Kohle-, Stahl- und Eisenbahnaktien Glänzende Renditen mit der Old Economy

Kohle, Stahl und Eisenbahn-Aktien im Comeback. Quelle: Getty Images

Kohle, Stahl und Eisenbahn sind Old Economy. Oder? Weltkonjunktur und die "Buy-American"-Politik von US-Präsident Donald Trump sprechen für eine Comeback. Wir zeigen, wo für Anleger "Rust-Belt-Investments" wieder lohnen.

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Die Hartmetallsäge fräst sich kreischend durch den Stahl. Erhan Aydin füttert die Sägebohrmaschine im Voestalpine-Werk im hessischen Butzbach per Joystick mit einer 60 Meter langen Stahlschiene. Bei exakt 17,15 Metern wird der Metallstrang zum ersten Mal durchtrennt. Die Schiene soll Teil einer Bahnweiche werden, von denen der Stahlkonzern in Butzbach rund 500 Stück im Jahr produziert. Einige Stunden und Arbeitsschritte später senkt ein Kran das glühend heiße Bauteil in ein Emulsionsbad zum Abschrecken. Zischend steigt Wasserdampf auf und zieht durch die geöffneten Dachluken der Werkshalle. Durchs Erwärmen im Ofen und das anschließende Abschrecken wird das Herzstück der künftigen Weiche gehärtet – was nötig ist, wenn Hochgeschwindigkeitszüge mit bis zu 380 Stundenkilometern über die Gleise donnern.

Voestalpine versteht sich als Technologiekonzern, ein Gegenentwurf zum rustikalen Stahlkocher alter Prägung: Hightech-Weichen und ultraleichte Bauteile für die Autoindustrie statt einfachem Baustahl.

Ordinärem Stahl haftet der Geruch von industriellem Niedergang an. Der Abwärtstrend ging von China aus. Spätestens 2015 war klar, dass zu viele Hochöfen den Weltmarkt überfluten: Von 605 auf 390 Dollar je Tonne stürzte der Stahlpreis ab. Weniger Stahl bedeutet auch weniger Kohle für die Hochöfen. Der Börsenpreis für Steinkohle schmolz von 218 Dollar je Tonne im Juni 2008 auf 43 Dollar je Tonne im Februar 2016 ab. Der bis dahin weltgrößte Kohleproduzent Peabody landete im vergangenen Jahr vorübergehend in der Insolvenz.

Gütertransport per Eisenbahn in den USA.

Inzwischen hat die Stimmung gedreht. Axel Eggert, Generaldirektor des europäischen Stahlverbands Eurofer, spricht von einem „zarten Blümchen der Erholung“. Stahl kostet wieder 620 Dollar, Kohle immerhin 78 Dollar pro Tonne. Die US-Eisenbahngesellschaften haben im Januar und Februar fünf Prozent mehr Ladung transportiert als im Vorjahreszeitraum (siehe Grafik).

Zusätzlich heizt Donald Trump als US-Präsident die Fantasie der Börse an. Sein eine Billion Dollar schweres Infrastrukturprogramm würde die Stahlnachfrage beleben. In einer Rede vor dem US-Kongress stellte Trump die Prinzipien des Programms vor: „Kauft amerikanisch und stellt Amerikaner ein.“ Der Chef des Stahlherstellers US Steel, Mario Longhi, versprach 10.000 neue Jobs. Die Milliarden aus Washington dürften den US-Bahnkonzernen mehr Aufträge für den Transport von Baumaterialien verschaffen.

Der Rückenwind aus Wirtschaft und Politik trieb Eisenbahn- und Stahlaktien in den vergangenen Monaten nach oben: plus 320 Prozent für US Steel, plus 97 Prozent für den amerikanischen Bahnlogistiker CSX im 12-Monats-Vergleich. Die Kohleaktien haben sich nach einer Reihe von Unternehmenspleiten stabilisiert.

Ist die Rally schon die Wende für die rostigen Industrien? Die WirtschaftsWoche ist der Frage nachgegangen und hat die Aktien herausgesucht, die noch Potenzial haben (für Digitalpass-Nutzer).

Der Trump-Effekt allein wird der Stahlindustrie nicht dauerhaft helfen. Dafür wäre ein Abbau von Überkapazitäten nötig — insbesondere in Asien. Zwischen 2016 und 2020 will China bis zu 150 Millionen Tonnen Stahlkapazität vom Markt nehmen. Im vergangenen Jahr produzierten die Chinesen trotzdem mehr Stahl als 2015 — dank besserer Auslastung der verbliebenen Werke. Es bleibt also noch einiges zu tun.

Mehr Wirkung ist derzeit von den verschärften Antidumping-Vorschriften der EU und der USA für Stahlimporte zu erwarten. Seit Oktober vergangenen Jahres erhebt die EU Strafzölle von bis zu 22,6 Prozent auf chinesischen Stahl. Bereits im Mai 2016 führte die US-Regierung, damals noch von Barack Obama geführt, eine Strafsteuer auf chinesischen Stahl ein. Trump könnte die Schraube weiter anziehen. Das hofft zumindest Lakshmi Mittal, Chef des weltgrößten Stahlkonzerns ArcelorMittal. Die Maßnahmen der US-Regierung sollten helfen, Chinas Überkapazitäten abzubauen, so Mittal.

Weniger Importe aus China

Weniger Importe aus China werden amerikanischen und europäischen Stahlherstellern Auftrieb geben. Auch vom Rohstoffmarkt kommen ermutigende Signale. Laut UniCredit hätten die Inlandspreise für Stahl in China angezogen. Das könnte, so die UniCredit-Analysten, ein Vorbote dafür sein, dass die Stahlpreise in diesem Jahr stärker steigen als erwartet.

Trotz des positiven Umfelds rät der Stuttgarter Vermögensverwalter Georg Thilenius zur Vorsicht: „Bei Stahlaktien kommt es vor allem auf das Timing an.“ Anleger sollten auf dem Höhepunkt eines Konjunkturzyklus Gewinne mitnehmen. Der Zenit könnte bereits nach zwei Jahren Amtszeit von Trump erreicht sein. Dessen Konjunkturprogramme seien vor allem auf die Parlamentswahlen 2019 ausgerichtet. Thilenius rät zu US-Stahlherstellern wie etwa US Steel, weil diese Unternehmen bei Aufträgen für Infrastrukturprojekte bevorzugt würden.

Auch europäische Hersteller haben Potenzial, beispielsweise der österreichische Konzern Voestalpine. Er überzeugt mit vergleichsweise stabilen Gewinnen und Margen, die über dem Branchenschnitt liegen. Viel Geld verdienen die Österreicher etwa mit Spezialstahl. Die Marge liegt bei 9,3 Prozent. Zum Vergleich: Bei den übrigen Stahlprodukten sind es 5,5 Prozent.

Güterverkehr auf der Schiene ist gefragt

Am neuen Werk für Autoteile in Mexiko wollen die Österreicher trotz der von Trump angekündigten Strafzölle für Importe aus dem Nachbarland festhalten. „Nur ein Teil der dort gefertigten Komponenten wird in die USA exportiert“, sagt Vorstandschef Wolfgang Eder.

Politisch nichts zu befürchten haben dagegen Bahnkonzerne. Ihr Streckennetz bindet sie an ihr Heimatland. Zölle sind für sie kein Thema. Der milliardenschwere Investor Warren Buffett schwört auf US-Bahnaktien und hält über seine Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway gleich mehrere davon. Aus Anlegersicht ist der US-Markt aus zwei Gründen attraktiv. Zum einen wegen Trumps Infrastrukturprogramm, aber auch, weil der Präsident die heimische Ölproduktion ankurbeln will.

Öl wird in den USA neben Pipelines auch per Schiene auf den Weg gebracht. „Der steigende Ölpreis hilft den Bahnkonzernen, weil der Kostenvorteil gegenüber dem Lkw-Transport größer wird“, sagt Marcus Poppe, Fondsmanager bei Deutsche Asset Management. Zudem werde wegen des höheren Ölpreises mehr Sand per Schiene zu den Fracking-Ölfeldern transportiert. Sand und Chemikalien werden gebraucht, um Öl aus Gestein zu lösen. Zwar mache Sand für die Ölproduktion bei den Eisenbahnunternehmen nur vier Prozent des Umsatzes aus, aber die Margen seien hoch.

Union Pacifics Netz im Westen der USA hat Anschluss an Kanadas Ölsandgebiete. Im vergangenen Jahr war wegen des Preisverfalls am Energiemarkt der Umsatz mit Öl um 70 Prozent eingebrochen. Dank des deutlich gestiegenen Ölpreises hat dieser Geschäftszweig wieder viel Luft nach oben.

Zudem ist Union Pacific einer der weltweit zuverlässigsten Dividendenwerte. In diesem Jahr schüttet der US-Bahnkonzern zum 118. Mal in Folge aus. Bei 2,42 Dollar je Aktie bleibt den Anlegern eine Dividendenrendite von 2,3 Prozent. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 19 fürs kommende Jahr ist Union Pacific unter dem langjährigen Schnitt bewertet und damit ein Kauf. Der US-Wettbewerber Norfolk Southern hat die Kosten 2016 um 250 Millionen Dollar gedrückt, 50 Millionen Dollar mehr als noch im Oktober erwartet. Der Anteil der Ausgaben aus dem Geschäftsbetrieb am Umsatz (Operating Ratio) fiel auf 68 Prozent. Damit liegt Norfolk Southern jedoch noch über dem Branchenschnitt von 63 Prozent. Bis 2020 soll die Kennzahl auf 65 Prozent fallen. Für das Unternehmen spricht, dass es ein Viertel seines Umsatzes mit Containern macht. Dieser Geschäftszweig wächst in der US-Bahnbranche am schnellsten.

Kohleförderer habe es weiter schwer

Fondsmanager Poppe hält die kanadischen Eisenbahnunternehmen im Containergeschäft jedoch für die bessere Wahl: „In Kanada sind die Entfernungen zwischen den Ballungsräumen größer als in den USA, der Kostenvorteil der Schiene gegenüber dem Lkw damit größer.“ Bei der Canadian National Railway macht das Containergeschäft 22 Prozent vom Umsatz aus. Das Management verspricht fürs laufende Jahr ein Gewinnwachstum von rund fünf Prozent.

Wenig Wachstum ist dagegen bei den Kohlekonzernen zu erwarten. Nach Schätzung der Internationalen Energie Agentur (IEA) wird die Kohlenachfrage bis 2021 nur noch um 0,6 Prozent pro Jahr wachsen. Von 2000 bis 2013 waren es vier Prozent jährlich. Der Anteil am globalen Energiemix wird laut IEA bis 2021 von 41 auf 36 Prozent sinken.

Die Energiewende trifft die Kohle, die in Kraftwerken verfeuert wird. Bei der Kokskohle dagegen hängt der Preis von der Nachfrage aus der Stahlindustrie ab. Kokskohle ist nötig, um Stahl zu kochen. Nicht jedes Kohlevorkommen eignet sich, um daraus Brennstoff für die Stahlöfen zu machen.

Die US-Kohleminen hoffen auf Hilfe aus Washington. „Trump wird zwar etwas für die Kohlekumpel tun, um Enttäuschungen zu vermeiden. Diese Maßnahmen werden aber nicht nachhaltig helfen“, sagt Vermögensverwalter Thilenius. In Kohleaktien wolle er daher nicht investieren.

Breit aufgestellte Minenkonzerne mit Chancen

Weil viele Staaten auf das umweltfreundlichere Erdgas umsteigen, fehlen Großanleger. „Einige Pensionsfonds investieren nicht mehr in Kohleaktien“, sagt Arnaud du Plessis, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter Amundi. Auch der Versicherer Allianz ist ausgestiegen. Wilbur Ross, neuer US-Wirtschaftsminister, hat sich 2011 von Anteilen am Kohlekonzern International Coal Group getrennt.

Wer dennoch auf einen steigenden Kohlepreis spekulieren will, sollte sich an einen breit aufgestellten Minenkonzern halten. Vorteil: Die Aktie steigt mit dem Kohlepreis, das Unternehmen ist jedoch nicht von einem einzigen Rohstoff abhängig. Derzeit gut aufgestellt ist der britische Rohstoffkonzern Rio Tinto. Das Unternehmen drückte im vergangenen Jahr die Förderkosten für Kohle um 20 Prozent. Weil Kohle für Kraftwerke weniger gefragt ist, haben die Briten im Januar den australischen Kohleschürfer Coal & Allied Industries verkauft. An Vorkommen mit Kokskohle will Rio Tinto dagegen festhalten und so vom Aufschwung der Stahlbranche profitieren. Weil die Briten auch Eisenerz fördern, verdienen sie gleich an zwei Rohstoffen.

Doch die Abhängigkeit der Stahlkocher von der Kohle ist endlich. So arbeitet Voestalpine an Produktionsverfahren, die mit Wasserstoff statt mit Kohle befeuert werden. Bis zur Serienreife werden zwar noch etliche Jahre vergehen. Dann allerdings würden die Kohleproduzenten in die nächste Krise rutschen.

Nicht jede rostige Industrie lässt sich aus Anlegersicht auf Hochglanz polieren.

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