Kapitalerhöhung bei Borussia Dortmund „Der BVB ist immer noch mehr als eine Milliarde wert“

Der BVB will an der Börse 86,5 Millionen Euro einsammeln, um Schulden zu tilgen und in die Mannschaft rund um Stürmerstar Erling Haaland zu investieren. Quelle: REUTERS

Der börsennotierte Fußballverein besorgt sich frisches Kapital zu überraschend niedrigen Kursen. Die Aktie stürzt ab. Finanzchef Thomas Treß erklärt, wofür Borussia Dortmund das Geld braucht – und wieso er die eigene Aktie für unterbewertet hält.

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Thomas Treß ist seit 2005 in der Geschäftsführung des Fußball-Bundesligisten für die Finanzen zuständig. Der 55-Jährige ist gelernter Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.

WirtschaftsWoche: Herr Treß, mit einer Kapitalerhöhung will Borussia Dortmund 86,5 Millionen Euro einnehmen und begibt dafür gut 18 Millionen neue Aktien. Wofür braucht der Klub das Geld?
Thomas Treß: Die Coronapandemie hat erhebliche finanzielle Belastungen mit sich gebracht. Unsere Nettoverschuldung ist im Zuge dessen bis Ende Juni auf 59 Millionen Euro gestiegen. Da wir der Überzeugung sind, dass das operative Geschäft im Fußball grundsätzlich nicht durch Finanzschulden gehebelt werden sollte, sind wir bestrebt, diese schnellstmöglich wieder abzubauen. Dies ist wichtig, um im Falle wirtschaftlicher Rückschläge, zum Beispiel bedingt durch mögliche zukünftige sportliche Zielverfehlungen, gerüstet zu sein. Das erreichen wir nun, indem wir die Finanzschulden mit den Mitteln aus der Kapitalerhöhung auf null zurückführen.

Im August haben Sie Flügelstürmer Jadon Sancho für 85 Millionen Euro an Manchester United verkauft. Hätte das nicht auch gereicht, um die Schulden zu reduzieren?
Bei dem Verkauf ist, wie das inzwischen üblich ist, eine Ratenzahlung vereinbart worden. Bis das Geld komplett überwiesen ist, dauert es also vier bis fünf Jahre und es steht entsprechend nicht zur Rückführung von Finanzschulden zur Verfügung. Außerdem haben wir einen Teil des Verkaufserlöses reinvestiert und Donyell Malen aus Eindhoven verpflichtet.

Borussia Dortmund hat auch in den beiden Pandemie-Spielzeiten 19/20 und 20/21 in Summe operativ Liquidität generiert. Jetzt, wo die Stadien sich wieder füllen, sollte das Plus doch noch größer werden. Wieso haben Sie nicht mit diesem Geld die Schulden zurückgeführt?
Wenn wir die operativen Zuflüsse nähmen, um Finanzschulden zu tilgen, limitierten wir uns an anderen Stellen – beispielsweise bei  Transfers, aber auch bei wichtigen Themen wie der Internationalisierung oder der Digitalisierung, die wir vorantreiben wollen. Ein solches Vorgehen halten wir strategisch nicht für erfolgversprechend.

BVB-Finanzchef Thomas Treß will mit frischem Geld von der Börse Schulden tilgen. Quelle: imago images

Die neuen Aktien, die Sie im Zuge der Kapitalerhöhung ausgeben, platzieren Sie zu 4,70 Euro das Stück. Das entspricht einem erheblichen Abschlag von gut einem Viertel auf den letzten Tagesschlusskurs vor Bekanntgabe der Kapitalerhöhung. War die Nachfrage nach den Aktien so gering oder die Not so groß, dass Sie nur so einen niedrigen Preis erzielen konnten?
Bei solchen Kapitalerhöhungen muss man immer Abschläge in der Größenordnung von 20 Prozent in Kauf nehmen; insofern ist der Abschlag bei uns nicht außergewöhnlich hoch. Man muss dabei auch bedenken, dass es in der Zeit zuvor eine höhere Volatilität in der Aktie gegeben hat; auch das drückt den Preis. Mit mangelnder Nachfrage oder Not hat das nichts zu tun.

Vergangenen Monat hielten Sie die Aktie bei gut sechs Euro noch für unterbewertet. Was ist sie dann bei 4,70 Euro?
Die Attraktivität von Borussia Dortmund hat durch die Kapitalerhöhung nicht gelitten. Das Unternehmen ist in Summe immer noch mehr als eine Milliarde Euro wert. Wenn man sich anschaut, wo der Kurs vor der Pandemie stand, nämlich bei über neun Euro, dann wird klar, welches Potenzial da ist. Denn das Ende der Pandemie ist meines Erachtens zumindest absehbar.

Aktionäre schießen also jetzt nochmal Geld zu, die Dividende im vergangenen Jahr wurde gestrichen und dieses Jahr gibt es vermutlich auch keine. Sollen auch die Spieler noch einmal einen Beitrag zur Abfederung der Corona-Folgen leisten? Sie hatten bisher lediglich zu Beginn der Pandemie auf einen Teil ihres Gehalts verzichtet.
Ich finde es schwierig, das miteinander in Bezug zu setzen. Die Spieler haben in der Tat auf Gehalt verzichtet, was einen Millionenbetrag eingespart hat. Jetzt, wo absehbar ist, dass der Fußball in den Normalbetrieb zurückkehrt, wäre ein erneuter Gehaltsverzicht schwer vermittelbar.

Gibt es denn entsprechende Bemühungen seitens des Vereins?
Nein.

In der laufenden Spielzeit könnte der Fußball wieder in den Normalbetrieb zurückkehren, aktuell dürfen maximal 25.000 Zuschauer wieder ins Stadion. Wie viel Prozent der durch Corona weggefallenen Erlöse im operativen Geschäft werden 2021/22 wiederkommen?
Das Geschäft wird sich mittelfristig normalisieren, aber wir rechnen nicht in diesen Prozent-Kategorien. Nur auf das Thema Zuschauer zu schauen, greift auch zu kurz. Borussia Dortmund hat vor der Pandemie unter anderem einen wesentlichen Teil seiner Einnahmen durch Transfers erwirtschaftet. Dieses Geschäft ist aber mit dem Ausbruch der Pandemie fast zum Erliegen gekommen, weil der Transfermarkt nicht mehr funktioniert hat.

Und jetzt funktioniert er wieder?
Wir haben aus meiner Sicht einen zweigeteilten Transfermarkt. In der Top-Kategorie, zu der ich auch unseren Verkauf von Jadon Sancho zähle, funktioniert der Markt wieder gut – auch wenn es bei den Preisen Abschläge im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit gibt. In der unteren und mittleren Preisklasse hingen ist der Markt noch nicht wieder in Schwung gekommen.



Zuschauer zurück im Stadion, Transfermarkt, zumindest in der Oberklasse, wieder recht rege: 2021/22 könnte wirtschaftlich ein gutes Jahr für den BVB werden. Können Aktionäre im nächsten Jahr auf eine Dividende hoffen?
Das hängt sehr vom sportlichen Erfolg in dieser Saison ab und davon, wie schnell die Belastung des operativen Geschäftes durch die Pandemie wegfällt. Das ist heute nur sehr eingeschränkt vorhersehbar. Aber ich schließe es auch nicht aus.

Nach der Ankündigung der Kapitalerhöhung gab die BVB-Aktie zweistellig nach, weil der Platzierungspreis so weit unter dem letzten Kurs liegt. Was können Sie BVB-Kleinaktionären sagen, die am Tag der Bekanntgabe im Depot rot sehen?
Ich glaube, dass es für die Aktionäre attraktiv ist, zu 4,70 Euro an der Kapitalerhöhung teilzunehmen. Borussia Dortmund wird gestärkt aus der Pandemie hervorgehen. Davon werden sie auch profitieren.

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