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HSBC-Chefstratege David Bloom „Niemand ist so blöd, eine globale Depression zu riskieren“

Ein Zusammenbruch des Euros wäre eine Katastrophe, sagt HSBC-Chef-Währungsstratege David Bloom. Im Interview erklärt er, warum die Euro-Zone auf dem richtigen Weg ist und wieso die Welt einen schwachen Dollar braucht.

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HSBC-Chef-Währungsstrage David Bloom: „In den USA hat sich nichts verbessert.“ Quelle: Andreas Reeg für Handelsblatt

Herr Bloom, die Euro-Krise zieht immer weitere Kreise. Steht der Euro vor dem Zusammenbruch?

Ich sehe am Devisenmarkt keine Krise. Wir haben sehr volatile Aktien- und Bondmärkte. Aber der Euro ist extrem stabil.

Dass die Euro-Zone ein bedrohliches Schuldenproblem hat, können Sie kaum abstreiten.

Das ist richtig. Aber Europa hat die Schuldenkrise nicht allein, es ist ein globales Megathema. Und die europäischen Politiker gehen die Krise an. Auf dem letzten Euro-Gipfel haben sie große Entschlossenheit gezeigt, das war sehr positiv. Ich denke, jeder in Europa hat verstanden, dass es zur Rettung des Euros keine Alternative gibt.

Es werden durchaus andere Modelle diskutiert, eine Teilung der Euro-Zone zum Beispiel.

Wir haben mal durchgerechnet, was passieren würde, wenn sich die Euro-Zone in einen „Kern-Euro“ und einen „Peripherie-Euro“ aufspalten würde. Der Kern-Euro läge wahrscheinlich bei 1,80 bis 1,90 Dollar, der Peripherie-Euro im Bereich der Parität. Was aber würden Staaten wie Deutschland machen, wenn ihre Währung massiv aufwertet und die Industrie unter Druck kommt? Sie würden Peripherie-Bonds kaufen. Unter dem Strich wäre das Ergebnis das Gleiche, es wäre überhaupt nichts gewonnen.

Und was ist, wenn einzelne Staaten die Euro-Zone verlassen würden?

Das wäre das Worst-Case-Szenario. Wenn ein Staat entscheiden würde, die Euro-Zone zu verlassen, müsste er Kapitalverkehrskontrollen einführen, den Wechselkurs festsetzen und die Banken verstaatlichen. Es würde ohne Zweifel einen Run auf die Banken geben, das komplette System würde kollabieren. Das wäre nicht nur eine Katastrophe für Europa, keine Ecke dieser Erde würde unberührt bleiben. Wir würden eine globale Rezession bekommen, wenn nicht die zweite große Depression. Ich glaube nicht, dass irgendwer in Europa so blöd ist, dass er das erlauben würde.

Die Märkte scheinen da nicht so überzeugt …

Jeder weiß, dass es für die massiven Staatsschulden keine schnelle Lösung gibt. Das müssen wir akzeptieren. Die Märkte jedoch haben die Geduld verloren. Am Devisenmarkt waren die meisten Experten zuletzt sehr pessimistisch, die Short-Positionen sind hochgeschossen. Aber man darf eins nicht übersehen: Der Euro handelt mit 1,35 Dollar, sein fairer Wert liegt bei 1,25 Dollar. Warum ist das so, wenn sich jeder über den Euro sorgt?

Verraten Sie es uns!

Weil es etwas auf der anderen Seite gibt, das sich Dollar nennt. Es gibt die Befürchtung, dass der Euro scheitern könnte. Aber wenn das nicht passiert, könnte jetzt der Augenblick sein, an dem Europa Disziplin lernt. In einem positiven Szenario wird Europa seine Probleme in fünf oder zehn Jahren lösen, die USA dagegen werden immer noch Geld drucken. Zur Erinnerung: Die USA haben 15 Billionen Dollar Schulden.

Nur, dass das im Moment am Markt niemanden wirklich interessiert.

Der Markt rotiert seit Monaten von einem Risiko zum anderen. Die Ironie ist, dass die Märkte jetzt Italien attackieren, obwohl die Schuldenquote seit fünf Jahren stabil ist und Berlusconi eine der stabilsten Regierungen seit dem zweiten Weltkrieg geformt hatte. In den USA hat sich nichts verbessert, es hat sich weiter verschlechtert.


Warum der Dollar nicht nachgibt

Wie bewerten Sie die jüngste Eskalation im amerikanischen Schuldenstreit?

Das Ganze erinnert an eine schlechte Ehe. Viele bezweifeln, dass die Euro-Zone mit so vielen Staaten die Krise lösen kann. Aber die USA beweisen, dass es nur zwei Parteien braucht, um ganz unterschiedlicher Meinung zu sein.

Wieso belastet die neuerliche Eskalation der US-Schuldenkrise den Dollar nicht?

In Zeiten von Krisen und Angst gehen die Investoren dahin, wo die Liquidität ist. Der Dollar ist die mit Abstand liquideste Währung. Die Märkte haben Angst um den Euro, der Yen wird durch Interventionen gebremst und der Franken ist an den Euro gekoppelt. Das zwingt die Anleger fast schon in den Dollar. Aber das amerikanische Schuldenproblem wird nicht verschwinden, und irgendwann wird sich der Markt wieder auf die fundamentalen Fragen konzentrieren. Dann wird der Dollar seinen langfristigen Abwärtstrend wieder aufnehmen.

Ein Problem dürften die USA mit einer schwächeren Währung nicht haben …

Die USA haben immer betont, dass sie an einen starken Dollar glauben. Aber das heißt gar nichts. Gegenüber China, ihrem wichtigsten Handelspartner, verfolgen sie ganz eindeutig eine Politik des schwachen Dollars. Sie nennen es „Yuan-Aufwertung“. Aber worum es geht, ist doch ganz klar: Wenn ich will, dass eine andere Währung aufwertet, möchte ich meine eigene Währung schwächen.

Mit diesem Wunsch stehen die USA nicht alleine. Weltweit ist Abwertung groß in Mode.

Natürlich hat kein Land Interesse an einer starken Währung. Aber einen künstlichen Abwertungswettlauf, in dem jeder die Währung des anderen stark redet, können wir uns nicht leisten. Die Wahrheit ist, dass die Welt einen schwächeren Dollar braucht. Damit muss jedes Land leben.

Wieso muss der Dollar-Kurs sinken?

Die USA sind das Land, das weltweit die größte Instabilität hervorruft. Sie haben ein Riesendefizit und eine alternde Bevölkerung. Sie brauchen Leistungsbilanzüberschüsse. Der einzige Weg, diese zu bekommen, ist eine Abwertung des Dollars. Nur so können wir von den gewaltigen Ungleichgewichten wegkommen. Schon heute liegen bei Zentralbanken weltweit mehr als zehn Billionen Dollar an Devisenreserven. Das ist lächerlich!

Wie würden Sie dieses Geld einsetzen, um die Ungleichgewichte zu verringern?
Man kann das Geld nicht nutzen, das ist das Problem. Wenn ein Land anfängt, das Geld in den Kreislauf zu bringen und die Reserven zu verkaufen, würde seine Währung durch die Decke gehen. Japan hat mehr als eine Billion Dollar an Devisenreserven. Wenn Sie versuchen sollten, das Geld zurück nach Japan zu bringen, würden sie massive Probleme bekommen. Die Zahlen sind zu groß. Das Einzige, was man damit machen kann, ist Staatsanleihen zu kaufen.

Das ist gut für die USA.

Absolut. Sie profitieren ganz enorm von ihrem Status als Welt-Reservewährung. Leider missbrauchen sie diesen Status.


Welche Rolle China spielt

Das spürt vor allem China als größter Gläubiger.

Das stimmt, allerdings bekommen die Chinesen etwas dafür zurück, nämlich Wachstum. Nichtsdestotrotz haben die Chinesen aus ihrer Abhängigkeit von US-Staatsanleihen gelernt und das ist der Grund, warum sie jetzt nicht in großem Stil Anleihen aus der Euro-Zone kaufen. Sie wollen den Fehler nicht noch einmal machen. Es ist auch ein bisschen peinlich, dass die Europäer ihre Probleme nun mit Hilfe Chinas lösen wollen. Man darf nicht vergessen, dass der Europäer im Schnitt 22.000 Dollar im Jahr verdient, in China sind es 1.500. Es ist schon verrückt, wenn reiche Menschen die vergleichsweise Armen dazu aufrufen, ihre Risiken zu übernehmen.

Wann wird China seine Währung aufwerten?

Der Yuan wird weiter aufwerten, aber das wird nicht schnell gehen. Es ist wie beim Tai-Chi: Keine aggressiven Bewegungen, sondern ganz langsam und Schritt für Schritt. Für China ist das der bessere Weg, für den Westen natürlich nicht. Wenn man einen chinesischen Offiziellen fragt, ob der Yuan bald freigegeben wird, sagt er: ‚Ja’ und meint in den nächsten 50 bis 100 Jahren. Seine Definition von „bald“ ist eine ganz andere als meine. Die Chinesen haben keine Eile, aber sie tun bereits interessante Sachen.

Welche meinen Sie?

China hat den Hongkong-Yuan freigegeben – und es läuft sehr gut. Die Einlagen wachsen sehr schnell. Auch der Markt für Dim-Sum-Bonds – Yuan-Anleihen, die in Hongkong begeben werden, ist geöffnet. Das Ganze ist eine hochspannende Geschichte. Aber wir sind so sehr mit den Problemen Europas und der USA beschäftigt, dass wir das Aufblühen einer neuen Währung zu verpassen drohen.

Wie wird die Geschichte ausgehen?

Ich denke, die chinesische Währung ist eine sehr wichtige Handelswährung, aber nur eine kleine Finanzwährung. Die Bedeutung des Yuan für den Finanzmarkt wird wachsen. Er wird künftig deutlich mehr genutzt werden.

Auch als Reservewährung?

Ja, aber das wird dauern – vielleicht fünf, vielleicht zehn Jahre. Beim Euro war das nicht anders: Er war zunächst eine Mini-Reservewährung und es hat zehn, elf Jahre gedauert, bis der Euro einen nennenswerten Anteil an den Reserven bekommen hat. Und der Euro war immerhin die Währung einer etablierten, wohlhabenden Region. China muss sich weiter entwickeln, damit die Investoren Vertrauen fassen. Und je stärker das geschieht, desto stärker werden auch die Zahlungsflüsse in den Währungsraum.

David Bloom leitet die globale Währungsstrategie der Großbank HSBC. Der Südafrikaner ist seit 19 Jahren für die Bank tätig. Bevor er seine aktuelle Position übernahm, arbeitete er als Volkswirt mit speziellem Fokus auf die USA und Großbritannien. Vom Fachmagazin „FX Week“ wurde er mehrfach für das beste Devisen-Research ausgezeichnet.

 

 

 

 

 

 

 

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