ICO im Fokus Das zweifelhafte Business der Krypto-Börsengänge

Der Bitcoin erschließt neue Finanzinstrumente. Besonders beliebt: Krypto-Börsengänge, sogenannte ICOs. Was hinter der globalen Begeisterung steckt – und warum Chinas Regulierer nun dagegen vorgehen.

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Bitcoin: Die Kryptowährung krempelt die Finanzbranche komplett um Quelle: picture alliance / Michael Grube

Peking, New York In einschlägigen chinesischen Finanzkreisen herrscht eine Goldgräberstimmung – wieder einmal. Findige Anleger hatten zunächst Krypto-Währungen wie den Bitcoin für sich entdeckt. Dann erweiterten sie ihr Spektrum auf Krypto-Börsengänge, sogenannte Initial Coin Offerings. Doch jetzt schalten sich chinesische Behörden ein.


Die Zentralbank und die Wertpapieraufsicht in Peking hatten eine Untersuchung eingeleitet. Das Ergebnis: In neun von zehn Fällen von Krypto-Börsengängen vermuten die Beamten Betrug oder zumindest einen Verstoß gegen chinesische Gesetze. So berichtet es zumindest das renommierte Wirtschaftsmedium Caixin. Demnach könnten schon bald strenge Regeln oder sogar ein komplettes Verbot der ICOs bekanntgegeben werden. Die zweitgrößte ICO-Plattform des Volksrepublik, Icoinfo, hatte diese Woche einen kompletten Stopp der Krypto-Börsengänge bekanntgegeben.


Den ICOs droht der rasante Erfolg zu Verhängnis zu werden. „ICOs funktionieren wie andere Finanzierungsinstrumente und sollten auch so reguliert werden“, sagte der Finanzprofessor der Pekinger Volksuniversität, Zhao Xijun, dem Handelsblatt. Das chinesische Fachblatt Financial News zitierte einen chinesischen Finanzbeamten, der anonym bleiben wollte, sogar mit den Worten: „ICOs sind ein illegales Finanzierungsinstrument und sollten komplett verboten werden.“


Ähnlich wie bei Aktien können Firmen das Instrument nutzen, um Kapital zu generieren. Bei den Erstplatzierungen erhalten Anleger jedoch keine Firmenanteile, sondern sogenannte Token. Die bieten oft keine Mitsprache, sollen die Geldgeber aber am finanziellen Erfolg der Firmen teilhaben lassen. Denn wenn die Bewertung der Unternehmen steigt, so steigt auch der Wert der Token.


Die Tokens, die den Investoren bei ICOs angeboten werden, sind aber keine gängigen virtuellen Münzen. Sondern sie stellen Anteile an den Projekten dar, die sie finanzieren sollen. Aber erwerben die Investoren damit tatsächlich Eigentum? Und wenn ja, woran? Über diese Fragen lässt sich selbst unter Insidern der Szene keine Einigkeit herstellen.


China ist das Vorzeigeland der ICOs. Die strengen Finanzkontrollen in der Volkrepublik schränken die Anlagemöglichkeiten für Privatleute und Kleininvestoren stark ein. Doch die digitalen Währungen sind für Chinas Zentralbank schwer zu kontrollieren. Deshalb greifen viele der Auflagen nicht, die für den Kauf von Aktien gelten würden.


Entsprechend beliebt ist das Instrument innerhalb kürzester Zeit geworden. In der Volksrepublik wurden laut einer Studie im ersten Halbjahr 2017 rund 2,6 Milliarden Yuan (328 Millionen Euro) in Krypto-Börsengänge investiert. Auch in den USA und Europa wächst das Interesse an dem Finanzierungsinstrument.


In China haben viele Plattformen ein Interesse daran, dass sie viele Firmen für Erstplatzierungen anlocken können, da sie Geld mit Servicegebühren verdienen. Viele der Firmen hätten kein Produkt und keine Nutzer, warnt Leonhard Weese, Präsident der Hongkonger Bitcoin-Vereinigung. Laut Caixin prüften einige der Plattformen nicht mal, ob die es sich überhaupt um legitime Unternehmen handle. Einige der Firmen, die in China Kypto-Börsengänge vollzogen hätten, seien als gemeinnützige Stiftungen in der Schweiz registriert und verbuchten die von Anlegern generierten Gelder als steuerfreie Spenden.


Finanzexperten sind alarmiert – und warnen vor einer Milliardenblase. „Das alles erinnert mich sehr an die Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende“, sagt Anthony Di Iorio, Gründer der Firme Jaax. Brad Garlinghouse, Chef des Finanztechnologie-Unternehmens Ripple, spricht von einem „radioaktiven Markt“. Und Riccardo Spagni, Entwickler der virtuellen Währung Monero, warnt vor „Betrug“.


In China droht die Stimmung bereits zu kippen. Eine große Konferenz zu Digitalwährungen wurde am Wochenende kurzfristig abgesagt. Der Branchenverband National Internet Finance Association of China warnt in einem Statement: “ICO-Projekten fehlt Transparenz bei ihren Assets, sie haben keine Standards für eine nachhaltige Anlage und es gibt große Probleme bei der Einsicht in die Geschäftsdaten.” Deshalb brächten sie große Risiken für Anleger mit sich. In der Branche geht seitdem bereits die Sorge um, die gesamte Landschaft an Krypto-Währungen könnte in der Volksrepublik wegen schwarzer Schafe bei ICOs in Verruf geraten.

Auch die USA knöpfen sich den Markt vor. US-Wertpapieraufsicht (SEC) stellte klar, dass die meisten ICOs tatsächlich ähnlich wie Börsengänge zu behandeln sind, also ordentlich angemeldet werden und bestimmten Regeln genügen müssen. Und sie warnt Investoren: „Fragen Sie sich, wofür das Geld genutzt wird und welche Rechte die virtuellen Münzen ihnen geben. Der Anbieter sollte einen klaren Geschäftsplan haben, den Sie lesen und verstehen können.“


Die Zeit des Wilden Westens bei den Krypto-Börsengängen könnten gezählt sein – nicht nur in China.

Die Serie

Banken zittern, Spekulanten jubeln: Aber was steckt wirklich hinter Bitcoin, Ethereum und Co.? In einer Serie behandeln wir die Welt der Digitalwährungen. Bisher erschienen:

(Fortsetzung folgt)

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