Weiter kamen die Ermittler im Fall des Maschinenbauers Roth & Rau und der Schweizer Bank Credit Suisse. 150 Polizisten und 20 BaFin-Beamte durchsuchten Wohnungen und Büros in Deutschland — unter anderem die Deutschland-Zentrale von Credit Suisse. Vorwurf: Ein Bankmitarbeiter und weitere Beschuldigte sollen im Zusammenhang mit der Übernahme von Roth & Rau durch den Schweizer Konzern Meyer Burger 2011 Insiderhandel betrieben haben. Credit Suisse hatte Roth & Rau damals beraten. Bereits vor dem Übernahmeangebot durch Meyer Burger am 11. April 2011 war die Aktie von Roth & Rau um 50 Prozent gestiegen. Insider, die von der geplanten Übernahme Wind bekommen hatten, sollen vor dem 11. April große Aktienpakete gekauft haben.
Derzeit würden die Ergebnisse der Durchsuchungen noch ausgewertet, so die Staatsanwaltschaft Stuttgart. Mit einer schnellen Entscheidung, ob Anklage erhoben wird, sei aber nicht zu rechnen.
Insidergeschäfte sind in der EU verboten. Wer sich schuldig macht, muss schlimmstenfalls mit einer mehrjährigen Gefängnisstrafe rechnen. Meist jedoch kommen die Verdächtigen mit einer Geldauflage davon. Das heißt, sie sind nicht vorbestraft.
So stellte die Staatsanwaltschaft Köln im August 2013 das Verfahren gegen einen Manager des Immobilienunternehmens Vivacon ein. Er musste lediglich 320 000 Euro als Geldauflage zahlen. Den Betrag konnte er verschmerzen. Schließlich hatte er über eine Beteiligungsgesellschaft, die ihm gehörte, kurz vor einer Gewinnwarnung rund 350 000 Vivacon-Aktien verkauft. Der Deal hatte ihm Verluste in sechsstelliger Höhe erspart.
Gefängnisstrafen oder Geldbußen treffen zwar die Insider. Anleger, die durch Insidergeschäfte geschädigt wurden, etwa zu billig verkauft oder zu teuer gekauft haben, bekommen jedoch nicht ihr Geld zurück. Schadensersatz gibt es in der Regel nur, wenn der Anleger nachweisen kann, dass er von den Insidern vorsätzlich sittenwidrig geschädigt wurde. Da Insider in der Regel nur auf ihren eigenen Vorteil aus sind, ist es nahezu unmöglich, eine solche Absicht nachzuweisen.
Schweigen kann teuer werden
Anders ist es, wenn das Unternehmen die Aktionäre nicht rechtzeitig über eine möglicherweise kursbewegende Nachricht informiert hat. Beispiel: Der Autokonzern Daimler meldete im Juli 2005, dass der damalige Vorstandschef Jürgen Schrempp abgelöst wird. Daraufhin machte die Daimler-Aktie einen Satz nach oben. Später kam raus, dass Schrempp bereits zwei Monate vorher dem Aufsichtsrat signalisiert hatte, dass er gehen wolle. Dieses Wissen hätten Insider nutzen können. Anleger Markus Geltl, der seine Daimler-Aktien vor dem vom Schrempp-Rücktritt ausgelösten Kurssprung verkauft hatte, klagte gegen den Autobauer auf Schadensersatz.
Was ihm helfen dürfte: Sowohl der Europäische Gerichtshof als auch der Bundesgerichtshof entschieden, dass Unternehmen ihre Aktionäre nicht nur über vollendete Tatsachen, sondern auch über Zwischenschritte informieren müssen. Demnach hätte Daimler die Aktionäre bereits im Mai 2005 und nicht erst im Juli über Schrempps Abgang aufklären müssen.
Derzeit liegt der Fall wieder beim Oberlandesgericht Stuttgart. Eine Entscheidung soll frühestens im Herbst fallen.
Schadensersatz wegen einer zu spät veröffentlichten kursrelevanten Meldung ist laut Gesetz möglich, wenn ein Unternehmen kursbewegende Meldungen zu spät veröffentlicht und der Anleger deswegen zu teuer gekauft oder zu billig verkauft hat. „Wie viel die Aktionäre in solchen Fällen anSchadensersatz erhalten, liegt auch im Ermessen des Richters“, sagt Kai König, geschäftsführender Gesellschafter der Kanzlei Dornbach in München.
Ob die Daimler-Aktionäre entschädigt werden oder nicht, ist deshalb noch ungewiss. Noch argumentiert Daimler, dass der Konzern gar nicht verpflichtet gewesen sei, die Personalie Schrempp bereits im Mai 2005 zu melden.
Vorbildlich ist das nicht: Solange kursrelevante Informationen monatelang im Unternehmen ihre Kreise ziehen dürfen, wird es immer Insider geben, die das ausnutzen und auf die dunkle Seite der Börse wechseln.