Herabstufung Chinas Moody's' Schlag gegen das Riesenreich

Reformstau, Schuldenberg und Wachstumsschwäche: Erstmals seit 1989 hat die Ratingagentur Moody's die chinesischen Kreditwürdigkeit gesenkt. Das schickt die Märkte auf Talfahrt – und weckt Zweifel an der Zentralregierung.

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Tokio/Shanghai Die Rating-Agentur Moody's hat die Kreditwürdigkeit Chinas erstmals seit 1989 heruntergestuft. Die Analysten verwiesen am Mittwoch zur Begründung auf ein langsameres Wachstum der weltweit zweigrößten Volkswirtschaft und eine steigende Verschuldung, außerdem auf fehlende Reformen der Behörden.

Moody's senkte die Bonitätsnote um eine Stufe von Aa3 auf A1. Das ist die fünftbeste Bewertung der Rating-Agentur, wie sie zum Beispiel auch Japan hat. A1 steht für eine sichere Geldanlage, sofern keine negativen Überraschungen auftauchen. Nach dem Schritt setzte Moody's den Ausblick auf „stabil“, womit keine direkte weitere Abwertung zu erwarten ist. Auch Standard & Poor's (S&P) könnte die Kreditwürdigkeit Chinas bald schlechter einschätzen; noch liegt die Volksrepublik auf der viertbesten Stufe, allerdings mit einem negativen Ausblick.

Die Herabstufung ist weit mehr als eine technische Entscheidung. Schlechtere Ratings erhöhen in der Regel die Refinanzierungskosten am Kapitalmarkt. Und sie werden als Zeichen eines gesunkenen Vertrauens in die politische Führung gewertet – was die chinesischen Anleger angesichts des Herrschaftsanspruchs der Kommunistischen Partei besonders beunruhigen dürfte.

Nach Handelseröffnung ging es an den chinesischen Börsen auf breiter Front abwärts. So fiel der Shanghai-Composite-Aktienindex zu Handelsbeginn um ein Prozent und erlebte damit einen der größten Tagesabstürze in diesem Jahr. Der Technologieindex Shenzhen Composite fiel um ganze 2,12 Prozent. Für den Mischindex CSI 300 ging zunächst um 0,8 Prozent abwärts, auch am Finanzlatz Hongkong gaben die Kurse nach. Der MSCI-Index für asiatische Aktien außerhalb Japans verlor 0,2 Prozent. Im weiteren Handelsverlauf stabilisierten sich die Kurse zum Teil wieder.

„Moody's China-Entscheidung dürfte weitere Bonitäts-Abwertungen bei chinesischen Unternehmen zur Folge haben, vor allem bei staatlichen Unternehmen“, kommentierte Analyst Sun Hung Kai von Financial Ltd. in Hongkong. „Das wird die Refinanzierungskosten in die Höhe treiben und die Aktienkurse belasten.“ Auch Chinas Landeswährung, der Yuan, gab nach und lag im chinesischen Handel zwischenzeitlich 0,11 Prozent niedriger. Der Kurs wird allerdings innerhalb einer gewissen Schwankungsbreite von der Zentralbank festgelegt.

An anderen asiatischen Handelsplätzen wurde die Herabstufung Chinas aufmerksam registriert. Beim wichtigen Handelspartner Australien sank der Wert der Landeswährung zunächst deutlich. Auch eine Reihe an Rohstoffpreisen gaben nach, angeführt vom Minus beim Eisenerz-Preis von 2,33 Prozent .

Die Tokioter Börse allerdings erwies sich am Mittwoch als zu robust, um sich von der Abwertung die Laune verderben zu lassen. Der japanische Nikkei-225-Index stieg um 0,7 Prozent auf 19 742,98 Yen. Denn ein etwas schwächerer Yen und ein möglicher Aufschwung der Weltkonjunktur und damit der Nachfrage aus dem Ausland verbessern die Aussichten für Japans Exporteure. Der deutlich kleinere südkoreanische Aktienmarkt legte sogar ein neues Rekordhoch aufs Parkett: Der Kospi stieg leicht auf 2314 Punkte. Denn die Analysten gehen bisher davon aus, dass die Firmengewinne der sehr exportabhängigen Wirtschaft im Einklang mit der Weltkonjunktur weiter steigen werden.


Die Pekinger Zentralregierung kritisiert den Schritt

Der Grund für die Ruhe an anderen Asien-Börsen ist nicht, dass die Anleger in Fernost die Risiken in China nicht sehen. Oberflächlich betrachtet scheine Chinas Wirtschaft stabil zu sein, urteilten jüngst die Ökonomen von Barclay’s Capital in Japan, aber sie stehe weiterhin vor einer starken Anpassung, „vor allem im Immobilien und Kreditmarkt“. So wächst die Sorge, dass Chinas Wirtschaft leicht abbremsen könnte. Izumi Devalier, Volkswirtin der Bank of America Merril Lynch, erwartet, dass dieser Trend in der zweiten Jahreshälfte deutlicher werden wird.

Noch glauben viele Anleger in Asien daran, dass Chinas Regierung ihre Wirtschaft wie bisher weiter kontrollieren kann. Das betont auch die chinesische Führung – die sich gegen das aus ihrer Sicht unangebrachte Urteil wehrte. Das Finanzministerium in Peking warf Moody's eine verfehlte Methodik vor, bei der ein „pro-zyklischer Ansatz“ verfolgt werde. Zudem unterschätze die Ratingagentur die Fähigkeit Chinas, wirtschaftliche Strukturreformen durchzuführen. Derartige Reformen, die auch der Öffnung der chinesischen Wirtschaft zugute kommen können, erachten Ökonomen als entscheidend für das künftige Wachstumspotenzial. Das Finanzministerium sieht zudem keine nennenswerte Änderung in seiner Einschätzung der Schuldenlage.

Das sieht Moody's anders: Die Ratingagentur erwartet, dass die staatliche Schuldenquote, also die Staatsverschuldung im Verhältnis zum Wirtschaftswachstum, bis zum Ende des Jahrzehnts graduell ansteigen werde. Mit 45 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) werde die direkte Staatsverschuldung dann auf dem Niveau anderer Länder, die ähnlich wie China bewertet sind, liegen. Auch die indirekte Staatsverschuldung, etwa über die Lokalregierungen, sowie die Verschuldung der Haushalte und der staatseigenen Betriebe werde weiter steigen.

Positiv verweist die Ratingagentur dagegen zum einen auf die schiere Größe und das schnelle Wachstum der chinesischen Volkswirtschaft. Zum anderen werden die hohen Ersparnisse der Haushalte und der immer noch riesige Devisenberg des Landes genannt. Dieser ist seit Mitte 2014 zwar um eine Billion US-Dollar geschrumpft, beträgt aber immer noch rund drei Billionen Dollar. Dies gebe der Notenbank reichlich Spielraum zur Stabilisierung der Landeswährung und zur Vermeidung von Kapitalflucht.

China soll dieses Jahr ein Wachstum von 6,5 Prozent erzielen. 2016 waren es 6,7 Prozent. Das ist viel für europäische Verhältnisse, aber in China der geringste Zuwachs seit über einem Vierteljahrhundert. Die Regierung braucht ein hohes Wachstum, um die Armut zu bekämpfen und soziale Unruhen zu vermeiden. Lange wurde die Wirtschaft von der Industrie getragen, doch mittlerweile sind einige andere asiatische Länder für weltweit aufgestellte Konzerne günstigere Produktionsstandorte. Die Regierung in Peking will deswegen den Konsum im eigenen Land ausbauen und setzt verstärkt auf den Dienstleistungsbereich. Dafür nimmt sie auch ein schwächeres Wachstum in Kauf.

Der Umbau der Wirtschaft hängt stark an staatlichen Konjunktur- und Kreditprogrammen. Deren Kehrseite ist die sehr hohe Verschuldung: Rechnet man alles zusammen, summieren sich die Verbindlichkeiten in China auf fast 300 Prozent der Wirtschaftskraft. Viele Ökonomen erwarten, dass die Regierung den chinesischen Banken irgendwann helfen muss: Dann werde unweigerlich auch die direkte Verschuldung auf der obersten staatlichen Ebene zunehmen, sagte Julian Evans-Pritchard, Chef-Ökonom beim Finanzhaus Capital Economics in Singapur. Neben dem Abbau von Risiken bei Banken werde es wohl auch Restrukturierungen bei staatlichen Konzernen geben müssen, ergänzte Ökonom Vishnu Varathan von der Bank Mizuho.

Moody's geht angesichts der Probleme davon aus, dass die Finanzkraft Chinas in den kommenden Jahren nachlassen dürfte. „Auch wenn der laufende Fortschritt bei den Reformen wahrscheinlich mit der Zeit die Wirtschaft und das Finanzsystem verändern, dürften sie einen spürbaren Anstieg der Verschuldung nicht verhindern, und den damit verbundenen Anstieg der Ausfallhaftung der Regierung.“

Die Führung in Peking hat die Eindämmung von Finanzrisiken und die Verhinderung von spekulativen Preisblasen zu einer der Prioritäten in diesem Jahr erklärt. Eine erneute Herabstufung der chinesischen Bonität – etwa von anderen Ratingagenturen – wäre hierbei ein herber Rückschlag.

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