Hendrik Leber, Dirk Müller, Max Otte „Der Markt ist ein harter Gegner“

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Die wichtigste Lehre aus der Börse ist die Demut

Viele Privatanleger schauen auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis.
Müller: Das hat so gut wie keine Aussagekraft. Wenn ich ein KGV von 25 habe, mag das sehr hoch klingen. Hat das Unternehmen kein Wachstum, dann ist das auch hoch. Wächst das Unternehmen pro Jahr aber um zehn, 20 oder 30 Prozent, dann ist ein KGV von 25 lächerlich niedrig. Denn es schrumpft natürlich mit den Jahren.

Otte: Trotzdem stellt für uns aber 25 die Obergrenze dar, auch bei stark wachsenden Unternehmen. Da muss die Wachstumsphantasie dann wirklich zu groß sein.

Leber: Ja, aber da muss ich manchmal über meinen Schatten springen.

Müller: Ein guter Richtwert ist auch die PEG-Formel, also das Kurs-Gewinn-Verhältnis in Verbindung mit dem Wachstum. Unter eins ist super. Das bezieht sich zwar nur auf das nächste Jahr, gibt aber schon mal einen Anhaltspunkt. Das reine KGV ist mir zu statisch. Aber natürlich reicht es nicht aus, ein Unternehmen aufgrund einer Kennzahl zu bewerten, dann bräuchten wir alle den Job nicht zu machen.

Leber: Trotz all unserer Instrumente sind wir aber nicht unfehlbar. Mal schlagen wir den Markt, mal schlagen wir ihn nicht. Der Markt ist ein harter Gegner. Im Markt ist eben die gesammelte Intelligenz aller Teilnehmer versammelt…

Otte: …aber auch die gesammelte Dummheit.

Genau das macht es doch interessant.
Leber (lacht): Die Frage ist, auf welcher Seite bin ich gerade.

Müller: Die wichtigste Lehre aus der Börse ist die Demut. Die Demut, dass man dann am meisten auf die Nase bekommt, wenn man sich zu sicher ist. Wer sich für unfehlbar hält, wird Schiffbruch erleiden. Man muss seine eigenen Entscheidungen immer wieder hinterfragen.

Leber: Das typische am Value-Investor ist, dass er die Firmen auch haben möchte. Er ist kein Spekulant. Die entscheidende Frage ist: Wird meine Firma noch ein Geschäftsmodell haben, wenn die Welt zusammenbricht? Wird sie weiter Waagen produzieren, Software anbieten und so weiter? Wenn man sich anschaut, was im vergangenen Jahrhundert alles schief gegangen ist und wer alles durchgehalten hat, dann wissen Sie was ich meine. Man muss die Aktien mögen, die man als Value-Investor kauft. Auch wenn die Rendite nicht maximal ist. Wenn die Firma etwas taugt, dann trägt die mich durch jede Krise.

Müller: Man muss als Unternehmer denken, nicht als Anleger.

Als Unternehmer wie als Fondsmanager muss man auch Rückschläge einstecken. Wie laufen Ihre Fonds?
Otte: Mein Fonds ist in den letzten Monaten des vergangenen Jahres schlechter gelaufen als der Markt. Das hat auch zu einer Strategieänderung geführt. Wir haben mit den Zyklikern, den temporär unterbewerteten Aktien 2013 und 2014 sehr gutes Geld verdient, aber wir steuern jetzt auf eine etwas andere Welt um. Wir haben die Korrektur genutzt, um solche Positionen wie Fuchs oder Google aufzubauen, die dann auch sehr schnell wieder an ihr altes Bewertungsniveau rangekommen sind. In den letzten vier Monaten 2014 hat uns das aber erstmal richtig Rendite gekostet, die wir aber wieder aufgeholt haben. Jetzt sind wir wieder auf Kurs.

Herr Müller, Ihren Fonds gibt es ja erst seit April. Er ist leicht im Minus, läuft aber besser als der Vergleichsindex MSCI World Value.
Müller: Wir stehen momentan sehr gut da. Nach acht Wochen hat das natürlich noch keine Aussagekraft. Wir sind etwa 3,5 Prozent im Minus, der Dax hat in der gleichen Zeit zehn Prozent verloren und unser Vergleichsindex sieben Prozent.

Leber: Sie waren aber nicht voll investiert, man merkt die Kasse.

Müller: Wir haben ganz bewusst nicht voll investiert, weil ich davon ausgegangen bin, dass wir noch mal auf 10.800 Punkte im Dax zurückfallen. Deshalb hatten wir eine relativ hohe Cash-Quote von 30 Prozent. Das haben wir jetzt aber auf zehn Prozent reduziert. Aber wir spielen immer sofort die Absicherung bei zehn bis 15 Prozent unter dem jeweiligen Kaufkurs. Das machen wir über Optionen auf Indizes in den jeweiligen Bereichen. Und wir sichern mögliche Währungsschwankungen ab. Diese Absicherung ist mir sehr wichtig: Ich möchte an den Unternehmen beteiligt sein und nicht die Währungswetten mitgehen.

Absicherungen kosten aber und das geht auf Kosten der Rendite.
Müller: Die Optionen kosten uns ungefähr drei Prozent, dafür machen wir aber Abwärtsbewegungen nicht voll mit.  Wenn ich sehe, welche Schwankungen wir heute ertragen müssen, ist das überschaubar und es schläft sich dabei gut. Ob meine Strategie aufgeht, sehen wir dann in zehn oder 20 Jahren, aber sicher nicht nach acht Wochen.

Herr Leber, Ihr Fonds hat eine deutlich längere Historie.
Leber: Den Fonds gibt es seit 18 Jahren und er hat sich mehr als verfünffacht. Und natürlich hat es ziemliche Wellenbewegungen gegeben. Das zeigt, dass das langfristige Durchhalten trotz zwischenzeitlichem Stress sehr sinnvoll ist.

Value ist also nichts für schwache Nerven?
Otte: Überhaupt nicht. Börse insgesamt ist nichts für schwache Nerven. Uns treffen Krisen natürlich auch.

Leber: Seit 2008 läuft Value nicht mehr so gut. Wir Value-Leute liegen tendenziell hinter dem Markt. Das gilt auch für meinen Fonds. Letztes Jahr waren wir zwei Prozent schlechter als der Markt. Mittlerweile laufen wir besser. Das liegt auch daran, dass wir letztes Jahr unsere Strategie ein wenig angepasst haben und jetzt stärker nach Gewinnern suchen und Verlierer vermeiden. Wir haben das ganze Portfolio durchgesucht und nach auffälligen Kennzahlen gesucht. Bei Zweifeln flogen die Werte raus. Wir schauen jetzt nach den besten Spielern in jeder Branche.

Herr Leber, Herr Otte, Herr Müller, danke für das Gespräch.

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