Henkel und Sanofi Geld verdienen mit dem Schuldenmachen

Ersten privaten Unternehmen gelingt Außergewöhnliches: Sie leihen sich Geld und müssen dafür keine Zinsen zahlen. Im Gegenteil: Investoren zahlen sogar dafür, viele Millionen verleihen zu dürfen.

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Der deutsche Konsumgüter-Hersteller bot Bonds im Volumen von 500 Millionen Euro und einer Laufzeit bis 2018 an. Quelle: dpa

Die Niedrigzinspolitik und Wertpapierprogramme der Europäischen Zentralbank rütteln weiter an vermeintlichen Grundsätzen der Ökonomie. Schulden machen und dafür Geld bekommen – das ist jetzt auch für private Industrieunternehmen möglich.

Zwei Konzerne haben Anleihen auf den Weg gebracht, die vom Moment der Ausgabe mit einem negativen Zinssatz versehen sind. Der Waschmittel- und Konsumgüterkonzern Henkel beschafft sich unter anderem 500 Millionen Euro für zwei Jahre und hat diese Papiere mit einer Rendite von minus 0,05 Prozent platzieren können.

Investoren sind also bereit, dem Unternehmen Geld zu leihen und dafür zu bezahlen. Wer eine Million Euro zur Verfügung stellt, nimmt eine Einbuße von 500 Euro auf Jahressicht hin. Gleiches gelingt dem französischen Pharmakonzern Sanofi, der sich zu denselben Konditionen eine Milliarde Euro über drei Jahre leihen dürfte.

Trotz negativer Rendite kann eine Unternehmensanleihe mit negativer Rendite für Anleger attraktiv sein, da etwa Staatspapiere mit ähnlicher Laufzeit noch erheblich weniger abwerfen. Zweijährige deutsche Staatspapiere rentieren derzeit mit minus 0,69 Prozent. Bankeinlagen sind für Großinvestoren oft mit Strafzinsen belegt, da die Banken selbst überschüssige Einlagen bei der Europäischen Zentralbank nur zu einer Rendite von minus 0,4 Prozent parken können.

Niedrigzinsen: Das Dilemma der EZB wird nicht kleiner

Bislang haben nur Finanzinstitute und im Juli auch die Deutschen Bahn (minus 0,006 Prozent) Anleihen mit negativen Rendite begeben. Da die Bahn aber komplett dem deutschen Staat gehört, gelten ihre Papiere als Quasi-Staatsanleihen. Und auch der Bund konnte schon Anleihen erfolgreich mit negativem Zinssatz platzieren. Der Henkel-RivaleUnilever und der früher als GDF Suez firmierende französische Versorger Engie emittierten sogenannte Nullkupon-Titel mit einer Rendite von immerhin noch knapp über Null.

Profiteur der Geldpolitik

Henkel ist Profiteur der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Die EZB hat den Leitzins auf null Prozent gesenkt, den Einlagenzins auf minus 0,4 Prozent festgesetzt und ein 1,7 Billionen Euro schweres Kaufprogramm für Wertpapiere auf den Weg gebracht. Am Donnerstag tagt der EZB-Rat und eine Erweiterung des Programms könnte dort beschlossen werden.

Seit dem Sommer kauft die EZB auch Unternehmensanleihen auf. Damit will sie – wie mit den anderen Werkzeugen auch – erreichen, dass die Preissteigerung in der Euro-Zone sich wieder dem Ziel von knapp unter zwei Prozent annähert. Zuletzt hatte die Inflation bei 0,2 Prozent gelegen. Die EZB wehrt sich gegen heftige Kritik etwa deutscher Banken an der lockeren Geldpolitik. Die Zentralbank argumentiert, dass ohne die weitreichenden Maßnahmen eine Spirale fallender Preise drohe, die eine scharfe Rezession auslösen könnte.

Während Banken mit den Auswirkungen der negativen Zinsen auf ihre Erträge kämpfen, sollen die günstigen Zinsen die Investitionstätigkeit der Unternehmen antreiben und so zu Wirtschaftswachstum, steigenden Löhnen und kletternden Preisen führen. Henkel führt seine Anleiheplatzierung zu den außergewöhnlichen Konditionen allerdings auf die „hohe Kreditwürdigkeit und unseren hervorragenden Zugang zu den Kapitalmärkten“ zurück, so Henkel-Finanzvorstand Carsten Knobel.

Neu ist, dass schon bei der Ausgabe negative Renditen bei einer Anleihe gefordert werden können. Ältere Anleihen mit positivem Zinskupon sind an den Märkten aber schon so im Kurs gestiegen, dass mittlerweile 27 Prozent aller Firmenanleihen – die wie Henkel mit dem Gütesiegel „Investment Grade“ ausgezeichnet sind – für Anleger bereits ein Verlustgeschäft sind.

So manipulieren Notenbanken den Markt

Henkel begibt noch drei weitere Papiere: eines über 700 Millionen Euro und fünf Jahre Laufzeit zu 0,0 Prozent Rendite sowie eine Dollar-Anleihe (drei Jahre Laufzeit, 1,5 Prozent) und eine Pfund-Anleihe (sechs Jahre Laufzeit, 0,875 Prozent). Die Transaktionen brachten BNP Paribas, Deutsche Bank und JP Morgan als Konsortialführer auf den Markt.

Unternehmen außerhalb der Finanzbranche haben in diesem Jahr bereits Anleihen über fast 190 Milliarden Euro emittiert, mehr als jemals zu diesem Zeitpunkt im Jahr seit der Euro-Einführung im Jahr 1999, zeigen Daten des Finanzinformationsdienstes Bloomberg. Im gesamten Vorjahr war der Rekordwert von 230 Milliarden Euro erzielt worden, der dieses Jahr wohl mit Leichtigkeit übertrumpft werden dürfte.

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