Natürlich gibt es auch gute Gründe für die niedrige Bewertung. Unter dem Strich wächst Microsoft nicht mehr, der Umsatz stagniert. Doch ist Microsoft längst nicht mehr nur Windows, wo die Erlöse zuletzt rückläufig waren. Der Konzern hat neben dem PC-Betriebssystem noch zahlreiche andere, hoch rentable Geschäftsfelder, wie Server- und Datenbanksoftware.
"Microsoft ist zwar nicht das innovativste Unternehmen der IT-Welt, war das aber genau genommen noch nie", sagt Analyst Brian Wieser von Pivotal Research in New York, "und die Ertragskraft ist nach wie vor beeindruckend, ich sehe auch keine Gefahr, dass sich daran auf absehbare Zeit etwas ändern sollte."
Übertreibt die Börse also nach unten? Es sieht so aus: Mit einem KGV von rund neun (auf Basis der Gewinne des laufenden Geschäftsjahres) ist Microsoft auf jeden Fall nicht teuer. "Auf diesem Niveau wäre ein Gewinnrückgang von 30 bis 40 Prozent in den nächsten zwei Jahren schon eingepreist, und ich glaube kaum, dass es dazu kommt", sagt Fondsmanager Kichler.
Softwarebranche interessant für Firmenjäger
Das große Vermögen, das die IT-Giganten angesammelt haben, könnte den Markt für Fusionen und Übernahmen wieder in Gang bringen. Besonders die Softwarebranche wäre interessant für Firmenjäger. Die Unternehmen dort sind meist schuldenfrei, machen Gewinn und erfordern keine hohen Investitionen, wie dies bei den meisten Chipherstellern oder Computerbauern notwendig wäre.
"Der IT-Sektor wird in den kommenden zwei Jahren stark in Bewegung geraten", prophezeit Pamela Barbaglia, Leiterin Technologiemarkt beim auf Fusionen und Übernahmen spezialisierten Marktforscher Mergermarkets.com in London. "Großaktionäre könnten zum Beispiel auf die Idee kommen, ihre unterbewerteten Firmen, wie derzeit Dell, von der Börse zu nehmen", meint Barbaglia.
Der Chef und Gründer des gleichnamigen Computerbauers, Michael Dell, exerziert es gerade vor: Dell versucht zusammen mit Partnern und Geldgebern wie dem Hedgefonds Silver Lake Partners, sein eigenes Unternehmen von der Börse zurückzukaufen. Die dafür nötigen geschätzt 25 Milliarden Dollar kann er dank üppiger Kreditzusagen durch Hedgefonds aufbringen – offenbar ein für alle Beteiligten lohnendes Geschäft. Allerdings bekommt Dell Konkurrenz. Auch die Beteiligungsfirma Blackstone und der Milliardär Carl Icahn sollen ein Auge auf Dell geworfen haben, könnten sich möglicherweise sogar zusammentun. Dell droht in ein Bietergefecht um das eigene Unternehmen verstrickt zu werden.
Schlaglicht auf der alten Garde
Das mögliche Gerangel um Dell wirft ein Schlaglicht auf die alte Garde der IT-Giganten. Jene, die vor einem Vierteljahrhundert begannen, ihre Branche zu dominieren, und damit an der Börse reüssierten, um dann im vergangenen Jahrzehnt von Apple, Google oder Samsung aus dem öffentlichen Interesse gedrängt zu werden: ein wenig aus der Mode – aber noch immer mit florierenden Geschäftsmodellen.
Die Altstars könnten bald vermehrt Finanzinvestoren mit konkreten Übernahmegelüsten anziehen. Über die hohen Cash-Flows der potenziellen Übernahme-Opfer würden sich fremdfinanzierte Aufkäufe (sogenannte Leveraged Buy-outs/LBOs) binnen wenigen Jahren von selbst refinanzieren. Die fälligen Kreditzinsen könnten auch für milliardenschwere LBOs problemlos aus dem regelmäßigen Cash-Flow der Übernahmeopfer bedient werden. Es bliebe sogar noch Geld übrig, das sich die neuen Alleineigentümer als Dividenden zuführen könnten.