IEA-Ölmarktbericht Öllager sind trotz Förderkürzung noch gut gefüllt

Die Öllager der Industriestaaten sind gut gefüllt. Das Ölkartell Opec will daher länger auf Teile seiner Produktion verzichten. Dennoch hält die Internationale Energieagentur wenig gute Nachrichten für die Opec bereit.

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Der Öl-Hahn soll nicht wieder geöffnet werden, fordern Russland und Saudi-Arabien. Quelle: dpa

Frankfurt Wer wissen will, warum Russland und Saudi-Arabien am Montag für eine Verlängerung der Förderkürzung plädieren, der muss einen Blick in den aktuellen Ölmarktbericht der Internationalen Energieagentur (IEA) werfen. Denn die Ölmarktexperten bilanzieren für das erste Quartal trotz der Markteingriffe gestiegene Lagerbestände.

Die IEA erfasst die Ölvorräte der OECD-Staaten, also der wichtigsten Industrieländer. Zwar seien die Vorräte im März bereits zum zweiten Mal in Folge abgeschmolzen. Doch unterm Strich stehen für das erste Quartal 2017 dennoch Zuwächse. 

Was die Organisation erdölexportierender Staaten (Opec) aber noch viel mehr beunruhigen sollte, ist der Ausblick. Selbst wenn die Opec und elf weitere Nicht-Opec-Staaten ihre Förderkürzung über den Juni hinaus verlängern, wie es Russland und Saudi-Arabien fordern, würden zwischen April und Juni zwar 700.000 Barrel pro Tag aus den Lagern verschwinden und im zweiten Halbjahr sogar noch mehr. Doch: „Selbst wenn sich diese Annahme als wahr herausstellt, könnten die Lager Ende 2017 noch immer nicht auf den Fünf-Jahres-Durchschnitt gefallen sein.“ Derzeit beträgt der Stand drei Milliarden Barrel (à 159 Liter). Schließlich folgt eine indirekte Aufforderung an das Ölkartell: „Das bedeutet, dass in der zweiten Jahreshälfte 2017 noch viel mehr Arbeit erledigt werden müsste.“

Zur Erinnerung: Das Ölkartell Opec und seine Mitstreiter des Förderabkommens haben es als ihr Hauptziel erklärt, die prall gefüllten Öllager auf den Fünf-Jahres-Durchschnitt zu senken. Seit Januar fördert das Kartell daher 1,2 Millionen Barrel Öl pro Tag weniger als noch im Oktober 2016. Elf weitere Ölnationen, darunter Russland als größter Produzent der Welt (11,1 Millionen Barrel pro Tag), verzichten ihrerseits auf 600.000 Barrel. Das soll den Lagerüberhang abbauen und den Markt stabilisieren.

Sowohl bei den OECD-Staaten als auch in den USA sind die Lager aber immer noch gut gefüllt. Am Montag betonten der saudische Ölminister Khalid Al-Falih und sein russischer Amtskollege Alexander Nowak, dass sie alles tun würden, was auch immer nötig sei, um dies zu ändern.

Nach der Opec korrigiert auch die IEA ihre Prognose für zusätzliches Öl von außerhalb der Kürzungsländer nach oben. In diesem Jahr werden diese Länder 600.000 Barrel mehr fördern statt wie bisher angenommen 450.000. Die Opec rechnet gar mit 900.000 Barrel.


Die Störenfriede der Opec

Als entscheidenden Faktor macht die IEA einmal mehr die Schieferölunternehmen in den USA aus. „Der Diversität und Dynamik der amerikanischen Schieferölproduzenten geschuldet, werden unsere Schätzungen auch im Laufe des Jahres ein sich bewegendes Ziel darstellen“, schreiben die Experten in ihrem Bericht.

Allerdings sind die USA nicht die einzigen Störenfriede der Opec. Länder wie Brasilien und Mexiko förderten zuletzt ebenfalls mehr. Und selbst die Opec konnte wieder zulegen. Vor allem Libyen und Nigeria müssten genauer beachtet werden. Libyen habe im Mai soviel gefördert wie seit 2014 nicht mehr. „Ein bedeutender Anstieg könnte die Einschnitte anderer Opec- und Nicht-Opec-Staaten wettmachen.“

Und damit noch nicht genug: Zwar hält die IEA ihre Wachstumsprognose zum Nachfragezuwachs um 1,3 Millionen Barrel auf 97,9 Millionen Barrel pro Tag zum Ende des Jahres bei. Doch solide Nachfrageländer wie Indien, Türkei, die USA und Deutschland hätten zuletzt geschwächelt. Außerdem vermutet die IEA schwächere Zahlen aus China. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt habe in den vergangenen Monaten zwischen 85 und 100 Millionen Barrel an Reserven gebildet. Diese zusätzliche Nachfrage könne sich im Laufe der kommenden Monate verflüchtigen.

Stellt sich die Frage: Warum sorgt sich eine Organisation, die zu dem Zweck gegründet wurde, die Interessen der importierenden Länder zu vertreten, wenn es zu viel Öl auf dem Markt gibt? Die Erklärung hatte die IEA in ihrem mittelfristigen Ausblick vor zwei Monaten geliefert: Denn bleiben die Preise weiter so niedrig, fürchten die Experten einen Mangel an Investitionen. Das wiederum könnte zu einem Angebotsdefizit in drei bis fünf Jahren führen – und dann zu drastisch steigenden Preisen.

Diese Sicht offenbart, warum eigentlich zwei Gegenspieler am Ölmarkt plötzlich in ihren Absichten vereint sind. Wobei ein feiner Unterschied bleibt: Die IEA sorgt sich um zukünftige Ausgaben, die vom Ölpreis stark abhängigen Staatshaushalte der Opec-Staaten um heutige Einnahmen.

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