Italien schreckt Europas Börsen auf „Gespenst einer nächsten Euro-Krise macht die Runde“

Das Gezerre um eine handlungsfähige Regierung in Italien sorgt an der Börse für Unruhe. Experten warnen bereits: Das wird eine Zerreißprobe für die Euro-Zone.

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Aus Furcht vor einem weiteren Erstarken der europakritischen Kräfte in Italien ziehen sich Anleger in großem Stil aus europäischen Wertpapieren zurück. "In einer Zeit, wo auch die Wirtschaftsdaten andeuten, dass der konjunkturelle Höhepunkt schon wieder überschritten sein könnte, macht das Gespenst einer nächsten Euro-Krise die Runde", erläuterte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets.

Dax und EuroStoxx50 verloren jeweils knapp zwei Prozent auf 12.633 beziehungsweise 3418 Punkte. Der Leitindex der Mailänder Börse fiel zeitweise sogar um 3,7 Prozent auf ein Zehn-Monats-Tief von 21.122,51 Zählern. Der Euro geriet ebenfalls unter die Räder und war mit 1,1528 Dollar so billig wie zuletzt vor zehn Monaten.

Nach der gescheiterten Regierungsbildung durch die populistische Fünf-Sterne-Bewegung und die rechtsextreme Lega steuert Italien auf Neuwahlen zu. Diese Wahl werde de facto zu einem Referendum über den Verbleib Italiens in der Europäischen Union und der Euro-Zone, warnte Francesco Galietti, Chef der Politikberatung Policy Sonar. "Das ist eine existenzielle Gefahr für die Euro-Zone."

Einer Umfrage des Analysehauses Sentix zufolge rechnen 13 Prozent der befragten Investoren damit, dass in den kommenden Monaten mindestens ein Mitglied die Euro-Zone verlassen wird. Dies seien doppelt so viele wie im vergangenen Monat. Zum Höhepunkt der europäischen Schuldenkrise 2012 hatte die Quote aber bei mehr als 70 Prozent gelegen.
Der Anleihemarkt befinde sich wegen Italien bereits im Krisenmodus, konstatierte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. Es stelle sich die Frage, ob die Europäische Zentralbank (EZB) vor dem Hintergrund der jüngsten Kursverluste ihre Anleihekäufe wie geplant zurückfahren könne.

Der Ausverkauf italienischer Staatspapiere trieb die Rendite der zehnjährigen Titel auf ein Vier-Jahres-Hoch von 3,388 Prozent. Die vergleichbaren Papiere aus Spanien und Portugal rentierten mit 1,662 beziehungsweise 2,369 Prozent jeweils auf dem höchsten Stand seit etwa sieben Monaten.

In diesen Strudel gerieten die Aktien italienischer Banken, die in großem Umfang europäische Staatsanleihen halten. Der italienische Bankenindex brach um bis zu 5,6 Prozent ein, so stark wie zuletzt vor knapp zwei Jahren. Sein Pendant für die Euro-Zone steuerte mit einem Minus von 5,1 Prozent auf den größten Tagesverlust seit Sommer 2016 zu. Die Aktie der Deutschen Bank rutschte unter die psychologisch wichtige Marke von zehn Euro und war mit 9,71 Euro zeitweise so billig wie zuletzt vor eineinhalb Jahren.
Die Titel von Grammer standen dagegen mit einem Plus von knapp 22 Prozent auf 62,40 Euro vor dem größten Tagesgewinn der Firmengeschichte. Großaktionär Ningbo Jifeng will den Autozulieferer komplett übernehmen. Die chinesische Firma schlug einen Kaufpreis von 61,25 Euro je Grammer-Aktie vor. Für den zweiten Großaktionär, die Familie Hastor, biete das Angebot eine gute Möglichkeit zum Ausstieg, schrieb DZ-Bank-Analyst Michael Punzet in einem Kommentar. Die Eigentümer des Autozulieferers Prevent hatten 2016 eine 19-prozentige Beteiligung aufgebaut. Damals kostete die Grammer-Aktie zwischen 27 und 36 Euro.

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