Der am Morgen veröffentlichte Bericht über die Adler Group hatte es in sich. Der Brite Fraser Perring wirft dem Unternehmen darin unter anderem vor, dass die Immobilien des Konzerns, die nach Unternehmensangaben rund zwölf Milliarden Euro wert sein sollen, überbewertet seien. Wenn das so stimmt, könnte das dramatische Folgen haben.
Die Adler Group ist einer der größten Immobilienkonzerne in Deutschland. Nach eigenen Angaben besaß sie Ende Juni Objekte im Wert von fast 13 Milliarden Euro und knapp 70.000 Mietwohnungen. Dem standen Finanzverbindlichkeiten von 8,8 Milliarden Euro gegenüber. (Die umfassende WiWo-Recherche zu den fragwürdigen Geschäften der Adler Group lesen Sie hier.)
Rund fünf Milliarden Euro hatte sich die Gruppe über Anleihen bei Anlegern geliehen. Für diese Anleihen wurde teilweise festgelegt, dass die Beleihungsquote der Adler Group – also das Verhältnis der Netto-Finanzverbindlichkeiten zu den Vermögenswerten (genannt Loan-to-Value, kurz: LTV) nicht über 60 Prozent liegen darf. Nach eigenen Angaben hält die Adler Group dies ein. Ende Juni lag die Beleihungsquote laut Geschäftsbericht bei rund 55 Prozent.
Sollten die Immobilien jedoch zu hoch bewertet sein, könnte die Beleihungsquote über die Grenze von 60 Prozent steigen. Dementsprechend panisch reagierten die Investoren. Der Aktienkurs der Adler Group fiel bis zum späten Nachmittag um rund 26 Prozent auf zehn Euro. Der Aktienkurs befand sich allerdings auch schon zuvor im Sinkflug. Im Juni hatte er noch bei rund 26 Euro gelegen. In den Tagen vor Veröffentlichung des Berichts von Perring hatte er phasenweise auch noch einmal deutlich nachgegeben, ohne dass hierfür ein Grund erkennbar gewesen wäre. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erklärte hierzu: „Wir werden uns selbstverständlich den Kursverlauf und die Transaktionsmeldungen der letzten Tage ansehen.“
Auch die Kurse der Anleihen des Unternehmens fielen heute drastisch, genauso wie eine Anleihe des Adler-Großaktionärs Aggregate Holdings.
Der Brite Fraser Perring hat schon mehrfach kritische Berichte über börsennotierte Gesellschaften in Deutschland veröffentlicht. Danach sind die Aktienkurse der betroffenen Firmen regelmäßig abgestürzt. Perring war einer der ersten, der auf Ungereimtheiten beim mittlerweile insolventen Zahlungsabwickler Wirecard hinwies. Aktionäre sollten dennoch beachten, dass Perring eigennützig handelt und vor der Veröffentlichung solcher Berichte über börsennotierte Unternehmen regelmäßig darauf setzt, dass der Kurs der Aktie fällt – und entsprechend partizipiert, wenn es nach der Veröffentlichung seiner Berichte dann tatsächlich zum Kurssturz kommt. Anleger sollten deshalb nicht allein wegen eines solchen Berichts Aktien eines Unternehmens verkaufen, sondern ihn vielmehr als Ausgangspunkt für eigene Recherchen nutzen.
Die BaFin erklärte am Nachmittag, die in Perrings Report geäußerten Vorwürfe gegen die Adler Group Ernst zu nehmen und die darin erhobenen Vorwürfe zu prüfen. „Wenn sich daraus Verdachtsmomente für Straftaten ergeben, zeigen wir diese bei der zuständigen Staatsanwaltschaft an.“
Die Gesellschaft selbst gab am späten Nachmittag nur eine pauschale Stellungnahme ab. Darin heißt es, der Report enthalte Unterstellungen, die Adler auf das Schärfste zurückweise. „Ein zentraler Vorwurf lautet, dass die von Adler in ihren Bilanzen angesetzten Immobilienwerte überhöht seien. Dies ist nachweislich falsch“, so die Gesellschaft. Der Report enthalte zahlreiche weitere nicht zutreffende Anschuldigungen. „Adler bereitet derzeit eine ausführliche Replik zu diesen Anschuldigungen vor und wird zeitnah dazu Stellung nehmen.“ Fragen der WirtschaftsWoche ließ das Unternehmen bislang unbeantwortet.
In den vergangenen Jahren sind die Adler Group, beziehungsweise mittlerweile zum Konzern gehörende Tochtergesellschaften, schon mehrfach durch hinterfragungswürdige Immobiliendeals aufgefallen, bei denen immer wieder Personen und Firmen aus dem Umfeld des am Immobilienmarkt bekannten Geschäftsmanns Cevdet Caner mitmischten. (Mehr dazu erfahren Sie in der umfassenden WiWo-Analyse: Die eigenartigen Deals von Adler Real Estate)
Die WirtschaftsWoche hat erstmals 2015 über Auffälligkeiten berichtet.
Mehr zum Thema: Seit Jahren fällt das Immobilienunternehmen Adler Real Estate durch zweifelhafte Geschäfte auf. Viele Investoren kauften die Aktie trotzdem. Wegen einer gerade veröffentlichten kritischen Studie könnte die Adler-Gruppe aber nun ernsthaft unter Druck geraten. Die umfassende WiWo-Recherche zu den fragwürdigen Geschäften der Adler Group lesen Sie hier.