Intelligent investieren

Die Börse ist kein Schönheitswettbewerb

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Erfolgreiche Investoren richten sich nicht nach der Mehrheitsmeinung

Mir zumindest sind noch keine Indizien oder Indikatoren über den Weg gelaufen, die die Preisbildung auf dem Aktienmarkt durch Keynes‘ Schönheitswettbewerbs-Gleichnis überzeugend erklären könnten. Ungleich gewichtiger dürfte an dieser Stelle jedoch die Erkenntnis sein, wie die langfristig erfolgreichen Investoren vorgehen. Und hier zeigt sich, dass Keynes‘ Schönheitswettbewerbs-Gleichnis für sie kein Leitfaden ist.  

Erfolgreiche Investoren richten sich nicht nach der Mehrheitsmeinung aus. Sie verschwenden keine Energie darauf herauszufinden, was die Mehrheitsmeinung heute oder morgen sein könnte. Sie interessieren sich meist auch nicht für die Aktien, die gerade in aller Munde sind, weil sie wissen, solche Aktien sind in der Regel schon zu teuer. Kaufen und verkaufen, was andere vermutlich kaufen und verkaufen werden, gehört nicht zum Handlungsrepertoire.

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Zudem halten erfolgreiche Investoren Ausschau nach attraktiven Unternehmen. Nach solchen also, die dauerhaft eine hohe Rendite auf ihr Kapital erwirtschaften und den Gewinn pro Aktie für lange Zeit steigern können. Das sind oftmals Unternehmen, die eben nicht die Titelseiten der Glanzseiten-Finanzmagazine zieren, und die in der Investorengunst häufig auch nicht hoch stehen, die aber gerade deshalb attraktive Investments darstellen.

Vor allem achten erfolgreiche Investoren penibel darauf, dass sie für eine Aktie nicht zu viel bezahlen. Wer zu teuer kauft, macht kein gutes Investment – das Unternehmen kann noch so gut sein. Um zum Ziel zu kommen, bringen erfolgreiche Investoren zudem die nötige Geduld auf, halten mitunter lange Zeit die Hände still. Gleichzeitig haben sie jedoch die Aufmerksamkeit und den Mut, gute Gelegenheiten zu erkennen und dann beherzt zu agieren, wenn andere nicht mehr kaufen wollen oder können.

Mit anderen Worten: Das erfolgreiche Investieren verläuft genau entgegengesetzt zum Schönheitswettbewerbs-Gleichnis. Man läuft nicht mit der Herde, sondern nutzt die Chancen, die das Verhalten der Mehrheit immer wieder einmal eröffnet. Und man setzt vor allem seinen ganzen Eifer daran, um in Erfahrung zu bringen, was eine Aktie tatsächlich wert ist. Denn nur dann kann man sinnvoll entscheiden, ob sich ein Kauf lohnt oder nicht.

Übrigens hat Keynes selbst nicht so investiert, wie es sein Schönheitswettbewerbs-Gleichnis nahelegen würde. Für die Stiftung des King’s College, Cambridge, für die er von 1921 bis 1946 verantwortlich war, investierte er konzentriert, also in relativ wenige Titel, ausgewählt auf Basis ihrer günstigen Bewertungen. Zudem investierte er langfristig, und er war bereit, auch große Abweichung seines Portfolio gegenüber dem Gesamtmarkt („Tracking Error“) zuzulassen. Der Leser mag daraus seine eigenen Schlussfolgerungen ziehen.

Wer wie alle investiert, kann nicht besser abschneiden als alle anderen. Wenn man also beim Investieren erfolgreich sein will, muss man es anders und auch besser machen als die anderen. Dazu gehört, sich fernzuhalten von falschen Theorien und den darauf abgeleiteten Anlageempfehlungen – wie sie beispielsweise im Gewand des Schönheitswettbewerbs-Gleichnisses daherkommen. Erfolgreiches Investieren ist kein Schönheitswettbewerb.

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