Insider-Aktien bei Intel & Co. Wenn die Aktien-Order vom Chef den Ruf gefährdet

Ein Aktienverkauf durch den intel-Chef wirft einen Schatten auf das Unternehmen Quelle: REUTERS

Airbus, Metro, Linde, Deutsche Börse – und jetzt Intel: Immer wieder sorgen Aktiengeschäfte durch Spitzenmanager namhafter Unternehmen für Verunsicherung oder sogar Skandale.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Die Sicherheitsprobleme bei Computerprozessoren aus dem Hause Intel sind nicht nur ein Thema für Informatik-Nerds und Hacker. Auch die Kapitalmärkte interessieren sich für den Fall, weil Intel-Chef Brian Krzanich im vergangenen Jahr massiv eigene Intel-Anteile verkauft hat. Es handelt sich dabei wohlgemerkt um Aktien des Unternehmens, das er leitet und über dessen relevante interne Vorgänge er in seiner Position wie kein anderer informiert sein sollte.

Dabei sieht so aus, als ob die gerade erst öffentlich gewordenen Sicherheitsprobleme bei Intel-Chips schon vor dem Aktienverkauf durch den Chef unternehmensintern bekannt waren. Das fragwürdige Moment daran: Niemand darf mit Aktien eines Unternehmens handeln, wenn er interne Informationen über dieses Unternehmen besitzt, die anderen Investoren und Anlegern nicht zur Verfügung stehen. Sogenannter Insiderhandel ist in nahezu jedem Land der Welt verboten, um andere Marktteilnehmer vor Übervorteilung zu schützen und das Vertrauen in einen fairen Börsenhandel aufrecht zu erhalten.

Börsennotierte Unternehmen beschäftigen daher große Compliance-Abteilungen, die besonderes Augenmerk auf die Prüfung von Aktiengeschäften ihrer Top-Manager legen sollen. Hätte der Intel-Chef erst verkaufen dürfen, nachdem die Öffentlichkeit über die Sicherheitsprobleme der Chips informiert wurde?


Aus Sicht von Anlegern und Investoren, die wegen der Sicherheitslücken nun Verluste bei ihren Intel-Aktien hinnehmen müssen, erscheint der Aktienverkauf des Firmenchefs jedenfalls in schrägem Licht. Möglich, dass Klagen von Aktionären oder Untersuchungen durch die Börsenaufsicht die Folge sein werden.

Immer wieder kommt es vor, dass Geschäfte von Top-Managern mit Aktien des von ihnen geleiteten Unternehmens Skandale und behördliche Untersuchungen nach sich ziehen. So trat Carsten Kengeter, Ex-Chef der Deutschen Börse, nach einer langen Hängeparte zurück, weil er kurz vor Bekanntwerden einer geplanten Großfusion seines Unternehmens viel Geld in dessen Aktien gesteckt hatte. Auch bei den Unternehmen Metro (MDax) und Linde (Dax) hatten Aktientransaktionen von Vorstandsmitgliedern ein juristisches Nachspiel. Ebenso beim Flugzeugbauer EADS/Airbus.

Wenn Aktienbeteiligungen in der Chefetage ein so großes Reputationsrisiko für Unternehmen und Manager darstellen, warum gibt es dieses Instrument dann überhaupt?

Das simple Kalkül dahinter: Wenn man die Bosse zu Mit-Aktionären macht, strengen sie sich umso mehr an, den Wert der Firmenanteile für alle Eigentümer zu steigern. Das Konzept scheint so schlüssig, dass es bisher kaum in Frage gestellt wurde.

Metro, Gagfah, Boss und Linde

Angesichts des Insiderverdachts gegen den Chef der Deutschen Börse hat allerdings der SPD-Politiker Thorsten Schäfer-Gümbel kürzlich gefordert, einmal grundsätzlich neu über die gängige Praxis bei Aktienoptionen nachzudenken. Immerhin seien Top-Manager qua Amt immer Top-Insider. Ökonomen betonen, dass es auf die konkrete Gestaltung der Optionsprogramme ankomme und empfehlen einen schrittweisen Aufbau von Aktienvermögen statt großer Käufe auf einen Schlag, wie sie trotz aller Beschwörungen einer guten Unternehmensführung immer wieder vorkommen.

So ermittelte die französische Börsenaufsicht 2006 gegen mehrere Bosse des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS, weil diese sich ähnlich wie jetzt im Fall Intel in großem Stil von ihren Unternehmensaktien getrennt hatten – und zwar kurz vor Bekanntwerden von Produktionsproblemen bei dem von der EADS-Tochter Airbus gebauten Riesenjet A380.

Beim Handelsriesen Metro ermitteln Behörden wegen des Verdachts des Insiderhandels in Zusammenhang mit der 2016 bekanntgegebenen und mittlerweile umgesetzten Aufspaltung des Unternehmens. Die Aufspaltung führte zu Kurssteigerungen, von denen auch Aufsichtsratschef Jürgen Steinemann und Vorstand Pieter Boone profitiert haben dürften. Sie hatten noch kurz vor Veröffentlichung der Spaltungspläne in Metro-Aktien investiert. Das Unternehmen weist die Vorwürfe zurück.


Als pikant in Erinnerung bleibt auch der Verkauf von eigenen Aktien durch William Brennan, den ehemaligen Chef des umstrittenen Immobilienunternehmens Gagfah. Das damals von Finanzinvestoren kontrollierte Unternehmen verschmolz später mit seinem Konkurrenten Deutsche Annington zum Immobilienriesen Vonovia. Kurz nach Brennans Aktiendeal im Frühjahr 2011 wurde eine Milliardenklage der Stadt Dresden gegen die Gagfah bekannt, die Aktie stürzte ab. Folge war eine Strafanzeige durch die Finanzaufsicht Bafin.

Eine Bafin-Anzeige zur Folge hatte auch der Absturz der Aktie des Modeunternehmens Hugo Boss nach einer Gewinnwarnung im Februar 2016. Hier sollen sich Insider laut Medienberichten kurz vor der Marktbewegung mit Aktienverkäufen aus der Affäre gezogen haben.

Und beim Industriegasdienstleister Linde geriet dessen Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle ins Visier der Finanzaufsicht, weil er im Juni 2016 – kurz vor Bekanntwerden von Fusionsplänen mit dem US-Konkurrenten Praxair – Linde-Aktien gekauft hatte. Staatsanwälte sahen hier keinen ausreichenden Anfangsverdacht, der Manager ist juristisch aus dem Schneider.

Auch wenn Insiderverdachtsfälle wie bei Linde am Ende juristisch ausgeräumt werden, müssen die betroffenen Unternehmen und Manager bis zur Klärung der Vorwürfe durch eine anstrengende Phase mit angekratztem Vertrauen gehen. Mit jedem neuen Fall stellt sich immer dringender die Frage, ob die Vergütungs- und Anreizmodelle für Top-Führungskräfte das wert sind.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%