Auch wenn alles auf eine Kaufgelegenheit hindeutet, ist das kein Garant für steigende Kurse am ersten oder den darauffolgenden Handelstagen. Denn letzten Endes gibt oft der allgemeine Markttrend die Richtung für den Aktienkurs vor.
Die aktuelle Börsenphase findet Tüngler für Anleger ohnehin ausgesprochen schwierig. „Die Situation ist komplex und die Anleger verunsichert. Die Nachrichten aus den Unternehmen sind ja noch beherrschbar, aber Makrothemen wie die Notenbankpolitik, internationale Krisenherde, Sanktionen und mehr erschweren solide Entscheidungen. Die Anleger fühlen sich bei dieser Gemengelage eher wie auf dem Beifahrersitz“, berichtet Tüngler.
Emissionsprospekt unter der Lupe
Um einen Börsengang richtig zu bewerten, kommen Anleger nicht umhin, sich in den Börsenprospekt zu Vertiefen. Insbesondere mit den Kapiteln zu den wirtschaftlichen Chancen und den Risiken für das Unternehmen sollten sich Anleger intensiv beschäftigen. Allerdings ist die Lektüre des oft mehrere hundert Seiten umfassenden Prospekt auch mühselig. Aktionärsschützer Marc Tüngler rät dazu, sich erst mit den Chancen und abschließend mit den Risiken im Prospekt zu beschäftigen. Dort finden sich die Wachstumsprognosen, Marktanalysen, aber auch laufende Gerichtsverfahren oder die Abhängigkeit des Unternehmens von einzelnen Führungspersonen.
Zeichnen oder später einsteigen?
Ob Privatanleger die neuen Aktien schon vor ihrem Handelsstart zeichnen sollten, lässt sich nicht pauschal beantworten. Aktionärsschützer Tüngler beobachtet jedoch, dass die Anleger seit dem Börsenstart der Postbank – deren Kurs nach dem Debüt deutlich stark gesunken war – eher abwarten, wie sich eine Aktie an der Börse etabliert und erst später kaufen. „Auch wenn deshalb ein paar Prozente verloren gehen, ist das nicht schlimm, denn das ist dann der Preis für ein Mehr an Gewissheit", meint auch Tüngler.
Der spätere Einstieg über die Börse hat zudem den Charme, dass ein Bewertungsvergleich mit anderen Unternehmen einfacher ist, wenn die Börse eine neue Aktie bereits gehandelt hat und somit Marktpreise für das Papier zustande kommen.
Eisbrecher bahnen den Weg für kleine IPOs
Tüngler glaubt, dass die großen IPOs geradezu zum Erfolg verdammt seien. „Alibaba und Zalando müssen klappen, damit auch die kleineren Börsengange gelingen. Wenn diese beiden die Investoren nicht überzeugen, wird es für die kleineren viel schwieriger“, prognostiziert Tüngler.
Als Erfolg sieht er dabei einen ersten Handelskurs oberhalb des Ausgabepreises. „Außerdem sollte es am Anfang noch nicht zu viele Stützungskäufe geben. Bewegt sich der Kurs nach dem Börsengang wie ein Zitteraal um den Ausgabepreis, sollten Anleger vor einem möglichen Kurssturz gewarnt sein“, mahnt der Aktionärsschützer. Nach deutschem Aktienrecht ist es einen Monat lang nach der Erstnotiz erlaubt, durch Käufe den Kurs der Aktie zu stützen. Allerdings muss das Unternehmen darüber in einem Nachtrag zum Emissionsprospekt berichten.
Bei einer Wette auf einen Börsenneuling liegen Traumrendite und Desaster mitunter dicht beieinander. Wer aber wichtige Faktoren eines Börsengangs beachtet und nüchtern analysiert, hat gute Chancen und sollte keinen Totalverlust erleiden. Anleger, die sich für die neuen Aktien interessieren, sollten allerdings wissen, worauf es bei der Einschätzung von Börsenkandidaten ankommt.