Höhenflug der Bundesanleihen Umlaufrendite erstmals negativ

Das hat es noch nie gegeben: Erstmals verdient der deutsche Staat unterm Strich Geld mit dem Schuldenmachen. Und ein Ende dieses Trends, der für Bürger wie ein Märchen klingt, ist nicht in Sicht.

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Eine deutsche Euromünze mit der Abbildung des Bundesadlers steht auf einem Tisch: Der Bund verdient nun unterm Strich mit Schuldenmachen Geld, die Umlaufrendite ist erstmals negativ. Quelle: dpa

Schon seit Jahren profitiert der deutsche Staat bei der Schuldenaufnahme von sehr niedrigen Zinsen. Doch dieser Tage dürfte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) seinen Augen kaum trauen: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ist die sogenannte Umlaufrendite in den negativen Bereich gefallen. Nach Angaben der Bundesbank rutschte die Umlaufrendite von plus 0,1 Prozent am Freitag auf minus 0,2 Prozent.

Jeden Werktag gibt die Deutsche Bundesbank per Fax die sogenannte Umlaufrendite bekannt. Die Zahl gibt die durchschnittliche Rendite, also quasi die Verzinsung, der im Umlauf befindlichen Staatspapiere mit einer Laufzeit von drei bis 30 Jahren wieder. Eigentlich handelt es sich um ein Standard-Fax, aber am Montag passierte etwas Ungewöhnliches: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik rutschte die Rendite in den negativen Bereich, auf minus 0,02 Prozent. Im Klartext heißt das: Statt für die Schuldenaufnahme Zinsen zahlen zu müssen, bittet der Staat die Gläubiger zur Kasse. Und: Je mehr sich der Staat leiht, desto mehr verdient er. Beim Finanzministerium in Berlin will man die Entwicklung nicht kommentieren.

Mittlerweile werden alle Bundesanleihen mit einer Laufzeit von bis zu neun Jahren im negativen Bereich gehandelt. Die Spanne reichte zum Beginn der Woche von minus 0,529 Prozent in der Laufzeit von einem Jahr bis zur Rendite von minus 0,064 Prozent in der neunjährigen Laufzeit. Nur bei Papieren mit Laufzeiten von zehn bis 30 Jahren liegen die Zinssätze noch im positiven Bereich - wenn auch mittlerweile deutlich unter der Marke von einem Prozent.

Das bedeutet: Im Schnitt verdient der Fiskus mit der Schuldenaufnahme Geld. Eine extrem lockere Geldpolitik rund um den Globus, schlechte Signale aus den USA und die Angst vor einem Brexit zeigen Wirkung. Doch Grund zum Jubeln haben die Deutschen deshalb nicht.


Kein Grund zum Jubeln

Was für den Bürger nach einem Märchen klingt, ist für den Staat Realität. Das liegt vor allem an der extrem lockeren Geldpolitik der wichtigsten Notenbanken der Welt mit Negativzinsen und milliardenschweren Anleihekäufen. Rund um den Globus befinden sich die Leitzinsen auf Rekordtiefs und drücken dadurch die Renditen in den Keller. Und zu allem Überfluss sind dieser Tage auch noch Spekulationen geplatzt, es könnte bald wieder in eine andere Richtung gehen.

Denn an den Finanzmärkten ist man sich einig: Die einzigen, die eine weltweite Abkehr von den Niedrigzinsen ernsthaft vorantreiben könnten, sind die mächtigsten Währungshüter der Welt bei der US-Notenbank Fed. Immerhin hatten sie im Dezember erstmals seit der Finanzkrise die Zinsen von der Nulllinie angehoben. Zuletzt hatten Experten und Anleger denn auch auf eine weitere Zinsanhebung in Kürze spekuliert. Doch dann kam der jüngste Arbeitsmarktbericht aus den USA am Freitag, der düsterer kaum hätte sein können.

Im Mai wurden in den USA so wenige Jobs geschaffen wie seit fast sechs Jahren nicht mehr. In diesem wirtschaftlichen Umfeld werde die Fed bei der Zinswende kaum weiter vorpreschen, heißt es nun an den Finanzmärkten. Eine Zinsanhebung bei der kommenden Sitzung diesen Monat sei „voraussichtlich vom Tisch“, sagt Thomas Gitzel von der Liechtensteiner VP Bank.

Und dann ist da auch noch der Brexit. Das Risiko eines Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) ist zuletzt gestiegen, denn jüngste Umfragen sehen die Brexit-Befürworter vorne. Das macht die Anleger nervös, treibt sie in als sicher geltende Staatspapiere und drückt dadurch zusätzlich ganz besonders auf die deutschen Renditen.

Angesichts der Gefahren eines möglichen Brexit auch für Deutschland scheint es geradezu paradox, dass der Fiskus bei der Schuldenaufnahme von der derzeitigen Gemengelage profitiert. Aber Grund zum Jubeln haben die Deutschen wegen der Niedrigzinsen ohnehin nicht.

Denn des einen Freud ist des anderen Leid. Während sich Schuldner in Zeiten niedriger Zinsen billig Geld leihen können, leiden alle diejenigen, die Geld auf die hohe Kante legen wollen. Von einer „Enteignung der Sparer“ sprechen daher Kritiker der lockeren Geldpolitik. Die Altersvorsorge wird schwieriger und institutionelle Anleger wie Versicherungen ächzen, denn sie haben Schwierigkeiten, bestehende hohe Zinsversprechen aus Vorkrisenzeiten zu erwirtschaften.

Und ein Ende ist nicht in Sicht. An den Finanzmärkten fragt man sich: Wenn schon die Amerikaner nicht die Zinsen anheben, wer denn dann? Mit der Europäischen Zentralbank (EZB) ist dabei jedenfalls nicht zu rechnen. Nach der jüngsten Zinsentscheidung Anfang des Monats verkündete EZB-Chef Mario Draghi, die Zinsen dürften für längere Zeit auf dem aktuellen oder sogar auf einem niedrigeren Niveau bleiben. Und: Statt eine Anhebung in Aussicht zu stellen, betonte Draghi, dass man für den Notfall sogar noch weitere geldpolitische Lockerungen in petto habe.

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