Die Digitalwährung Bitcoin bleibt auf Rekordkurs: Am Montag lag der Kurs auf mehreren Handelsplattformen erstmals über 2.187 US-Dollar, ein Plus von 13 Prozent, nachdem er am Wochenende die 2.000-Dollar-Marke geknackt hatte. Seit März hat sich der Kurs damit mehr als verdoppelt. Es ist wie ein Goldrausch. Nur ist ein einzelner Bitcoin aktuell deutlich wertvoller als eine Feinunze Gold, die gut 1.250 Dollar kostet.
Dass hiermit noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist, glauben viele. Der US-Fernsehsender CNBC rechnet vor, dass, wer vor sieben Jahren 100 US-Dollar investiert hat, heute Bitcoins im Wert von 72,9 Millionen Dollar sein Eigen nennen darf. Gleichzeitig gibt es Stimmen, die vor den starken Schwankungen und der Gefahr eines Einbruchs warnen – in Deutschland nicht zuletzt die Bundesbank.
Zuletzt trieben zwei Entwicklungen den Kurs nach oben. Zum einen hatte Japan den Bitcoin zu einem offiziellen Zahlungsmittel erklärt. Der Schritt der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt zeigt Wirkung: Am Montag hat die Fluglinie Peach Aviation erklärt, als erste japanische Airline die Zahlung von Flugtickets per Bitcoin zu akzeptieren. „Wir wollen damit Reisende aus Übersee anziehen sowie die japanischen Regionen stärken“, sagte Peach-Chef Shinichi Inoue laut Bloomberg in Tokio. Die Discount-Fluglinie wolle vor allem an Touristen aus Asien anlocken, wo Bitcoins weiter verbreitet sind als in Europa.
Zum anderen könnte die US-amerikanische Börsenaufsicht SEC einen auf Bitcoins basierenden Indexfonds zulassen und damit die Digitalwährung im klassischen Finanzmarkt salonfähig machen. Anfang März hatte die SEC den Fonds noch abgelehnt mit der Begründung, die Bitcoin-Währung befinde sich in einem frühen Stadium ihrer Entwicklung. Seit April prüft sie nun auf Antrag des Börsenbetreibers Bats eine erneute Genehmigung. Bis zum 15. Mai konnten Stellungnahmen zur Zulassung des „Winklevoss Bitcoin Trust“-Fonds abgegeben werden, hinter dem die Winklevoss-Zwillinge stehen, die mit der Behauptung bekannt wurden, die eigentlichen Erfinder von Facebook zu sein.
Bitcoins sind ein digitales Zahlungsmittel, dessen Idee 2008 vorgestellt wurde. Zwei Jahre später soll der erste Handel damit stattgefunden haben. Angeblich hat ein Programmierer damals 10.000 Bitcoins gegen zwei Pizzen getauscht. Nimmt man den aktuellen Wert, so wären das heute über 20 Millionen Dollar. Hergestellt wird die virtuelle Währung in großen Computernetzwerken, die unter hohem Zeit- und Rechenaufwand die Bitcoins produzieren. Gehandelt wird sie auf Plattformen im Internet gegen klassische Währungen gehandelt. Damit soll ein Geldsystem ermöglicht werden, das unabhängig von Staaten und Banken funktioniert sowie Transaktionen beschleunigt und Kosten minimiert.
Zum Beispiel sollen die Gebühren von Finanztransaktionen radikal absinken: Während man für eine Auslandsüberweisung über ein traditionelles Kreditinstitut schnell einen zweistelligen Euro-Betrag zahlt, ist die Gebühr für eine Bitcoin-Transaktion verschwindend gering. Meist liegt sie bei 0,0000001 Bitcoins, also nicht einmal einem Cent. Zudem dauert die Transaktion nur Sekunden, ganz egal wie groß die geografische Distanz zweier Konten zueinander ist.
Pro Tag werden der Bundesbank zufolge auf der ganzen Welt 350.000 Transaktionen mit dem digitalen Tauschmittel getätigt, verglichen mit 77 Millionen Überweisungen, Lastschriften und Kartenzahlungen allein in Deutschland. Vor allem die Bitcoins haben sich über die USA hinaus zu beliebten Spekulationsobjekten mit starken Kursschwankungen entwickelt, außerdem zu einer Art Alternativwährung in Ländern mit Kapitalverkehrskontrollen. So ballt sich ein Großteil des Handels in China.
Klare Vorteile - gravierende Risiken
Die Gemeinde der Bitcoin-Anhänger wächst – und verteidigt im Internet vehement die neue Währung. So schrieb etwa der Nutzer Herbert Maier im Handelsblatt-Kommentarforum: „Was bei den Bitcoins schön ist, ist dass dadurch so richtig erst einmal klar wird, was für ein ,Phantasieprodukt' unser ,richtiges' Geld eben auch ist. Wobei, die Bitcoins können ja nicht in beliebiger Menge erstellt werden wie unser (Geld), sondern werden relativ langsam in virtuellen Minen ,gefördert'. Insoweit also seriöser als der Euro usw.“
Hier äußert sich der größte Vorteil, den die Bitcoin-Gemeinde in der virtuellen Währung sieht. Sie hofft auf die Etablierung einer neuen Weltwährung abseits des Zugriff durch Staaten, Finanzinstitute und Notenbanken. Bitcoins zeichnen durch drei wichtige Eigenschaften aus:
Die Digitalwährung wird
„peer-to-peer“
gehandelt, also direkt zwischen Nutzern ohne die Hilfe von Banken. Möglich macht dies die Nutzung der Blockchain-Technik: Innerhalb einer verteilten Datenbank werden alle Bitcoin-Transaktionen redundant und dezentral (und damit nachvollziehbar) verzeichnet. Ihr Konzept hat der bis heute unbekannte Bitcoin-Erfinder Satoshi Nakamoto in seinem berühmten „White Paper“, dem Gründungsdokument der Community, 2008 beschrieben.
Bitcoins funktionieren
„permissionless“
, können also ohne Erlaubnis durch eine technische Aufsichtsbehörde benutzt werden.
Die Internetwährung ist zudem
„trustless“
: Anleger müssen keiner externen Partei vertrauen, etwa auf die Autorität staatlicher Aufsichtsbehörden oder Zentralbanken, um Bitcoins nutzen zu können.
All das unterscheidet die Digitalwährung in den Augen ihrer Anhänger von etablierten Währungssystemen. „Bitcoin ist toll, liebe Leute, beschäftigt euch einfach mal selbst damit und ihr werdet sehen worin das Potential liegt“, schreibt ein Nutzer im Handelsblatt-Kommentarforum. Der Euphorie zum Trotz gibt es zahlreiche Rückschläge bei der Etablierung der Bitcoins als massenkompatibles Alternativgeld.
Hauptproblem für die Nutzer dürfte die starke Volatilität sein: Tatsächlich gab es seit 2014 mehrere markante Einbrüche. Im Januar war der Kurs noch unter die Marke von 800 Dollar gerutscht, auch im März hatte es einen größeren Rückschlag gegeben. Wie volatil der Kurs auf lange Sicht ist, zeigt ein Blick auf den Wertverlauf: Nach einem ersten Höchststand bei über 1.200 Dollar Ende 2013 ging es für Bitcoin-Besitzer vor allem bergab. Erst seit Ende 2015 steigt der Kurs tendenziell wieder, weist aber hohe Ausschläge nach oben und unten auf.
Ein weiteres Problem: Bitcoins sehen sich harscher Kritik der Aufsichtsbehörden ausgesetzt. Kritiker monieren, dass die Digitalwährung wegen der schwer nachvollziehbaren Zahlungswege auch für kriminelle Zwecke verwendet werden kann. Die Bundesbank hatte unlängst aber Sparer vor Geldanlagen in der Digitalwährung gewarnt. Der Bitcoin sei „ein Spekulationsobjekt“, dessen Wert sich rapide verändere, sagte Bundesbank-Vorstandsmitglied Carl-Ludwig Thiele. „Aus unserer Sicht ist der Bitcoin kein geeignetes Medium, um Werte aufzubewahren.“
Absolute Sicherheit gibt es nicht, wie die Angreifbarkeit digitaler Währungen zeigt. So gab es in der Vergangenheit zahlreiche Hackerangriffen auf große Krypto-Tauschbörsen, wie MtGox oder BitFinex, bei denen Nutzer Geld verloren haben. Und innerhalb der Bitcoin-Gemeinde schwelt ein Streit über die Herstellungsrechte.
Auf unbedarfte Benutzer, auf die die eingeschworene Bitcoin-Gemeinschaft eher abschätzig hinabblickt, lauert eine weitere Gefahr: Digitalwährungen, die sich zwar begrifflich an die Bitcoin-Währung anlehnen, hinter denen aber ein betrügerisches System steckt. Der bekannteste Verdachtsfall ist der der sogenannten Onecoins. Onecoins waren nur über eine zentrale Plattform zu erwerben und auf zentralen Servern gespeichert, Nutzer somit voll dem Betreiber ausgeliefert – für die Bitcoin-Gemeinde, die sich in Online-Foren wie Reddit austauscht, Anzeichen für ein Betrugssystem. Viele Kleinanleger scheinen den Unterschied aber nicht verstanden zu haben, in Deutschland wurden laut Schätzungen hunderte Millionen Euro in Onecoins investiert. Das Geld dürfte weg sein, die Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelt wegen Betrugsverdachts.
Nischen - oder Massenwährung
Da die 2.000-Dollar-Grenze geknackt ist, dürften weitere Kurs-Höhenflüge dem Bitcoin neue Fans bescheren – aller Risiken zum Trotz. Doch auch wer nur wenig auf die Warnung von Aufsehern gibt (und sich nicht vor Hackerangriffen auf das eigene Konto fürchtet): Ein Problem mit den Bitcoins lässt sich nicht so einfach aus der Welt schaffen. Wer die Währung nicht nur horten, sondern auch mit ihr zahlen will, muss außerhalb Asiens lange suchen.
Bisher finden sich in ganz Deutschland laut dem Branchenportal „btc-echo“ nur etwas über hundert Unternehmen, die den Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptieren. In Österreich und der Schweiz sind es zusammengerechnet knapp zwanzig Firmen. Fragt man bei den Anbietern nach, wie oft es vorkommt, dass ein Kunde mit virtuellem Geld bezahlt, so erhält man häufig die gleiche Antwort: Kaum.
Bei Keycoon etwa, einem Frankfurter Onlineshop für 3D-Drucker-Zubehör, passiere das in nicht einmal einem Prozent aller Fälle, berichtete Geschäftsführer Deniz Isik der Deutschen Presse-Agentur. Wenig anders sieht es bei 4electric aus, einem Zulieferer von Ladezubehör für Elektroautos, ebenfalls aus Frankfurt. Auch hier habe man sich vielmehr aus Überzeugung für den Bitcoin entschieden, so der Inhaber. Bei der Fotografin Katrin Probst war es der Ehemann, der die Idee hatte, Bitcoins als Zahlungsoption anzubieten. „Er ist ein Nerd“, erzählt sie augenzwinkernd. Bisher habe aber noch niemand von der Zahlungsmöglichkeit Gebrauch gemacht. „Vielleicht ist das bei mir die falsche Zielgruppe.“
Enttäuschend endete ein Experiment, das das deutsche Online-Magazin t3n mit Sitz in Hannover vor gut einem Jahr begonnen hat. t3n hatte mitgeteilt, als erster deutscher Arbeitgeber seine Mitarbeiter zum Teil in Bitcoins auszahlen zu wollen. Keine große Summe, lediglich so viel, dass man es sich einmal im Monat in einem ausgewählten Café oder Burger-Laden gut gehen lassen konnte. Doch trotz der enormen Kursgewinne mussten die Bitcoin-Zahlungen jüngst eingestellt werden: Der mobile Bezahldienst pey.de, über den die Mitarbeiter einen Teil ihres Gehalts in Bitcoins bekamen, hat den entsprechenden Service mangels Nachfrage aufgegeben. Gern hätten sie weitergemacht, erzählt der Gründer und Geschäftsführer von t3n, Andreas Lenz. Die Mitarbeiter seien sehr zufrieden gewesen, der Bitcoin in den Pausen immer ein gutes Gesprächsthema. Allein ihre Vorreiterschaft wurde ihnen zum Verhängnis.
„Ihr seid drei Jahre zu früh dran“, erinnert sich Lenz an die Worte eines der pey.de-Chefs. Es gebe einfach noch nicht genug „Freaks“ wie ihn, die sich damit auseinandersetzten. Der klassische Unternehmer – ein Malermeister oder ein Tischler etwa – interessiere sich „nicht die Bohne für eine Bitcoin-Schenkung an seine Mitarbeiter, weil er gar nicht checkt, was das ist.“ Lenz dagegen wollte, dass seine Mitarbeiter von Anfang an checken, worum es bei dem Krypto-Hype geht. „Für mich ist das, was da passiert, krasser als der Goldrausch“, sagt er.
Die Hoffnung ist nicht unbegründet. Mit neuen Investoren könnte ein Bitcoin bald das Doppelte einer Feinunze Gold wert sein. Klar ist aber auch: Jeder Rausch endet früher oder später. Und das dürfte auch für den Bitcoin-Kurs gelten.
Mit Material von dpa.