Uli Hoeneß könnte mit sich im Reinen sein, in seiner Villa am Westufer des Tegernsees: Der Ex-Nationalstürmer hat es zu viel Wohlstand und noch mehr Ansehen gebracht. Sein Privatvermögen liegt wohl im zweistelligen Millionenbereich; er besitzt eine florierende Wurstfabrik und hat als Manager den Wert des FC Bayern von wenigen Millionen Mark auf eine Milliarde Euro gesteigert.
Doch fallen die Worte „Borussia“ und „Dortmund“, verfinstert sich seine Miene umgehend. Neben sportlichen Demütigungen durch den Rivalen wurmt den Charakterkopf ein privates Investment: In einer schwachen Minute habe er sich zum Kauf Tausender BVB-Aktien hinreißen lassen und „viel Geld verloren“ so Hoeneß, „die kann ich mir jetzt an die Wand kleben“.
Damit ist der Freund klarer Worte („gegen Oskar Lafontaines Palast ist mein Haus sozialer Wohnungsbau“) in bester Gesellschaft: Viele Superreiche, von denen Normalanleger annehmen, sie seien besser beraten und daher erfolgreicher, liegen mit ihren privaten Investments daneben.
Uli Hoeneß | ||||
Vehikel | Ziel (Aktie [Branche]) | Wertentwicklung (Prozent)¹ | Zeitraum | Chance/Risiko |
privat | Borussia Dortmund (Fußball) | – 71 | 10/2000 bis heute | 8/7 |
Seit Beinahe-Pleite 2005 wird solide gewirtschaftet: zuletzt 41 Millionen Euro Gewinn (Ebit), Aktie noch günstig. | ||||
¹ zum Teil geschätzt, Quelle: BaFin, Venture Capital Magazin, „Bild“, eigene Recherche |
Millionen in Biotech versenkt
BMW-Erbe Stefan Quandt fährt mit einer Logistikfirma Millionenverluste ein. SAP-Gründer Dietmar Hopp versenkt 850 Millionen in Biotech, und Klinik-Gründer Lutz Helmig verspekuliert sich mit Airline-Aktien. Aber es gibt an der Börse auch Erfolgreiche unter den Reichen: Aktien, bei denen Selfmade-Milliardär Carsten Maschmeyer einstieg, legen oft zu. Bernadino Branca, Erbe des Magenbitter-Imperiums Fernet-Branca, managt Fonds , und dem Brasilianer Jorge Lemann gerät alles zu Gold, was er anfasst.
Bei welchen Investments aber lohnt es sich für Anleger, die Großen zu imitieren? Informationen darüber, welche Aktien die Millionäre kaufen, finden Anleger aus den Pflichtmitteilungen der Unternehmen; diese müssen laut Wertpapierhandelsgesetz publik machen, wenn ein Investor einen bestimmten Anteil an ihrem Aktienkapital über- oder unterschreitet. Meldungen dazu können über die Investor-Relations-Abteilungen der Unternehmen per E-Mail abonniert werden. Außerdem gibt es öffentlich zugängliche Datenbanken bei der Finanzaufsicht BaFin.
Stefan Quandt | ||||
Vehikel | Ziel (Aktie [Branche]) | Wertentwicklung (Prozent)¹ | Zeitraum | Chance/ Risiko |
Delton | Logwin (Logistik) | – 80 | 11/2002 bis heute² | 5/6 |
Logistikkonzern rutscht immer wieder in die roten Zahlen, bisher keine klare Strategie erkennbar, kein Kauf. | ||||
Horus Finanzholding | Wüstenrot & Württ. (Finanzen) | + 13 | 9/2012 bis heute | 5/6 |
Bausparsparte läuft gut, Baukredite und Versicherungen eher mau; keine Besserung in Sicht, kein Kauf. | ||||
Aton | Lufthansa (Flugverkehr) | – 31 | 1/2008 bis 12/2009 | 6/5 |
Sparprogramm wirkt, Gewinn steigt; doch dauerhaft helfen nur mehr Fluggäste und höhere Ticketpreise. | ||||
¹ zum Teil geschätzt; ² Einstieg in Thiel und Microlog; Quelle: BaFin, Venture Capital Magazin, „Bild“, eigene Recherche |
Mäßiger Erfolg
Wann immer in Deutschland von „den Superreichen“ die Rede ist, darf ein Name nicht fehlen: Quandt. BMW-Großaktionär Stefan Quandt wagt sich mit seinem Privatvermögen über seine Beteiligungsfirmen Delton und Aqton auch in andere Branchen vor – mit eher mäßigem Erfolg. 2002 kaufte Quandt die Spediteure Thiel und Microlog und fusionierte sie zu Thiel Logistik, die seit 2008 als Logwin firmiert. Quandt hält mehr als 80 Prozent der Aktien, mischt sich auch in Logwins Geschäftspolitik ein. So tauschte er seit 2003 zwei Mal den Vorstand. Doch das Unternehmen kommt nicht aus den roten Zahlen. Nach einem kleinen Gewinn 2011 schrieb Logwin 2012 erneut 69 Millionen Euro Verlust.
Der Logwin-Aktienkurs fiel von in der Spitze 50 Euro auf 1,10 Euro. Der Wert von Quandts Anteilen ist seit dem Kauf 2002 um 80 Prozent gefallen; Quandt ist bei Logwin mit rund 400 Millionen Euro im Minus. Sicher: Gemessen am Gesamtvermögen, ist das kaum mehr als „ein Fliegenschiss auf der glänzenden BMW-Motorhaube“, wie die „Börsen-Zeitung“ süffisant bemerkt. Neben Logwin und BMW hält Quandt Anteile an den Sicherheitstechnik-Spezialisten Datacard (nicht börsennotiert) und Gemalto (2006 fusioniert aus den Smartcard-Herstellern Axalto und Gemplus) sowie an Solarwatt, deren Anleihegläubiger gerade auf gut 20 Millionen Euro verzichten mussten.
Susanne Klatten: Karbon hui, Windkraft pfui
Während bei Solarwatt der Totalverlust droht, sind Gemalto und Heel, ein profitabler Hersteller homöopathischer Arzneien, die Gewinnposten in Quandts Bilanz. Der Kurs der französischen Gemalto, an der auch seine Schwester Susanne Klatten beteiligt ist, stieg allein in den vergangenen zwölf Monaten um über 45 Prozent.
Susanne Klatten hält außer BMW über die Vehikel SKion und Momentum Beteiligungen 20 Prozent an dem Windkraftanlagenbauer Nordex sowie knapp 28 Prozent am Karbonhersteller SGL Carbon. Der ist einen zweiten Blick wert: SGL Carbon ist neben einem US- und einem japanischen Konkurrenten weltweit der einzige Produzent nennenswerter Mengen industriell verwertbaren Karbons. Diesem wird von Materialkundlern und Ingenieuren eine glänzende Zukunft geweissagt: Wegen seiner Leichtigkeit bei hoher Zug- und Bruchfestigkeit gilt es als Baumaterial der Zukunft.
Masterplan erkennbar
Alles, was leicht und stabil sein soll, könnte bald zu hohen Anteilen aus Karbon bestehen: Karosserie- und Fahrwerkteile spritsparender Autos, Flugzeuge und Windrad-Rotorenblätter. So wird hinter Klattens drei Beteiligungen BMW und Nordex (Karbonabnehmer) sowie SGL (-hersteller) eine Strategie erkennbar: Der Zugang zum Werkstoff soll für die Firmen in Klattens Portfolio bezahlbar bleiben. Weitere 16 Prozent an SGL hält BMW; Klatten besitzt zusammen mit ihrem Bruder Stefan Quandt und ihrer Mutter Johanna Quandt rund 50 Prozent an dem Autobauer, sitzt dort im Aufsichtsrat. Mögliches Kalkül: Via BMW steigert Klatten ihren Einfluss bei SGL.
Besäße sie selbst die BMW-Anteile an SGL, müsste sie den anderen Aktionären ein Übernahmeangebot machen. Dagegen dürfte vor allem BMW-Konkurrent VW etwas haben, der 8,2 Prozent an SGL hält; der Maschinenbauer Voith hält neun Prozent.
Susanne Klatten | ||||
Vehikel | Ziel (Aktie [Branche]) | Wertentwicklung (Prozent)¹ | Zeitraum | Chance/ Risiko |
Skion | SGL Carbon (Karbon) | + 93 | 3/2009 bis heute | 8/6 |
Aktie nicht billig, aber langfristig als Karbon-Wette interessant; drin bleiben, an schwachen Tagen kaufen. | ||||
Skion, Ventus, Momentum | Nordex (Windenergie) | – 61 | 10/2008 bis heute | 7/6 |
Großaufträge haben den Kurs getrieben; Nordex braucht jedoch starke Partner, ist allein auf Dauer zu klein. | ||||
¹ zum Teil geschätzt; Quelle: BaFin, Venture Capital Magazin, „Bild“, eigene Recherche |
Klatten-Strategie mit langem Atem
Privatanleger mit langem Atem können die Klatten-Strategie nachbilden. Die SGL-Aktie ist zwar nicht billig, sie ist aber mehr als eine vage Wette auf die Zukunft: Dass sich Karbon durchsetzt, ist wahrscheinlich. Das zyklische Geschäft mit der Stahlindustrie (SGL erzielt den Großteil seiner Umsätze und Gewinne noch mit Grafitelektroden für Hochöfen, wenngleich die Karbonsparte schnell wächst) verhagelt aber von Zeit zu Zeit die Ergebnisse; Schwankungen müssen Anleger also aushalten.
Wie wohlhabende Deutsche ihr Geld anlegen
Befragt wurden 20 Vermögensverwalter und Privatbanken zur Geldanlage in Privatdepots mit mehr als 1 Mio. Euro liquidem Vermögen.
2012; Quelle: Datamonitor
des liquiden Vermögens fließen in Geldmarktfonds.
packen wohlhabende Deutsche in geschlossene Immobilienfonds.
des liquiden Privatvermögens der reichen Deutschen ist in ausländischen Staatsanleihen angelegt.
ihres liquiden Vermögens legen wohlhabende Deutsche in sonstigen Anlageformen an.
des liquiden Privatvermögens der Reichen in Deutschland liegen klassisch auf dem Tages- oder Festgeldkonto.
des liquiden Privatvermögens wohlhabender Deutscher sind in deutschen Staatsanleihen angelegt.
des liquiden Privatvermögens investieren die Reichen in Deutschland in Immobilien.
des liquiden Privatvermögens Wohlhabender fließen in Aktien.
und damit den größten Anteil ihres liquiden Privatmögens packen reiche Deutsche in Unternehmensanleihen.
Zu den schillerndsten deutschen Multimillionären gehört Carsten Maschmeyer; „Selfmade: erfolg/reich/leben“ lautet wenig bescheiden der Titel seiner Autobiografie. Der Ex-Großaktionär des Strukturvertriebs AWD verkaufte 2007 seine rund 30 Prozent am AWD für 300 Millionen Euro an den Versicherungskonzern Swiss Life. Der hatte für den AWD rund eine Milliarde Euro hingeblättert, musste aber bald fast 600 Millionen Euro darauf abschreiben.
Maschmeyer: Viel Plus, wenig Minus
Seitdem versucht sich Maschmeyer („wer uns als Investor bekommt, bekommt uns mit Haut und Haaren“) mit den Millionen als Investor. Oft mit Erfolg: Seine Anteile an den Marseille-Kliniken, die er seit Ende 2011 kaufte, haben sich im Wert verdoppelt. Bei der Beteiligungsfirma MIC stieg Maschmeyer in drei Schritten ein, ist nun mit 25 Prozent größter Einzelaktionär. Die Beteiligung ist im Schnitt im Plus; ein Geschäftsfreund spricht vom „Maschmeyer-Effekt“: Die Aktie stieg stets nach Bekanntwerden der Käufe – was auch an den Käufen selbst liegen kann, denn der Handel in der Aktie ist dünn.
Am Fahrradhersteller MiFa hält Maschmeyer direkt und über seine MM Vermögensverwaltung 28 Prozent und ist seit Juli 2012 größter Einzelaktionär. Bei Biofrontera, das Mittel gegen Hautkrankheiten entwickelt, hält Maschmeyer 15 Prozent. Im März 2012 stieg er bei den Leverkusenern ein; seitdem liegt er rund 50 Prozent im Plus.
Carsten Maschmeyer | ||||
Vehikel | Ziel (Aktie [Branche]) | Wertentwicklung (Prozent)¹ | Zeitraum | Chance/ Risiko |
Paladin, MM Vermögensverw. | Marseille (Kliniken) | + 105 | 12/2011 bis heute | 6/5 |
Kostendruck hoch, Pflegeheime langfristig sicheres Wachstumsgeschäft, umstrittener Gründer mischt noch mit. | ||||
Alstin, MM Vermögensverw. | Biofrontera (Biotech) | + 50 | 3/2012 bis heute | 7/7 |
Unternehmen verbrennt noch Geld, jedoch gute Ansätze bei Hautkrebs-Medikamenten. | ||||
Alstin, Paladin | Mic AG (Risikokapital) | + 36 | 2/2012 bis heute | 8/8 |
Vergibt Risikokapital an kleine Technologiefirmen; starker Kursanstieg nach Maschmeyer-Einstieg, Aktie teuer. | ||||
MM Vermögensverwaltung | MiFa (Fahrräder) | – 23 | 6/2012 bis heute | 6/6 |
Elektro- und Mountainbikes boomen; Risiken sind steigende Rohstoffpreise (Alu) und Billigkonkurrenz aus Asien. | ||||
¹ zum Teil geschätzt; Quelle: BaFin, Venture Capital Magazin, „Bild“, eigene Recherche |
Ausnahme unter den Superreichen
Über sein Family Office Alternative Strategic Investments, kurz Alstin, beteiligte er sich zudem an kleinen Unternehmen aus dem Bereich erneuerbare Energien, an den Online-Bezahldiensten Barzahlen und Orderbird, der chinesischen Musik-Download-Plattform 88ct88 und am Entwickler von Sprachlernprogrammen Papagei.tv.
Mit ihren zahlreichen eigenen Investments sind Leute wie Maschmeyer die Ausnahme unter den Superreichen. „Die meisten investieren kaum auf eigene Faust. Sie bleiben in den Aktien der Unternehmen, mit denen sie selber reich wurden oder deren Anteile sie geerbt haben; sie betätigen sich als Philantropen und haben ihre Vermögen Family Offices anvertraut“, sagt der Ex-Chef der Privatkundenabteilung einer Schweizer Großbank, der selbst mehrere Multimillionäre betreut hat. „Häufig handelt es sich dabei um Rundumbetreuung. Da kann es schon mal sein, dass sonntags um sechs Uhr morgens das Handy klingelt, weil in Thailand eine Kreditkarte im Automaten verschwand und der Kunde die Zeitumstellung nicht bedacht hat.“
Finanz-Butler der Reichen
Der Begriff Family Office stammt aus den USA. Dort entstanden in den Fünfzigern, meist aus Anwaltskanzleien oder Steuerberatungen, regelrechte kleine Banken, die nur für eine reiche Familie arbeiteten. Die dort angestellten Juristen und Analysten waren oft die besten ihrer Zunft, vor allem aber: dem Arbeitgeber treu ergeben wie ein Butler. Neben der Geldanlage kümmerten sich die Family Offices bald auch um passende Internate für die Kinder oder das Buchen von Hotels.
Der Job von heutigen Family-Office-Managern wie Thorsten Querg mag immer noch vielseitig sein, eines ist er sicher nicht: so glamourös wie viele denken. Querg, Chief Investment Officer des Family Office Focam, muss sich im Alltag eher mit sperrigen Themen wie Risikobegrenzung und Diversifikation herumschlagen; selten geht es um Villen, Wein oder Kunstschätze seiner Klienten.
Family Office für Unternehmerfamilien
Bei Focam sind mehrere Unternehmerfamilien Kunden: Oetker, Schwarzkopf, von Opel. Über seinen Beirat bekommt das Family Office Impulse aus der Wirtschaft: Dort trifft Andreas Jacobs vom Bremer Kaffeeröster den Ex-Daimler-Vorstand Klaus Mangold, den Banker Ferdinand Oetker oder den Gesellschafter des Marmeladenherstellers Schwartau, Werner Holm. Auf diesen Treffen entwickeln die Herrschaften oft Anlageideen, die bei einem 16-köpfigen Focam-Team zur Prüfung landen; die Spezialisten analysieren Märkte und Produkte, steuern das Vermögen und kontrollieren externe Vermögensverwalter.
Durch die Skandale um den Immobilienmanager Josef Esch und die einst angesehene Privatbank Sal. Oppenheim wurde öffentlich, wie naiv manche Reiche ihr Geld in die Hand einzelner Berater legten. Doch sei ein verzerrtes Bild von den Reichen der Republik gezeichnet worden, meint Querg: „Die meisten Klienten sind mittelständische, klar denkende Unternehmer, die mit beiden Beinen fest im Leben stehen und oft karitativ engagiert sind.“
Vermögen mit Streuung sichern
Auch die Privatbank Metzler hat in ihrer 339-jährigen Geschichte etliche Börsenstürme und Wirtschaftskrisen überstanden. Das prägt. Wer den Leiter des Private Banking, Edmund Konrad, nach einem Anlagetipp fragt, bekommt nur eine grundsätzliche Antwort. „Die wichtigste Aufgabe ist es, durch die Streuung des Vermögens auf Anlageklassen dieses zu sichern.“
Die meisten Kunden beherzigen offenbar, was die Berater predigen: Einer Untersuchung von Datamonitor unter 16.000 europäischen Millionären ergab, dass die Reichen ihr Geld brav auf Aktien, Anleihen, Bargeld und Immobilien verteilen – ganz nach Lehrbuch und wie von Metzler empfohlen. Nationale Unterschiede gibt es aber: So setzen reiche Deutsche weniger auf Aktien als ihre Pendants in England oder Frankreich (Grafiken), sie misstrauen Fonds und investieren lieber direkt in Beteiligungen und Häuser.
Roland Oetker | ||||
Vehikel | Ziel (Aktie [Branche]) | Wertentwicklung (Prozent)¹ | Zeitraum | Chance/ Risiko |
ROI Verwaltungsgesellschaft | 4SC (Biotech) | – 29 | 02/2012 bis heute | 8/9 |
Unternehmen erhielt wichtiges Schlüsselpatent für Krebswirkstoff; Risiko: Grundkapital ist zur Hälfte weg. | ||||
ROI Verwaltungsgesellschaft | Evotec (Biotech) | – 49 | 08/2003 bis heute² | 7/6 |
¹ zum Teil geschätzt; ² vorbörslicher Einstieg (vor 1999); Quelle: BaFin, Venture Capital Magazin, „Bild“, eigene Recherche |
Club-Deals für Reiche
Focam fädelt mitunter auch Club-Deals ein: Leute mit Geschäftsidee, aber ohne Geld, treffen auf Reiche, die ihr Geld rentabel anlegen möchten. Normalanleger bleiben da außen vor. Nicht immer ist das ein Nachteil, wie die unter Wasser liegenden Biotech-Deals der Superreichen zeigen.
Aktuell ist es die Internet-Branche, vor allem junge Unternehmen aus Berlin, in die jeder Geld pumpt, der in Deutschland etwas auf sich hält: Allein die Beteiligungsgesellschaften von SAP-Mitgründer Hasso Plattner und von Carsten Maschmeyer haben Geld in mehr als ein Dutzend junge Internet-Firmen gesteckt. Besonders Startups, die sich mit künftigen Techniken zum mobilen Bezahlen befassen, bei denen das Smartphone zum Portemonnaie wird, gelten als angesagt. Daten des Londoner Marktforschers Mergermarkets.com zufolge hat sich die Zahl der jungen Internet-Unternehmen in Deutschland seit 2008 auf 260 verdoppelt; diese hätten mehr als sechs Milliarden Euro an Investorengeldern aufgenommen, so Mergermarkets.
Dietmar Hopp: desaströses Biotech-Investment
Das Internet-Thema spielt auch SAP-Mitgründer Dietmar Hopp indirekt – über seinen Anteil an dem Softwarekonzern, ein zweifellos erfolgreiches Engagement. Sein aktives Engagement in Biotech-Unternehmen ist hingegen desaströs – und kein Anreiz für Anleger, sich hier an seine Fersen zu heften. Agennix (62 Prozent der Anteile) etwa ist nahezu ein Totalverlust für Hopp. Ab 2006 erwarb er in mehreren Tranchen zunächst die Mehrheit an der ehemaligen GPC Biotech, die im November 2009 mit der gleichnamigen US-Firma auf die heutige Agennix verschmolzen wurde. Damals hatte Hopp bereits mehr als 90 Prozent seines Einsatzes bei GPC verloren. Es wurde nicht besser. Seither hat Agennix noch einmal rund 90 Prozent ihres Börsenwertes eingebüßt.
Biotech-Aktien sind selbst für Großanleger, die immenses Branchenwissen einkaufen können, ein gefährliches Pflaster: Immer wieder stoppt die Entwicklung von mit großen Hoffnungen beladenen, neuen Krebsmedikamenten; erst bei GPC, dann bei Agennix; bei Wilex (32 Prozent) und Sygnis Pharma (55 Prozent) musste Hopp ähnliche Rückschläge wegestecken.
Dietmar Hopp | ||||
Vehikel | Ziel (Aktie [Branche]) | Wertentwicklung (Prozent)¹ | Zeitraum | Chance/Risiko |
dievini, DH Capital | Wilex (Biotech) | – 91 | 11/2006 bis heute | 7/8 |
Hoffnungsvoll gestartet, dann Rückschläge bei Wirkstoffentwicklung; Einstieg drängt sich nicht auf. | ||||
DH Capital, dievini | Sygnis Pharma (Biotech) | – 99 | 7/2006 bis heute² | 8/9 |
Ex-Neuer-Markt-Senkrechtstarter musste zahlreiche Entwicklungsprojekte einstellen; Trendwende nicht in Sicht. | ||||
dievini, DH Capital | Agennix (Biotech) | – 99 | 2/2006 bis heute³ | 8/9 |
Erfolgsaussichten bei neuen Medikamenten schwer abschätzbar; für Privatanleger kaum geeignet. | ||||
¹ zum Teil geschätzt; ² Einstieg in Vorgänger-Firma Lion; ³ Einstieg in GPC Biotech; Quelle: BaFin, Venture Capital Magazin, „Bild“, eigene Recherche |
Verluste in der ganzen Familie
Dietmar Hopps Söhne Daniel und Oliver sind ebenfalls als Investoren aktiv. Während Oliver an denselben Biotech-Unternehmen wie sein Vater beteiligt ist, hält Daniel Hopp seit 2011 knapp 19 Prozent an First Sensor, einem Hersteller optischer Sensoren. Die werden etwa bei Pkws zur Abstandsmessung eingebaut und in der Industrie zum Messen von Durchflussmengen, Drücken oder Füllständen eingesetzt. Der Markt hat Potenzial; First Sensor knabbert noch an den Kosten einer Übernahme, ist aber technologisch vorn. Zuletzt konnten die Berliner einige Großaufträge an Land ziehen.
Deutlich erfolgreicher als Familie Hopp agierte im Biotech-Sektor Roland Oetker, ein Neffe des Backpulver- und Pudding-Patriarchen Rudolf August Oetker. Er hält Anteile am Diabetes-Forscher Evotec und an 4SC. Letztere entwickelt Krebsmedikamente und Mittel gegen Autoimmunkrankheiten, forscht derzeit mit dem dänischen Konzern LEO Pharma an einer Therapie gegen entzündliche Hautkrankheiten. Bei Evotec stieg Oetker 1996 ein, drei Jahre vor dem Börsengang zum Höhepunkt des Aktienbooms. „Mit Evotec habe ich mal sehr viel Geld verdient“, sagt er.
Daniel Hopp | ||||
Vehikel | Ziel (Aktie [Branche]) | Wertentwicklung (Prozent)¹ | Zeitraum | Chance/Risiko |
DAH Beteiligungs GmbH | First Sensor | – 10 | 11/2011 bis heute | 8/7 |
Sensortechnik ist aussichtsreich; Risiko: Größere Wettbewerber könnten billiger produzieren. | ||||
¹ zum Teil geschätzt; Quelle: BaFin, Venture Capital Magazin, „Bild“, eigene Recherche |
"Risikoreich, aber ethisch hochwertig"
Dass er damals nicht schnell alles verkaufte, dürfte er heute bereuen: Der Aktienkurs liegt derzeit bei etwa 2,40 Euro. 2000, kurz nach dem Börsengang, lag er mal bei über 100 Euro. Oetker hat nachgekauft und ist heute mit 15 Prozent größter Aktionär des TecDax-Unternehmens, mit Aktien im Wert von 43 Millionen Euro.
„Biotech ist risikoreich, aber ethisch hochwertig“, sagt Oetker. Jeder müsse sich selbst überlegen, ob er das Risiko tragen will. Langer Atem ist in jedem Fall gefragt. Bei 4SC ist Oetker seit zehn Jahren dabei, aktuell hält er rund drei Prozent. Seit dem IPO 2005 ist 4SC nicht profitabel, der Aktienkurs hat sich seitdem halbiert.
Lutz Helmig: Anlagegrundsätze verworfen
Es kann ein Zeichen von persönlicher Größe sein, seine Prinzipien über Bord zu werfen – oder eines großer Unsicherheit. Der Fuldaer Milliardär Lutz Helmig, der sein Vermögen 2005 mit dem Verkauf der von ihm aufgebauten Helios-Klinikkette für 1,5 Milliarden Euro gemacht hat, hat mehrfach seine Anlagegrundsätze verworfen.
„Ich würde mich nie an einem Finanzdienstleister beteiligen, denn davon verstehe ich nichts“, sagte er 2008 in einem Interview. Seit Juli 2012 hält er über eine Familienholding rund 53 Prozent der Anteile an der Stuttgarter Privatbank Ellwanger & Geiger und ist seit September zu rund neun Prozent an dem Versicherungskonzern Wüstenrot & Württembergische beteiligt. Allein in diese Beteiligung flossen 110 Millionen Euro.
Lutz Helmig | ||||
Vehikel | Ziel (Aktie [Branche]) | Wertentwicklung (Prozent)¹ | Zeitraum | Chance/Risiko |
Aton | Dürr (Maschinenbau) | + 35 | 6/2007 bis 5/2011 | 7/6 |
Anleger erwarten schon viel; Maschinenbauer braucht starkes Schwellenländer-Wachstum; Chancen stehen gut. | ||||
Horus Finanzholding | Wüstenrot & Württ. (Finanzen) | + 13 | 9/2012 bis heute | 5/6 |
Bausparsparte läuft gut, Baukredite und Versicherungen eher mau; keine Besserung in Sicht, kein Kauf. | ||||
Aton | Lufthansa (Flugverkehr) | – 31 | 1/2008 bis 12/2009 | 6/5 |
Sparprogramm wirkt, Gewinn steigt; doch dauerhaft helfen nur mehr Fluggäste und höhere Ticketpreise. | ||||
¹ zum Teil geschätzt; Quelle: BaFin, Venture Capital Magazin, „Bild“, eigene Recherche |
Berater mit falschem Facharztabschluss
Hinter dem Sinneswandel stecke vor allem Thomas Eichelmann, Geschäftsführer von Helmigs Beteiligungsgesellschaft Aton und Ex-Finanzvorstand der Deutschen Börse, sagt ein Unternehmenskenner. Eichelmann, der seit gut drei Jahren für Helmig arbeitet, habe stetig an Einfluss gewonnen. Neben den Bankinvestments hat Helmig sein Geld vor allem in Technik- und Ingenieurgesellschaften, in Fluggesellschaften und in Rohstoffunternehmen investiert. Dabei hatte er in den vergangenen Jahren nicht immer eine glückliche Hand. Bei einem Abstecher in die rumänische Landwirtschaft fiel er auf einen Hochstapler herein. Helmig investierte von 2006 an über mehrere Jahre rund 240 Millionen Euro in rumänische Gesellschaften mit 3600 Hektar landwirtschaftlichen Flächen, einer Großmühle und 70 Lastwagen.
Laut internem Bericht hatte sich ein Berater mit einem falschen Facharztabschluss Helmigs Vertrauen erschlichen. Dieser Berater soll dann mit Mittelsmännern die rumänischen Firmen ausgeplündert haben. 2009 hatte dies das Konzernergebnis der Aton mit 265 Millionen Euro belastet, 2010 fielen 15 Millionen Euro operativer Verlust an, dann wurden die Beteiligungen abgespalten. In Deutschland steckte Helmig 2008 250 Millionen Euro in Lufthansa-Aktien („an der Börse völlig unterbewertet“) und war mit drei Prozent der Anteile zwischenzeitlich drittgrößter Einzelaktionär. Beim Einstieg zahlte Helmig 17,50 Euro je Aktie. Im März 2009, bei Börsenkursen von rund acht Euro, verkaufte er einen größeren Teil davon wieder.
Stabile Erträge
Beim Autozulieferer Dürr stieg er 2007 ein – auch aus strategischen Gründen, da Dürr ein Kooperationspartner von Helmigs Ingenieurgesellschaft Edag ist. An der Börse kostete die Dürr-Aktie damals gut 30 Euro. Bis August 2009, der Kurs war bis auf 10 Euro gefallen, stockte er seinen Anteil auf über 25 Prozent auf. Verkauft hat Helmig seinen kompletten Anteil bis Mai 2011, an der Börse zahlten Dürr-Investoren da gut 25 Euro. Insgesamt brachte das Geschäft schätzungsweise 31 Millionen Euro Gewinn. Das klingt nicht schlecht – war im Rückblick trotzdem falsch: Heute notiert die Dürr-Aktie bei 85 Euro.
Erfolgreicher sind Helmigs Beteiligungen im ihm bestens vertrauten Medizinbereich, etwa der Blutspendedienst Haema. Der wirft Jahr für Jahr stabile Erträge ab. Nach den letzten veröffentlichten Zahlen von 2011 lag das Jahresergebnis bei 5,4 Millionen Euro. Insgesamt kam die Familienholding Aton, an der neben Helmig auch seine Frau und seine beiden Töchter beteiligt sind, 2011 bei einem Gesamtkonzernumsatz von 1,9 Milliarden Euro auf rund 88 Millionen Euro operativen Gewinn. Die Dr. Helmig Vermögensverwaltungsgesellschaft, die Helmig ebenfalls für seine Investments nutzt, muss ihr Ergebnis nicht veröffentlichen.
Und das ist vielleicht auch besser so.