
Lässig sitzt Mark Zuckerberg mit seinem typischen dunkelblauen T-Shirt im Fernsehstudio des prominenten US-Moderators Charlie Rose. „Ich habe Investoren und Mitarbeitern fest versprochen, dass sie für ihren Einsatz entlohnt würden“, sagte der Facebook-Gründer an diesem 7. November. Was konkret er damit meinte, erläuterte das Wunderkind des Internets nicht.
Seit vergangener Woche ist klar: Das weltweit größte und erfolgreichste soziale Netzwerk plant zwischen April und Juni 2012 seinen Börsengang. Das berichtete das „Wall Street Journal“. Zehn Milliarden Dollar will Facebook dann angeblich für etwa zehn Prozent der Unternehmensanteile einnehmen. Facebook wäre damit insgesamt 100 Milliarden Dollar wert – mehr als die deutschen Konzerne BMW, Allianz und Adidas zusammen.
Analysten warnen
Außerdem wäre es der bislang größte Börsengang der IT-Branche. Internetgigant Google wurde bei seinem Börsenstart im Jahr 2004 gerade mal mit 24 Milliarden Dollar bewertet. Analysten sind skeptisch. David Dietze, der Chef der Vermögensverwaltung Point View, weist darauf hin, dass die Zuwachsraten bei den Mitgliedern sänken. Und er warnt: „Vor elf Jahren ging Yahoo mit 150 Dollar an die Börse, und die Firma galt als die Zukunft des Internets. Heute ist die Aktie noch 15 Dollar wert.“ Es könnte also sein, dass die Anleger am Ende statt „Gefällt mir“ zum Facebook-Börsendebüt eher „Gefällt mir nicht“ sagen.
Facebook macht in diesem Jahr knapp zwei Milliarden Dollar Umsatz. Gewinnzahlen veröffentlicht der Konzern nicht. Das Netzwerk verdient sein Geld vor allem mit Banner-Werbung auf Webseiten – ein Markt, in dem Yahoo noch führend ist. Außerdem verlangt Facebook von Spiele-Entwicklern, die ihre Programme über das Netzwerk vertreiben, 30 Prozent der Einnahmen. Doch anders als bei Google ist das Geschäftsmodell in den Augen von Experten noch nicht wirklich belastbar.
Noch soll Zuckerberg keine endgültige Entscheidung getroffen haben. Doch der Druck auf ihn ist groß. Seine bisherigen Geldgeber drängen darauf, endlich eine Rendite auf ihre Investments zu bekommen. 2,3 Milliarden Dollar hat Facebook eingesammelt, um die Expansion zu finanzieren. Anfang des Jahres war die Investmentbank Goldman Sachs eingestiegen. Sie hatte sich für eine halbe Milliarde Dollar knapp ein Prozent an dem Netzwerk gesichert.
Die Investoren drängen auch deshalb zur Eile, weil sich das Börsenumfeld rapide verschlechtert: Die Weltwirtschaft steht vor einem Abschwung. Hinzu kommt die wachsende Skepsis des Marktes gegenüber Internetfirmen. Die Kurse der jüngsten Internetstars gaben zuletzt kräftig nach. Rabattspezialist Groupon, der am 4. November an die Börse ging, notiert 23 Prozent unter Ausgabekurs.
An der Wall Street werden solche Bedenken mit dem zynischen Hinweis auf gutgläubige Anleger beiseitegewischt. „Facebook sollte sich darüber keine Gedanken machen. Wenn die Anleger irrational und betrunken vor Euphorie für die Aktie zu viel zahlen, dann ist das das Problem der Investoren“, sagte Henry Blodget, berühmt-berüchtigter Internetanalyst aus dem ersten Dotcom-Boom, dem Handelsblatt.
Wird es eine Dotcom-Blase 2.0 geben?
Kann Facebook wirklich mehr wert sein als Google bei seinem Börsengang? Und darf die persönliche Leistung von Firmengründer Mark Zuckerberg mit 24 Milliarden Dollar angesetzt werden? Fragen wie diese stellen die Investoren, seit ein Bericht des „Wall Street Journals“ die Spekulationen über einen Börsengang des sozialen Netzwerks wieder anheizt.
Finanzprofis erinnern an die Zeit kurz nach der Jahrtausendwende, als die Dotcom-Blase platzte, und warnen vor Übertreibungen: „Wir haben uns die Bewertungen von anderen sozialen Netzwerken wie Linked In angesehen. Die sind nicht gerechtfertigt, die Kurse gefallen“, erklärt ein großer deutscher Investor. „Wir rechnen nach dem Börsengang auch bei Facebook mit fallenden Kursen.“
Als Investor müsse man sich sehr genau anschauen, was man für sein Geld bekomme, rät David Dietze. Wie beim einstigen Börsenliebling Yahoo gebe es auch bei Facebook keine Garantie, dass die Erfolgsgeschichte anhalte. So verließen einige Nutzer das Netzwerk bereits wieder.
Die Frage, ob die Facebook-Gemeinde nicht schon bald zu Konkurrenten wie Google+ abwandert, ist nur ein Unsicherheitsfaktor für den geplanten Börsengang. Die Erwartungen an das Unternehmen sind mittlerweile ins Unermessliche gewachsen – und damit das Risiko, sie zu verfehlen. So taxieren Branchenkenner wie der Marktforscher E-Marketer den Facebook-Umsatz für das zu Ende gehende Jahr auf 3,8 Milliarden Dollar. Das wäre ein beachtliches Wachstum, denn im vergangenen Jahr waren es nur 1,86 Milliarden Dollar.
Potenzielle Investoren müssen sich auf solche Schätzungen verlassen, denn Facebook selbst verweigert eine Prognose oder andere Details zum Geschäft. Das Netzwerk kann sich das leisten, weil es derzeit noch ein rein privates Unternehmen ist. Doch die Geheimniskrämerei wird nicht mehr funktionieren, wenn die Zahl der Anteilseigner wie erwartet bis zum Jahresende auf mehr als 500 anwächst. Dann muss Facebook nach Auflagen der US-Börsenaufsicht SEC Geschäftszahlen berichten.
Der Tag der Wahrheit rückt somit näher. Vielleicht wird es der Tag der Abrechnung mit einer gewaltigen Übertreibung. „Ich sehe die hohen Bewertungen mit gemischten Gefühlen“, warnte Tobias Kollmann, Professor für E-Business an der Universität Essen-Duisburg, Ende Juli im Handelsblatt – nach den Börsengängen des Netzwerks Linked In und des Internetradios Pandora. „Einerseits sind sie ein Beweis, dass sich Investitionen in Start-ups der Net-Economy wieder lohnen. Andererseits erinnern sie an die erste Dotcom-Blase vor etwas mehr als zehn Jahren.“
Bei Facebook hat vor allem die Hoffnung, das Netzwerk könne den Nutzer gläsern machen, die Erwartungen in die Höhe getrieben. 800 Millionen Menschen teilen in Facebook ihre Leidenschaften mit, ihre Freund- und Feindschaften und das, was sie gerade tun. Für die Werbeindustrie sind das die Daten, auf die sie sehnsüchtig wartet. Doch zuletzt lief die Datenmaschinerie nicht mehr rund. Zuckerbergs Idee beispielsweise, mit „Timeline“ eine Art persönliches Archiv der Nutzer zu errichten, wurde von diesen mit massiver Kritik abgestraft. Ganz so freizügig wie erhofft ist die Facebook-Gemeinde doch nicht.
Hinzu kommt der wachsende Wettbewerb. Zwar etabliert sich Facebook immer mehr in dem von Yahoo dominierten Geschäft mit Webseiten-Bannerwerbung. Die Experten von E-Marketer schätzen, dass Facebook hier dieses Jahr in den USA auf 16,3 Prozent Marktanteil kommt, 2012 auf 19,5 Prozent. Doch Googles Netzwerk wächst immer stärker zu einem direkten Konkurrenten heran.
Welche Einzeltitel erfolgversprechend sind
Ursprünglich war der Facebook-Börsengang bereits 2010 erwartet worden. Doch Zuckerberg wollte seiner Firma mehr Zeit geben, um die Marktführerschaft auszubauen. Bis zum Sommer 2012 könnte sie allerdings auch Marktanteile verloren haben.
Sollte Facebook tatsächlich den Gang an die Börse wagen, wäre das Unternehmen ein Kandidat für das Social-Networks-Indexzertifikat der Société Générale (WKN: SG10SN). Das soziale Netzwerk ergänzt dann als elftes Mitglied den dahinter stehenden Index. Bislang haben die Inhaber des Zertifikats die Zurückhaltung der Aktionäre gegenüber den Web 2.0-Unternehmen zu spüren bekommen. Seit seiner Emission Mitte Januar hat das Zertifikat fast zehn Prozent an Wert verloren (Stand: 5.12.2011).
Ein anderes Papier der Deutschen Bank auf den Solactive Web 2.0 Index (WKN: DB8BTR) wird zum 23.4.2012 wieder eingestellt. Darin sind auch die Internetgrößen Google, Amazon und Ebay vertreten. Gemessen am Umsatz schneiden diese deutlich besser als Facebook ab – das dürfte den Investoren besser gefallen.
Der Börsenwert von Google liegt mit 190 Milliarden Dollar fast doppelt so hoch wie der von Facebook anvisierte, dafür macht das Unternehmen einen Umsatz von 29,3 Milliarden Dollar – fast achtmal soviel wie Facebook.
Noch besser sieht das Verhältnis bei Amazon aus. Einem Börsenwert von 88,3 Milliarden Dollar steht ein Umsatz von 48,8 Milliarden Dollar gegenüber – mehr als die Hälfte. Und selbst Ebay, das an der Börse 38,3 Milliarden Dollar wert ist, konnte zuletzt 11,6 Milliarden Dollar umsetzen.
Wenn in unruhigen Börsenzeiten wieder mehr auf das Geschäftsmodell und nicht auf Hoffnungen in die Zukunft gesetzt wird, stehen solche Unternehmen besser da als Facebook, Linked In und Groupon, die hauptsächlich auf stürmisches Wachstum setzen. Für Zertifikateanleger bieten sich deshalb eher Bonus- der Discountzertifikate auf die „großen Drei“ an als Papiere auf den derzeitigen Social-Networks-Trend.