präsenztrend seien die verstärkten Bemühungen für eine verbesserte Corporate Governance-Kultur in der privaten Wirtschaft, sagt Wolfgang Schnorr von Barkow Consulting. Dadurch habe der Druck auf die dominierenden institutionellen Investoren zugenommen, die Stimmrechte der ihnen überlassenen Aktien nicht verfallen zu lassen, sondern tatsächlich auf der Hauptversammlung auszuüben. Hinzu komme der weltweite Trend zum passiven, indexabbildenden Investieren. Weil das Fondsmanagement eines Indexfonds keine Aktien verkaufen kann, bleibt ihm als einzige aktive Option die gezielte Einflussnahme auf das Indexmitglied, auch via Stimmrecht.

Historisches Desaster bei Bayer

Viele Dax-Unternehmen werden von ausländischen Eigentümern dominiert. Vor allem angelsächsische Fondsgesellschaften richten sich bei der Ausübung ihres Stimmrechts nach den Empfehlungen von Stimmrechtsberatern. Prominente Vertreter dieser Kaste sind etwa ISS und Glass Lewis. Bei Bayer waren sie maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Mehrheit der Bayer-Anteilseigner Vorstandschef Werner Baumann die Entlastung verweigerte – ein Novum in der Geschichte eines Dax-Unternehmens. Das war die Quittung für den Kauf des US-Saatgut- und Herbizidherstellers Monsanto für 63 Milliarden Dollar in bar. Eine noch größere Summe ging für Bayer-Aktionäre an der Börse den Bach runter, gemessen am Rekordhoch der Aktie 2015. Eigentlich hätte es Baumann besser wissen müssen: Als Finanzchef saß er mit am Tisch, als unter seinem Vorgänger Marijn Dekkers der Kauf von Monsanto geprüft, aber wegen zu hoher Risiken abgeblasen wurde.

Die Präsenz auf der Bayer-Hauptversammlung lag um 2,9 Prozentpunkte über dem Vorjahr. 55,5 Prozent verweigerten dem Vorstand die Entlastung, 33,6 Prozent dem Aufsichtsrat. Studieninitiator Schnorr: „Angesichts der noch bis vor kurzem jahrzehntelang üblichen „stalinistischen‘ Zustimmungsquoten wurde das als echte Sensation empfunden.“

Auch Enthaltungen signalisieren Nicht-Entlastung

Tatsächlich verschleiern die genannten Prozentsätze die tatsächliche Ablehnungsquote noch. Denn institutionelle Investoren setzen die Stimmenthaltung aus „taktischen“ Gründen häufig als verkappte Nein-Stimmen ein. Diese Enthaltungen fallen als ungültige Stimmen unter den Tisch. Gezählt werden nur die abgegebenen Ja-und Nein-Stimmen. Addierte man die Enthaltungen zu den Nein-Stimmen, dann wäre das Ergebnis noch verheerender ausgefallen für Vorstand (61,6 Prozent) und Aufsichtsrat (42,8 Prozent).

Die insgesamt steigende Präsenz wertet Schnorr durchweg positiv. Erstens trage sie dazu bei, dass wichtige Informationen ausgetauscht und zentrale Unternehmens- wie Personalentscheidungen von möglichst vielen haftenden Eigentümern beschlossen werden. Zweitens verringere sie die Wahrscheinlichkeit von sogenannten Zufallsmehrheiten durch aktive Minderheiten.

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