Iran drängt an den Gasmarkt Flammendes Plädoyer

Der Iran besitzt die größten Gasreserven der Welt. Ausgerechnet jetzt, da der Markt überversorgt und die Beziehung zu den USA wieder angespannter ist, will das Land im großen Stil exportieren. Ein kompliziertes Unterfangen.

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In Teheran spricht er bei während des 38-jährigen Jubiläums der iranischen Revolution vor dem Freiheitsturm. Quelle: AFP

Frankfurt Manchmal sagt ein Besuch mehr als tausend Worte: Auf Einladung hat der iranische Präsident Hassan Ruhani vor wenigen Tagen den Oman und Kuwait besucht. Die Bilder der Treffen mit dem omanischen Sultan sowie dem kuwaitischen Emir zeigen ausgelassene Gesichter, Männer in traditionellen Gewändern, den sogenannten Dischdascha, und Turban. Die Bilder vermitteln Botschaften ganz nach dem Geschmack des Irans.

Zur gleichen Zeit in der Nähe von Frankfurt. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt haben sich der iranische Vize-Ölminister und seine Gesandschaft in das Kempinski Hotel Gravenbruch zurückgezogen. Hier empfangen sie potenzielle Investoren und Vertreter internationaler Großkonzerne auf dem CWC Iran Gas & LNG Partnerships Summit. Statt Dischdascha und Turban tragen die Iraner hier Anzug und Krawatte. Ebenfalls Bilder ganz nach dem Geschmack des Irans.

Nach Jahren der Sanktionen durch den Westen pirscht sich das rohstoffreiche Land wieder an die Weltmärkte heran. Eine aufpolierte Beziehung zu den Golfstaaten könnte der erste Schritt auf den großen Weltmarkt sein. Öl exportiert das Land ja schon. Nun will das Land die Welt mit Gas versorgen. Die Voraussetzungen dafür sind jedenfalls da: Der Iran sitzt auf den größten Gasreserven der Welt. Allerdings kommen die Avancen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Die Gasmärkte sind hoffnungslos überversorgt und nach den jüngsten Verspannung mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump, macht sich bei den internationalen Konzernen Nervosität breit. Ein Unterfangen zwischen Euphorie und Scheitern.

Dabei sah alles schon so gut aus. Nachdem der Westen seine Sanktionen wegen des iranischen Atomprogramms im Januar 2016 weitgehend aufgehoben hat, bekundeten viele Staaten und Konzerne Interesse, in Gasfelder in dem persischen Land zu investieren. Voller Optimismus erklärt Vize-Ölminister Amir Hossein Zamaninia nun in Frankfurt: „Unsere Ressourcen sind sozusagen noch nicht einmal angezapft. Wir haben allenfalls die Spitze des Eisbergs abgekratzt. Internationalen Partnern bieten wir die Gelegenheit für langfristige Partnerschaften.“

Insgesamt verfügt der Iran über 34 Billionen Kubikmeter Gas, dem reichsten Vorkommen der Welt, schätzt der Ölkonzern BP in seinem renommierten Energieausblick. Knapp dahinter folgt Russland mit 32,3 Billionen Kubikmeter Gas. Heute produziert der Iran aber gerade einmal ein Fünftel des russischen Volumens. Und während Russland reichlich exportiert, etwa nach Europa, konsumiert der Iran 95 Prozent seines Gases selbst – oder verschwendet es, in dem es verbrennt. „Wenn Sie über den Iran fliegen und die Gasflammen zählen wollen, werden Sie sich sehr schnell verzählen“, sagt Hans Nijkamp, Vize-Präsident von Shell und verantwortlich für das Iran-Geschäft des Konzerns. In den warmen Flammen wird aber wertvolles Gas und damit Geld verbrannt. Das soll sich schleunigst ändern.

Mit 29 Konzernen stehe der Iran bereits in Verhandlungen, um seine reichen Reserven zu erschließen. Derzeit gehe es um Verträge über 70 Milliarden Dollar. Mindestens die Hälfte davon will das Land innerhalb der nächsten Monate abschließen.

Prinzipiell haben internationale Konzerne schon Interesse. Der Iran, so der Tenor in der Branche, biete riesige Chancen. Als erstes hat Total im November 2016 einen zwei Milliarden Dollar schweren Deal unterzeichnet, um das bislang gewaltigste Gasfeld des Irans, South Pars, weiter zu erschließen. Teil dieses Abschlusses ist auch der chinesische Staatskonzern CNPC. Shell hat Ende vergangenen Jahres eine Absichtserklärung für die Erkundung von drei Öl- und Gasfeldern unterzeichnet. OMV hat mit dem Iran ebenfalls Absichtserklärungen unterzeichnet und plane in diesem Jahr, die Erkundung und vertragliche Grundlagen voranzutreiben. Siemens gehörte ebenfalls zu den Post-Sanktions-Pionieren und hat bereits eine erste Gasturbine in den Iran geliefert.

Nijkamp von Shell will keinen Zweifel aufkommen lassen. „Wenn Shell sich in einem Land engagiert, dann möchte das Unternehmen dort auch langfristig bleiben“, sichert Nijkamp dem Iran zu. Das Land besitze das Potenzial, zu einem regionalen Dreh- und Angelpunkt für das Gasgeschäft zu werden. Auch Zulieferer profitieren: So berichtet etwa der schweizerische Anlagenbauer Sulzer, dass die Geschäfte gen Iran seit Anfang 2016 stark zugenommen hätten. Vorher seien sie aufgrund der Sanktionen praktisch tot gewesen.


Hoffnung Flüssiggas

Vor allem mit einer Form möchte der Iran groß auftrumpfen: LNG. Das Kürzel steht für „Liquified Natural Gas“. In einem chemischen Prozess wird dabei das flüchtige Gas auf minus 160 Grad heruntergekühlt, flüssig gemacht und im Volumen stark verkleinert. Die Flüssigkeit lässt sich dann ähnlich wie das Öl mit Tankern über Ozeane transportieren. Der iranische Botschafter in Deutschland, Ali Majedi, schwärmt: „Wenn Europa seine Gasversorgung diversifizieren und nicht mehr so stark von Russland abhängen möchte, finden Sie im Iran eine große Gasquelle.“

Etwa zehn Prozent des globalen Gaskonsums werden heute von LNG gedeckt. „Seit 2000 ist die Nachfrage von 100 Millionen Tonnen pro Jahr bis 2016 auf 260 Millionen Tonnen gestiegen“, berichtet Siamak Adibi, Leiter der Gasanalysen für den Mittleren Osten bei Facts Global Energy in London. Doch die Sache hat einen Haken: Sowohl die Gasmärkte im Allgemeinen als auch die LNG-Märkte im Speziellen sind heute überversorgt.

Lange Zeit galt Gas als Abfallprodukt, das bei der Ölförderung mit zutage gefördert wurde. Es wurde verbrannt. Das änderte sich ab den 1970er Jahren, als die Golfstaaten ihr Ölangebot verknappten und die Preise in der Folge drastisch stiegen. Seitdem wurde das Potenzial von Gas als Energieträger erkannt. Noch immer hängt der Gaspreis stark von den Ölpreisen ab.

Künftig wird die Bedeutung von Gas weiter steigen, schätzt die Internationale Energieagentur (IEA). Generell gelten fossile Brennstoffe zwar als Dreckschleudern. Gas hingegen ist die sauberste davon, mit einem CO2-Ausstoß, der nur etwa halb so hoch ist wie der von Kohle und ein Viertel niedriger als jener von Öl. Sofern sich die Welt an ihre Zusagen des Klimaabkommens von Paris halten, werde der Gasbedarf bis 2040 um 50 Prozent steigen, schätzt die IEA. Für gasreiche Länder wie den Iran lockt ein profitträchtiger Absatzmarkt.

Noch aber ist der Markt überversorgt. Das hat drei Gründe: Erstens haben große Konzerne in der Phase hoher Rohstoffpreise bis 2014 reihenweise in LNG-Projekte investiert. Zweitens schnellte der Bedarf Japans nach der Atom-Katastrophe von Fukushima 2011 nach oben, da es Kernkraftwerke abschaltete und seinen Energiebedarf mit Gas deckte. Das hat bei Produzenten weitere Investitionen angereizt. Vor allem Australien hat eine Reihe von Projekten angestoßen, die jetzt auf den Markt drängen. Drittens bricht nach der Schiefergas-Revolution in den USA ein wichtiger Abnehmer von LNG weg und rivalisiert mittlerweile als LNG-Exporteur. „Mindestens bis 2022 oder 2023 wird der LNG-Markt noch überversorgt sein“, erklärt Adibi von FGE.

Und das hat Folgen für den Preis. Adibis Grafik zur Preisprognose sieht aus wie eine steile Klippe, hinter der sich ein ausgedehntes Tiefland erstreckt. Der für Europa wichtige Referenzpreis National Balance Point (NBP) ist seit 2014 von knapp elf auf heute nur noch fünf Dollar je britischer Thermaleinheit gefallen. Das außergewöhnliche Maß bezieht sich auf die Wärmeenergie, die benötigt wird, um ein Pfund Wasser um ein Grad Fahrenheit zu erwärmen.

Dominiert wird der LNG-Markt allerdings von Asien. Der Kontinent steht für rund drei Viertel der Nachfrage. Dort sucht der Iran Abnehmer. Doch auch dort sieht es für den Preis mau aus. Der LNG-Spotpreis in Japan fiel von 16 Dollar 2014 auf nur noch sechs Dollar. Die Lobbyorganisaton IGU macht wenig Hoffnung, dass sich das Bild bald ändern wird: „Niedrige Ölpreise, wachsendes Angebot und langsameres Nachfragewachstum werden die Schlüsselfaktoren der LNG-Preise sein“, heißt es in seinem aktuellsten World LNG Report.


„Es geht hier um einen massiv unterbewerteten Markt“

Erschwerend kommt für den Iran der verschärfte Ton aus den USA hinzu. Trump hat für Menschen aus dem Iran ein Einreisestopp verhängt. Der Iran konterte mit einem Einreiseverbot für US-Amerikaner. Nach den jüngsten Raketentests des Irans hat Trump nun angedroht, neue Sanktionen gegen den Iran zu verhängen. Das unter seinem Vorgänger Obama ausgehandelte Atomabkommen steht auf der Kippe. Dennoch winkt der iranische Vize-Ölminister Zamaninia ab. Politische Spannung ja, für den Ausbau des Öl- und Gasgeschäftes sei das aber nichts weiter als ein vorübergehender „Schluckauf“.

Während die iranischen Vertreter ein flammendes Plädoyer für die Potenziale ihres Landes halten, erweist sich die tatsächliche Lage durchaus komplizierter. Die bisherigen Abmachungen mit den internationalen Konzernen sind größtenteils provisorisch. Mit finalen Investmententscheidungen halten sie sich aus Furcht vor neuen Sanktionen noch zurück. Kent Moors, Vorsitzender des amerikanischen Beratungsunternehmens Energy Capital Research Group, berät milliardenschwere Investoren und Investorengruppen. Er berichtet von zunehmendem Interesse in den Iran. „Jeder kapiert, dass es hier um einen massiv unterbewerteten Markt geht“, sagt Moors. Doch eine Sorge begegne ihm in jedem Beratungsgespräch: „Alle wünschen sich eine Finanzierung ohne amerikanische Institute.“ Denn für diese sind die Sanktionen noch nicht aufgehoben. Verschärft sich das Verhältnis zum Iran drohen schlimmstenfalls milliardenschwere Strafen.

Will der Iran an Bedeutung gewinnen, muss er versuchen, Investoren trotz der schwierigen Umstände von sich zu überzeugen. Sosehr iranische Offizielle die Vorzüge iranischen auch preisen, Adibi von FGE glaubt nicht, dass das Land den Markt in naher Zukunft umwälzen wird. Der LNG-Markt sei überversorgt, eine Pipeline nach Europa schlichtweg zu teuer.

Aus Kreisen des iranischen Staatskonzerns NIOC heißt es, dass es dem Iran heute trotz des schwierigen Umfelds vor allem um zwei Anliegen ginge: Erstens möchte das Land sich unbedingt als Gaslieferant am Weltmarkt etablieren. Zweitens sollen Exporte Einnahmen für den Staatshaushalt schaffen.

Um eine Grundlage zu schaffen, möchte sich das Land in einem ersten Schritt zunächst auf regionale Abnehmer konzentrieren. Indien haben sie beispielsweise als großen potenziellen Wachstumsmarkt auserkoren. Und dann wäre da ja noch der Oman. Schon 2013 hat der Iran mit dem Sultanat einen Gasliefervertrag im Wert von 60 Milliarden Dollar über 25 Jahre geschlossen. Schon bald soll eine Unterwasser-Pipeline die beiden Staaten verbinden. Damit dies bald geschehen kann, haben sich die Länder mit Shell um ihre Expertise gebeten. Für Präsident Ruhani und sein Land wäre es der erste wichtige Schritt an den Gas-Weltmarkt.

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