Joachim Fels "Die Geldpolitik stößt zunehmend an ihre Grenzen"

Pimco-Chefvolkswirt Joachim Fels erklärt, warum die EZB ihre Geldpolitik erneut lockern dürfte, die Notenbank aber trotzdem nicht verteufelt werden darf.

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Die EZB-Geldpolitik stößt an Ihre Grenzen. Quelle: dpa Picture-Alliance

WirtschaftsWoche: Herr Fels, „Nach der Krise ist vor der Krise“ schrieben Sie vor kurzem. Droht uns tatsächlich eine neue Finanzkrise?

Joachim Fels: Als große Krise würde ich es nicht bezeichnen. Aber wir leben in einer Weltwirtschaft der unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Viele Regionen schwächeln, auch die Geldpolitik läuft in entgegen gesetzte Richtungen. Das sorgt für hohe Schwankungen an den Märkten. Außerdem stößt die Geldpolitik zunehmend an ihre Grenzen.

Meinen Sie damit die Europäische Zentralbank (EZB)?

Nein, das gilt für alle großen Notenbanken. Auch die chinesische, die Schwierigkeiten hat, ihre Kapitalabflüsse zu stemmen.

Die EZB vorm Bundesverfassungsgericht

Und die US-Notenbank Fed hat kaum Spielraum. Schon die Aussicht auf höhere Zinsen kann der Weltwirtschaft schaden.

Es sieht so aus, als würden die US-Währungshüter den Zins langsamer anheben als gedacht. Ist das ein gutes Zeichen?

Das stimmt, ich rechne mit nur zwei Zinsschritten in diesem Jahr, maximal drei. Die für März geplante Erhöhung dürfte vom Tisch sein. Die Märkte könnte das beruhigen, aber die Sorgen der Notenbanker um die US-Wirtschaft sind leider nicht ganz unbegründet.

Aber die Wirtschaft wächst doch und die Arbeitslosigkeit ist extrem niedrig?

Aber das Tempo ist raus. Außerdem kommt die Inflation nicht ins laufen. Deswegen muss die Fed vorsichtig sein.

Die Inflation in der Euro-Zone will auch nicht loslegen. Erhöht die EZB bei ihrer Sitzung am 10. März noch einmal die Schlagkraft ihrer Geldpolitik?

Der Einlagezins dürfte weiter gesenkt werden, vermutlich um zehn Basispunkte. Größere Schritte würden Banken zu stark unter Druck setzen. Deshalb könnte die EZB auch einen gestaffelten Einlagezins einführen. Dann wären große Teile der Einlagen mit einem niedrigen Strafzins belegt, der höchste Strafzins könnte beispielsweise nur für Überschussreserven der Banken gelten, die durch zusätzliche Anleihekäufe der EZB entstehen.

Was bringt das?

Der Druck auf die Banken sinkt und damit das Risiko, dass die Institute den Negativzins an die Kunden weiterreichen.

Gleichzeitig könnte die EZB noch mehr Anleihen kaufen, obwohl wir weiterhin auf Effekte des bisherigen Kaufprogramms warten.

Die Frage ist, was gewesen wäre, wenn die EZB nicht gehandelt hätte. Dann könnte die Lage noch schwieriger sein. Ein großer Erfolg ist, dass die Kerninflation nicht weiter gefallen ist.

Joachim Fels Quelle: Orde Eliason für WirtschaftsWoche

Nun muss die Zentralbank die Inflationserwartungen anschieben…

…die allerdings durch den niedrigen Ölpreis gedrückt werden.

Interessanterweise korrelieren ausgerechnet der heutige Ölpreis und die langfristigen Inflationserwartungen sehr stark, da beide Faktoren die Erwartungen der Anleger über künftiges Wachstum reflektieren. Deshalb müssen sinkende Inflationserwartungen die EZB in Alarmbereitschaft versetzen.

Die EZB rechtfertigt sich ja immer mit ihrem Mandat. Brauchen wir ein niedrigeres Inflationsziel?

Ein niedrigeres? Es gibt sogar Ökonomen, die höhere Inflationsziele fordern.

Aber die Zentralbank erreicht doch noch nicht mal ihr jetziges Ziel von zwei Prozent Inflation.

Das würde natürlich nur mit einer extrem expansiven Geldpolitik klappen, ähnlich wie Japan es 2013 gemacht hat. Deshalb halte ich das auf absehbare Zeit auch für unwahrscheinlich. Trotzdem gibt es gute Gründe für einen höheren Zielwert.

"Bargeld bietet viele Vorteile und Sicherheiten"

Tatsächlich?

Bisher kann die EZB den Zins nur begrenzt in den negativen Bereich senken, weil es sonst zu Fluchtreaktionen ins Bargeld kommt. In einer Rezession braucht eine Notenbank aber die Möglichkeit, den Realzins zumindest kurzfristig tief in den negativen Bereich drücken zu können. Das geht allerdings nicht, wenn die Inflationsrate so niedrig ist und der Nominalzins schon an der Nullzinsgrenze liegt. Dann bleiben der Notenbank nur Anleihekäufe.

Der Kampf der EZB gegen die Krise

Genau deshalb fordern einige Ökonomen, das Bargeld abzuschaffen. Richtig?

Ich glaube nicht, dass wir uns in absehbarer Zeit von Scheinen und Münzen trennen, dafür bietet Bargeld zu viele Vorteile und Sicherheiten. Aber vielleicht haben wir ja in vielen Jahren alle ein Konto bei der EZB und zahlen mit digitalem Geld, welches die Notenbank uns bereitstellt.

Eine Art Bitcoin von der Notenbank?

Ja genau. Bisher sind das akademische Diskussionen, aber die gibt es.

Gefährliche Kreditblasen gebe es dann nicht mehr, weil Banken keine eigene Geldschöpfung mehr betreiben dürften, sondern nur noch Darlehen vergeben könnten, wenn sie auch entsprechende Einlagen hielten.

Das klingt zwar spannend, aber das Vertrauen der Sparer in die EZB ist dafür doch viel zu niedrig, oder?

Ja. Schon komisch, einerseits vertrauen die Menschen der EZB nicht, andererseits wollen sie das Bargeld behalten, welches die Zentralbank ihnen gibt.

Der Zentralbank fehlen eben sichtbare geldpolitische Erfolge.

Es wäre zu kurz gedacht, allein den Notenbanken die Schuld an den niedrigen Zinsen zu geben.

Die sind nur die Getriebenen der Entwicklung. Der eigentliche Druck auf den Kapitalmarktzins entsteht durch die weltweite Sparflut.

Aber wir haben doch ein Verschuldungsproblem. Nun sparen wir zu viel?

Grundsätzlich ist Sparen nicht verkehrt, aber wenn gleichzeitig nicht mehr investiert wird, entsteht ein Ungleichgewicht. Sichtbar wird der Sparüberschuss etwa an der hohen Nachfrage nach sicheren Assets wie Bundesanleihen. Das drückt den Zins. Hebt die EZB die Zinsen über dieses natürliche Niveau, drohen Deflation und eine Rezession.

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