Konjunkturzyklus

Der Aufschwung erreicht sein Haltbarkeitsdatum

Seite 2/3

Die Effekte der Niedrigzinsen werden sich abnutzen

Leitzinsen von nahe Null und massive Lockerungsmaßnahmen der Notenbanken haben natürlich eine positive Wirkung auf das Wirtschaftswachstum – zumindest eine Zeit lang. Insbesondere beflügeln sie die die Neigung zu Konsum in den privaten Haushalten und zu Investitionen bei den Unternehmen. Zudem verschaffen sie den Staatshaushalten durch niedrige Zinskosten Spielraum für Mehrausgaben. Dass bei diesen massiven stimulierenden Effekten nicht mehr an Wachstum herausgekommen ist, lässt jedoch an der Wachstumsstärke der Industrieländer zweifeln. Wie würde dort das Wachstum ohne die – nicht auf Dauer durchhaltbare – expansive Wirtschaftspolitik aussehen?

Dass die wirtschaftspolitischen Stimuli in den kommenden Jahren nachlassen, ist sehr wahrscheinlich. Es ist kaum vorstellbar, dass die Notenbanken die Leitzinsen weiter senken oder dass die Leitzinsen für lange Zeit weit im negativen Bereich liegen. Selbst wenn die Zinsen auf den jetzigen Niveaus blieben, wird sich der stimulierende Effekt mit der Zeit abnutzen. Und ohne diese Impulse dürfte das Wirtschaftswachstum noch bescheidener ausfallen.

Das Wachstum der Industrieländer hat sein Ende erreicht

Skepsis hinsichtlich der Aussichten für die beiden wichtigsten Wachstumstreiber der Weltwirtschaft – die USA und Deutschland – ergibt sich auch aus der Analyse der Konjunkturzyklen. Denn der Wachstumszyklus in den Industrieländern hält schon sehr lange an. Der aktuelle Aufschwung hat mit einer Dauer von rund 70 Monaten nach früher geltenden Maßstäben sein Haltbarkeitsdatum wohl allmählich erreicht.

Der aktuelle Zyklus ist absolut untypisch. Der Lehman-Schock, der alle Industrieländer in eine mehr oder weniger starke Rezession gestürzt hatte, hat zu einem ungewöhnlich synchronen Wachstumszyklus geführt. Auch das Verhalten von Geld- und Fiskalpolitik im Gefolge der Krise war in allen Industrieländern ähnlich – sehr schnell umfangreiche schuldenfinanzierte Konjunkturstützungsprogramme, die danach allmählich wieder endeten, auf geldpolitischer Seite schnelle Zinssenkungen und dann mehr und mehr quantitative Lockerung, die die Notenbanken bis heute unverändert durchhalten. Es kann keinen Zweifel geben, dass diese Wirtschaftspolitik eindeutig positiv auf das Wachstum und damit verlängernd auf den Wachstumszyklus gewirkt hat.

Viele Staaten sind zu hoch verschuldet

Die Reife des Wachstumszyklus und der bevorstehende Entzug von monetären Wachstumsimpulsen müssen nicht bedeuten, dass die Industrieländer und damit auch Deutschland unmittelbar vor einer Rezession stehen. Jedoch spricht viel dafür, dass wir schon mehr als die Hälfte des aktuellen Aufschwungs hinter uns haben. Sicherlich haben wir noch einen Joker in der Hinterhand, um einen plötzlichen Abschwung zu vermeiden, nämlich höhere Staatsausgaben. Jedoch wird man diesen nur sehr selektiv nutzen können, da viele Staaten immer noch viel zu hoch verschuldet sind. Raum für eine kräftige staatliche Konjunkturspritze gibt es eigentlich nur in den USA und Deutschland.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%